Im Cockpit selbst des Riesenfliegers AN 124 ist es erstaunlich leise – zumindest wenn man sich den unten verlinkten Clip einer Landung einer AN 124 am 3. Dezember auf dem Flughafen Leipzig/Halle anschaut. Den Lärm der Turbinen hören die Anwohner des Flughafens in einer völlig anderen Lautstärke. Und mittlerweile wächst der Unmut über die Ausbaupläne. Und Leipzig selbst kann auch nicht eingreifen ins Planverfahren, was eine neue Antwort der Stadtverwaltung deutlich macht.

Die Grünen-Faktion hatte Anfang November, als klar war, dass der Flughafen das Planverfahren auch trotz der Einschränkungen durch die Corona-Verfügungen durchzieht, beantragt: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, bei der Landesdirektion Sachsen, Dienststelle Leipzig, den Antrag zu stellen, dass die Auslegung des Planfeststellungsverfahrens (PFV) bzw. der Beginn des PFV zum Flughafenausbau Leipzig/Halle, der bislang für den 16. November geplant ist, bis auf weiteres ausgesetzt wird.“

Aber diese Möglichkeiten hat Leipzig nicht, teilt das Dezernat Stadtentwicklung und Bau nun in seiner Stellungnahme mit, die am 16. Dezember mit dem Antrag Thema in der Ratsversammlung werden wird.

Denn auch hier gilt wieder: „Falls der Antrag in seinem Wortlaut beschlossen werden würde, wäre dies rechtswidrig. Die Stadt Leipzig kann als Trägerin öffentlicher Belange im Rahmen o. g. Planfeststellungsverfahrens Stellung nehmen, nicht aber Anträge gegenüber der verfahrensführenden Behörde Landesdirektion abgeben. Dies ist ausschließlich dem Antragsteller, d. h. der Flughafen Leipzig/Halle GmbH, möglich. Die Stadt kann allenfalls eine entsprechende und bezüglich des Begehrs unverbindliche Bitte vorbringen.“

Die Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ hat sowieso schon ihre Probleme mit dem Planverfahren, das sie fatal an die Vorgänge von 2003/2004 bei den Planungen zur neuen Startbahn Süd erinnert.

„Die Landesdirektion Sachsen hat, beginnend ab 16.11.2020, die Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren ,Ausbau des Verkehrsflughafen Leipzig/Halle‘ (DHL-Frachtflugausbau) für 4 Wochen ausgelegt. Mit dem geplanten Ausbau werden die gesundheitlichen Belastungen der 1,5 Millionen vom Fluglärm betroffenen Anwohner und die aktuell bei 2 Millionen Tonnen liegenden CO2-Emissionen des Flughafens Leipzig/Halle dramatisch steigen“, stellt deren Pressesprecher Matthias Zimmermann im neuen „Fluglärmreport“ fest.

„Bereits zum PFV im Jahre 2003/2004 und im PFB von 2004 wurden die Anwohner in mehreren Veranstaltungen von DHL und dem Flughafen nicht bzw. falsch über die gesundheitlichen Belastungen des DHL Nachtfluglärmes informiert (Stichwort ,Keiner wird nachts aufwachen‘, ,Leipzig wird umflogen‘, die Starts/Landungen werden gleichmäßig verteilt, usw.).

Gleiches hat sich Anfang dieses Jahres in den DHL/Flughafen-,Informationsveranstaltungen‘ wiederholt. Bürgerinitiativen wollten dies mit eigenen Veranstaltungen kompensieren und wurden bisher durch Corona ausgebremst. Zudem wird die zwingend erforderliche Bürgerbeteiligung zum PFV Flughafenausbau Leipzig/Halle aufgrund der allgemeinen Kontaktbeschränkungen, die von Bund und Ländern zur Corona-Pandemie verfügt wurden, auch in den kommenden Wochen und Monaten nicht möglich sein.“

Die Unterlagen sind trotzdem ausgelegt. Oder besser: ausgestellt. Denn die Planer überschütten die interessierten Bürger mit jeder Menge Details, die neun dicke Ordner füllen. Das liest man nicht eben mal in einer Viertelstunde durch.

„Und dabei haben es selbst Insider der Szene schwer, die Akten zu durchforsten“, schreibt Zimmermann. „Allein um den komplexen Sachverhalt der kurzen Südabkurvung zu erfassen, waren Stunden notwendig. In den Unterlagen sind aber ca. 180 Abflugstrecken beschrieben! Von der Beurteilung z. B. des Umweltgutachtens oder den komplexen Lärmberechnungen ganz zu schweigen. Wie sollen da erst Bürgermeister und Gemeinderatsmitglieder betroffener Gemeinden erkennen, was zukünftig auf deren Bürger zukommt!? Und welche finanziellen Mittel und Fachleute stehen ihnen zur Verfügung bei dieser ungleichen Auseinandersetzung?“

#An124 -100 Baku–Leipzig Halle. 03.12.20.20

Dass die Hälfte der Auslagezeit ausgerechnet in die Adventszeit fiel, empfand Zimmermann schon als echte Zumutung.

Aber dass Corona die Lage noch verschärft hat, scheint man nun auch bin der Landesdirektion akzeptiert zu haben. Die Auslegefrist wurde verlängert, wie auch das Leipziger Planungsdezernat nun mitteilt: „,Nach Prüfung der Unterlagen hat die LDS das Beteiligungsverfahren zum Flughafenausbau bereits mit Auslage der Planfeststellungsunterlagen in 17 Städten und Gemeinden zum 16.11.2020 eingeleitet. Die Einreichung des Antrags mit den vollständigen Unterlagen begründet einen Rechtsanspruch der Flughafen Leipzig/Halle GmbH auf Durchführung des Planfeststellungsverfahrens gemäß § 73 VwVfG.

Inwieweit diesbezüglich eine Aussetzung des Verfahrens rechtlich zulässig ist, ist von der Planfeststellungsbehörde zu prüfen und zu entscheiden, dürfte aber hohe rechtliche Hürden haben. Eine alleinige Begründung mit Hinweis auf die Pandemiesituation erscheint nicht erfolgversprechend, da die Einsichtnahme der Unterlagen a) im Internet und b) weiterhin in der üblichen Form im Neuen Rathaus möglich ist und damit formell die Beteiligungsrechte gewahrt werden.

Im Sinne des Antrags Nr. VII-A-02068 und in Abstimmung mit der Landesdirektion Sachsen wird die Stadt Leipzig über die gesetzlich geregelte und übliche einmonatige Auslegung der Unterlagen hinaus die Einsichtnahme um weitere zwei Monate ermöglichen, sodass während des bis zum 15. Februar reichenden Zeitraums, in dem gegenüber der LDS Anregungen, Bedenken und Hinweise vorgebracht werden können, auch eine Vor-Ort Einsichtnahme in die Unterlagen möglich ist.“

Und so gibt es zumindest dieses Zugeständnis: „Verlängerung des Auslegungszeitraums bis Mitte Februar 2021.“

Bürgerinitiative und Grüne fordern Aussetzung des Planfeststellungsverfahrens „Ausbau des Verkehrsflughafen Leipzig/Halle“

Bürgerinitiative und Grüne fordern Aussetzung des Planfeststellungsverfahrens „Ausbau des Verkehrsflughafen Leipzig/Halle“

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