Am 23. Januar verschickte die Mitteldeutsche Flughafen AG die Meldung, dass man ab jetzt auch über einen Regionalbeauftragten verfüge. Der Chef der Flughafen AG kam darin auch zu Wort – aber ganz hinten. Das war das Schöne an dieser Meldung, dass sie sehr eindeutig zeigte, wer eigentlich bestimmt, was am Flughafen Leipzig/Halle passiert und was nicht. Logisch, dass die Ernennung des Sendboten bei den Fluglärm-Initiativen nur Unverständnis auslöste.

Und wer hat nun das Sagen? Nein, nicht der Verkehrsminister Martin Dulig (SPD), der sich den Termin lieber erspart hat. Der Flughafen gehört genauso wenig zu seinem Reich wie die Binnenhäfen, die Porzellanmanufaktur oder die Sache mit den Kohlemeilern.Die Entscheidungen zu allem, was am Flughafen lärmt und gebaut wird, fallen in zwei Instanzen: Eine ist die Sächsische Staatskanzlei, für die Oliver Schenk, Chef der Sächsischen Staatskanzlei, als erster zitiert wurde mit den Worten: „Als Freistaat haben wir ein strategisches Interesse an den mitteldeutschen Flughäfen. Der Ausbau des Frachtdrehkreuzes Leipzig/Halle hat daher auch die aktive Unterstützung der sächsischen Staatsregierung.“

Mehr muss man nicht wissen.

Die Entscheidungen zu noch mehr Frachtflugverkehr fallen in der CDU-geführten Staatskanzlei.

Na ja, und einer hat auch noch ein bisschen Macht. Das vergisst man gern. Auch er durfte ein paar Worte sagen, und zwar an zweiter Stelle, deutlich vor der Staatssekretärin aus dem Verkehrsministerium. So sind die Rangordnungen in Dresden. Hartmut Vorjohann, Sächsischer Staatsminister der Finanzen und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der MFAG, sagte: „Der Flughafen Leipzig/Halle ist schon heute ein bedeutender Arbeitgeber und Wirtschaftsmotor. Das große Potential an diesem strategisch vorteilhaften Standort wollen wir gemeinsam mit der MFAG und den Kommunen des Umlandes weiterentwickeln.“

Alles klar?

Die beiden Instanzen, die den Flughafen quasi als sächsischen Staatsbetrieb betreiben, haben öffentlich verkündet, dass sie sich von allen Einsprüchen gegen den Ausbau nicht abhalten lassen werden. Sie wohnen ja auch alle da hinten hübsch ruhig in Dresden. Was kümmert sie der Lärm in Leipzig?

Na ja: So ein bisschen schon. Da der Protest gegen den Ausbau mittlerweile auch die Stadträte von Schkeuditz und Leipzig ereilt hat, braucht man jetzt irgendwie einen Friedensstifter.

Eben jenen Regionalverantwortlichen, der schon mal über die Dörfer tingelte, um gut Wind für den 500-Millionen-Euro-Ausbau zu machen.

Worüber die Fluglärm-Bürgerinitiativen und Verbände rund um die lauteste stadtnahe nächtliche Lärmquelle Deutschlands natürlich ihr Unverständnis äußerten.

Seit Jahren kämpfen sie um einen unabhängigen Fluglärmschutzbeauftragten für Sachsen, sprich für die Flughäfen Leipzig/-Halle und Dresden. Ihre Forderung wurde aber bisher von Legislaturperiode zu Legislaturperiode ignoriert oder unter dem Deckmantel Kostengründe/Haushaltsplanung ausgesessen.

„Nun zaubern die Gesellschafter der Mitteldeutschen Flughafen AG, deren Hauptgesellschafter der Freistaat Sachsen und das Land Sachsen-Anhalt sind, einen Ex-Staatsminister aus der Tasche, der in 2019 von seinem CDU-Landesvorstand nicht mehr als Spitzenkandidat für die Europawahl nominiert wurde und dann auch nach dem schlechtesten Wahlergebnis der CDU aus der Politik ausschied“, kommentiert Matthias Zimmermann, Pressesprecher der beiden Bürgerinitiativen „Gegen die neue Flugroute“ und „Gegen Flug- und Bodenlärm“ die Personalie Winkler.

„Jetzt ist er wieder da – als Präsident des Nordostdeutschen Fußball-Verbandes und natürlich, ganz wichtig für die CDU-dominierende Landesregierung, als Vermittler zwischen zwei Parteien, die sich gegensätzlicher nicht gegenüberstehen könnten – zumindest was den Frachtflughafen betrifft.“

Also nur ein schöner Versorgungsposten für einen einstigen Staatsminister und EU-Abgeordneten? Oder doch so eine Art Friedensengel?

Zimmermann hat da so seine Zweifel: „Und damit der Einstieg dann auch gleich zu Beginn kräftig danebengeht, ist das erste Statement von Herrn Winkler eine Halbwahrheit. Die ,erfreuliche Entwicklung des Flughafens Leipzig/Halle‘ ist nämlich nicht möglich geworden, ,weil die Nachbarn das Wachstum begrüßt und mitgetragen‘ haben, sondern trotz Widerständen, Protesten, Klagen und Petitionen der Bevölkerung ob der unhaltbaren Zustände am Flughafen und weil es der Landesregierung bisher immer gelungen ist, dies in undemokratischer Weise zu ignorieren bzw. auszusitzen.“

Aber was kann man auch erwarten, wenn derselbe Staat, der sich am Flughafen mit Steuergeldern als Unternehmer probiert (mit mittlerweile dreistelligen Millionensubventionen) gleichzeitig auch noch die Aufsichts- und Genehmigungsbehörde ist?

Sachsen-Anhalt spielt da überhaupt keine Rolle. Das bemüht sich höchstens ein bisschen darum, dass die Frachtflieger nachts nicht über Halle-Süd fliegen. Ansonsten ist den Magdeburgern völlig schnuppe, wer da in Leipzig und Umgebung nachts nicht mehr schlafen kann.

Interessant findet Zimmermann auch, dass die Vorstellung von Hermann Winkler als Erstes bei Vertretern der Umlandgemeinden (sprich Bürgermeistern, Ortschaftsräten, Gemeindevorstehern) vorgenommen wurde. All den Leuten also, die ihren Ärger gegen die neuen Ausbaupläne in politische Wut ummünzen könnten. Denn irgendwann sind ja wieder Wahlen und die CDU möchte auch in Nordsachsen gern wieder die meisten Stimmen holen. Obwohl es nachts laut ist wie in einer Maschinenhalle.

„Die haben nämlich bis zum 15. Februar noch Gelegenheit, innerhalb des PFV zum Ausbau des Frachtflughafens Einwendungen abzugeben“, sagt Zimmermann. „Die Bürgerinitiativen und Vereine des Bündnisses gegen den Ausbau des Frachtflughafens haben die ganze Sache jedenfalls erst mal aus der Zeitung erfahren. Um es an dieser Stelle ganz klar zu sagen: Die Region braucht keinen Kommunikator des Flughafens, um Kompromisse auszuhandeln. Und sie braucht erst recht keinen versteckten Lobbyisten für Frachtflugwachstum. Die Region braucht Lärm-, Umwelt- und Gesundheitsschutz. Die Region braucht ein Frachtflugmoratorium. Die Grenze des Belastbaren ist längst erreicht.“

Da schwingt ein mittlerweile 17 Jahre gärender Ärger mit. Damals spielte die Leipziger Landesdirektion den Friedensengel und versprach den Leipzigern und Anrainern, dass es nicht lauter werden wird, dass Leipzig umflogen wird, die beiden Startbahnen 50:50 genutzt werden und auf keinen Fall große Frachtflieger die Notabkürzung über die Kurze Südabkurvung nehmen werden. Lauter Versprechen, die bis heute nicht eingehalten werden und die mit dem neuen Planfeststellungsverfahren erst recht ausgehöhlt werden sollen.

Die Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ hat gegen den Ausbau des Frachtflughafens eine Petition www.openpetition.de/!fghdq gestartet, die bisher von fast 7.000 Bürgern unterzeichnet wurde.

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Es gibt 2 Kommentare

Da sich beim Thema LEJ Dresden, Bonn und Berlin seit Jahren einig sind wäre wohl nur die EU als Einhalt interessant. Folglich wird sich nichts zuungunsten der AGs ändern.

Ich bin gespannt was öffentlich passiert wenn in naher Zukunft für viele spürbar wird dass doppelt so viele Maschinen bedient werden wie noch vor kurzem.

Vielleicht sollten einfach die älteren Wähler der unterstützenden Parteien in den belasteten Gebieten ansiedeln – spart man sich gleich das Hörgerät – ist aber möglicherweise auch wieder nicht so gut für die Wirtschaft. Die Anwohnenden werden wie im Bergrecht kompensiert und fertig.

Und wenn mal wieder zu knapp getankt wurde landet man halt im Elsterbecken.
Over an out.

Ein neuer taktischer Schachzug des Flughafenimperiums, sponsered by Freistaat Sachsen, also finanziert von dem Steuerzahler, welcher dafür verlärmt wird.

Derzeitige Marionetten in der LDS oder der Staatskanzlei werden damalige Versprechungen aalglatt als “von gestern” abtun.

Man darf dem ganzen Sumpf nur Klagen und juristischen Widerstand an den Hals wünschen – anders ist diesem Grusel wohl kein Einhalt zu gebieten.

Das zusätzlich Schlimme daran: die Demokratie wird durch diese Machtspielchen elementar untergraben.

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