Manchmal hat Straßenbau auch etwas Gutes. Zumindest, wenn man so neugierig ist wie die Archäologen. Denn bei den Vorfelduntersuchungen kann man sich oft in unberührte historische Fundschichten hinabgraben. Und in Westsachsen muss immer damit gerechnet werden, dass man auf sehr alte Siedlungsstrukturen stößt – so wie 2012 und 2013 beim Ausbau der Staatsstraße 38 zwischen Mutzschen und Wermsdorf. Eine alte Kultstätte könnte dort jetzt zu einem neuen spannenden Ausflugsziel werden.

Die Ausgrabungen im Jahr 2012 brachten bei Göttwitz in der Nähe von Grimma eine Jahrtausende alte Siedlung sowie eine mysteriöse Kultstätte zum Vorschein. Genauer gesagt, stieß man auf die Reste eines riesigen vierreihigen Palisadenrondells mit kreisförmig angeordneten Holzpfählen. Diese Stein- oder Holzkreise sind im englischen auch als „Henge-Monumente“ (Stonehenge, Woodhenge) bekannt.

Seit Ende März 2013 liefen die Grabungsarbeiten des Landesamtes für Archäologie auf der knapp 6 km langen Neu- und Ausbaustrecke der S38 zwischen Mutzschen und Wermsdorf auf Hochtouren.

Bei den im Spätherbst 2012 stattgefundenen Voruntersuchungen waren insgesamt 12 Fundstellen lokalisiert worden, berichtete das Landesamt für Archäologie im Juni 2013.

Auf dem Streckenabschnitt vom Döllnitztal bis Mutzschen wurden insgesamt sieben vor- und frühgeschichtliche Siedlungsstellen von zum Teil erheblicher Ausdehnung festgestellt. Die bedeutend größere Funddichte hängt zweifellos mit den unterschiedlichen Bodenverhältnissen zusammen. Die Döllnitz bildet in diesem Bereich die nördliche Grenze der fruchtbaren Lössböden; nach Norden schließen grobkiesige und sandige Eiszeitablagerungen an.

Und man landet sogar in einer Zeit noch vor der berühmten Himmelsscheibe von Nebra, die um das Jahr 1800 v.u.Z. geschmiedet und um 1600 v.u.Z. vergraben wurde. Bislang waren es ja vor allem Fundstätten in Sachsen-Anhalt, die diese besondere Etappe der Bronzezeit in Mitteldeutschland sichtbar gemacht haben. Aber logischerweise gab es damals die heutigen Verwaltungsgrenzen nicht. Die Siedlungen bei Göttwitz gehörten direkt zu dieser bronzezeitlichen Welt. Und sie sind teilweise noch deutlich älter als die Himmelsscheibe.

Bei Mutzschen hat man 2013 zwei spätneolithischen Siedlungsstellen (um 2500 bis 2000 v.u.Z.) ausgegraben. Sie liegen auf leicht exponierten Kuppen über dem Döllnitztal. Sie waren von Weiden und Feldern umgeben, die von Hecken begrenzt wurden. Eine etwas isoliert liegende Grube enthielt eine Feuerstelle mit zwei großen, wohl rituell deponierten Mahlsteinen inklusive des Läufers, sowie Fragmenten einer sogenannten Aunjetitzer Tasse, berichteten die Archäologen.

Die Besiedlung könnte demnach bis in die Frühe Bronzezeit (um 2000 bis 1800 v. Chr.) angedauert haben. Darüber hinaus wurden hier jungbronzezeitliche (um 1000 v. Chr.) und früheisenzeitliche Befunde (um 600 v. Chr.) festgestellt.

 

So könnte der Infopoint "Archäologie Göttwitz" aussehen. Grafik: Stadt Grimma / Landschaftsplaner Sven Reuter
So könnte der Infopoint „Archäologie Göttwitz“ aussehen. Grafik: Stadt Grimma / Landschaftsplaner Sven Reuter

Eine Schlüsselstellung in der regionalen Siedlungslandschaft kommt wahrscheinlich einer ausgedehnten, schon länger bekannten Siedlungsstelle bei Göttwitz zu, erzählten sie noch. Die Ausgrabungen auf der von den Bauarbeiten betroffenen Fläche von ca. 2,5 ha hatten im Juni 2013 gerade begonnen. Und bei der Gelegenheit wurden dann auch 81 Pfostenlöcher auf dem Mutzschener Berg gefunden, die auf die Existenz einer besonderen Kultanlage hindeuteten.

Der sensationelle Fund soll durch eine Nachbildung eines Teils der Anlage wieder sichtbar gemacht werden, teilt jetzt die Stadt Grimma mit. Geplant ist, dass eine begleitende Ausstellung die Funde dokumentiert. Für die Konzeption der Installation erhielt die Stadt Grimma Fördermittel in Höhe von 6.400 Euro.

Diese Vorhaben wurden aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (ELER) in Verbindung mit dem Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum des Freistaates Sachsen (EPLR) sowie der LEADER-Entwicklungsstrategie Sächsisches Zweistromland-Ostelbien gefördert.

In Göttwitz untersuchte das Sächsische Landesamt für Archäologie in den Jahren 2012 und 2013 rund ein Achtel der Gesamt-Anlage, insgesamt 81 Pfosten in vier Reihen. Über den tatsächlichen Umfang der Anlage und ihr ursprüngliches, obertägiges Erscheinungsbild weiß das Landesamt für Archäologie nur wenig. Spekulativ geht die Behörde davon aus, dass der Außendurchmesser bis zu ca. 145 Meter umfasst, und der des inneren Ringes immerhin noch an die 100 Meter.

Anhand dicht nebeneinanderliegender Pfostenstandspuren wurde ein Holzbedarf von ca. 1.000 Pfosten für den Bau ermittelt. Vergleichbare Anlagen datierten die Experten an den Beginn der mittleren Jungsteinzeit. Allerdings fehlt aussagekräftiges Fundmaterial für eine exakte zeitliche Einordnung.

Die Fachleute vermuten, dass solche Anlagen zur Sternbeobachtung dienten. Die Ausrichtung auf die zur Sonnenwende aufgehende Sonne war aus Stonehenge schon länger bekannt. Sicher waren solche astronomischen Zyklen und Wendetage für die Kalenderbestimmung von Ackerbauern nützlich, dennoch sind die Orientierungen der zahlreichen Anlagen so unterschiedlich, dass eine einheitliche Erklärung noch nicht gelingen will.

Geht man von einem stark religiös geprägten Denken der damaligen Menschen aus, so ist es wohl nicht falsch, den Anlagen eine Funktion bei kultischen Zeremonien zuzusprechen, für die auch astronomische Beobachtungen eine gewisse Rolle spielten.

Wenn die Vermutungen zutreffen, könnte die Anlage denen in Pömmelte und Goseck geähnelt haben.

Die Himmelsscheibe von Nebra und die Entdeckung eines 4.000 Jahre alten Reiches mitten in Europa

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Es gibt 3 Kommentare

Hinweis: Wir haben Ostsachsen im Text nach Saschoks Hinweis gegen Westsachsen ausgetauscht.

@Saschok
“Wieso eigentlich Ostsachsen”-
genau, wieso eigentlich ? Oder ist jetzt “Ost”=”West” ?

Wieso hat der Straßenbau auch mal was Gutes ? Wollen Sie etwa aus Leipzig zur Göttwitzer Kultanlage sich durch den Wege und Straßen freien Urwald schlagen. Bis Ostsachsen ist dass schon recht zeitraubend. Wieso eigentlich Ostsachsen, weil Leipzig im Westen liegt ?

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