Über zehn Jahre lang hing das Damoklesschwert über dem Dorf Pödelwitz im Leipziger Süden, machte die Mibrag Druck, die Einwohner zum Wegziehen zu ermuntern. Der Braunkohlekonzern kaufte Hofgrundstück um Hofgrundstück auf und verbreitete die Überzeugung, dass das Schicksal des Dorfes besiegelt wäre. Doch im Koalitionsvertrag von CDU, SPD und Grünen stand dann eindeutig, dass Pödelwitz nicht abgebaggert werden soll. Und nun? Die Dorfgemeinschaft formuliert ihre Zukunft.

Das lange von der Abbaggerung für die Braunkohle bedrohte Dorf Pödelwitz wurde 2019 gerettet: In ihrem Koalitionsvertrag hat sich die sächsische Landesregierung für den Erhalt des Dorfes ausgesprochen. Die Bürgerinitiative „Pro Pödelwitz“ hat nun zusammen mit den Dorf-Bewohner/-innen und zahlreichen Bündnispartnern ein Maßnahmenpapier zur Zukunft des Ortes vorgelegt. Das Papier sieht unter anderem vor, dass sich das Dorf vollständig mit erneuerbaren Energien selbst versorgt, kleine Betriebe und Genossenschaften entstehen und Menschen aller Generationen zusammenleben.

„Wir haben über 10 Jahre für den Erhalt unseres Dorfes gekämpft, jetzt wollen wir zusammen mit den Entscheidungsträgern auf Kommunal- und Landesebene die Wiederbelebung des Ortes planen und umsetzen. Unser Maßnahmenpapier ist dafür die Basis. Pödelwitz hat das Potential, ein Vorzeigeprojekt für den Strukturwandel in der Region zu sein – demokratisch, ökologisch und sozial. Packen wir’s an!“, erklärt dazu Jens Hausner aus Pödelwitz.

Die Dorfbewohner/-innen fordern im Maßnahmenpapier „Pödelwitz hat Zukunft“ zunächst Rechtssicherheit: Pödelwitz dürfe nicht länger als „Vorbehaltsgebiet Braunkohleabbau“ gelten. Die Gebäude im Besitz des Braunkohlekonzerns Mibrag sollen in staatliche Hand übergehen und dann an junge Familien und Gruppen für den Eigenbedarf verkauft werden, ein Verkauf an Investoren soll verhindert werden.

Im Papier entwerfen die Pödelwitzer/-innen sodann ihre Vision eines „Dorfes der kurzen Wege“, in dem es Arbeitsplätze im Handwerk, einem Gasthof und der Landwirtschaft gibt. In der ehemaligen Schule soll ein Seminarhaus entstehen. Die Pödelwitzer/-innen sprechen sich gegen Neubauten aus, stattdessen sollen die historischen Gebäude des Dorfes erhalten und die umliegenden Tagebaue nach ihrer Nutzung zu Naturschutzgebieten erklärt werden.

Die gekauften Grundstücke in Pödelwitz verfallen einfach. Foto: Luca Kunze
Die gekauften Grundstücke in Pödelwitz verfallen einfach. Foto: Luca Kunze

Nach dem Willen der Dorfbewohner/-innen soll die Entwicklung des Dorfes über das Strukturstärkungsgesetz, sowie spezielle Fördertöpfe des Landes für die Revitalisierung von Pödelwitz finanziert werden. Da jahrelang von staatlicher Seite davon ausgegangen worden war, dass das Dorf abgebaggert werde, gebe es einen riesigen Investitionsstau. Zudem habe die Mibrag Bergschäden verursacht, die entschädigt werden müssten.

Ein erstes Treffen zum Maßnahmenpapier fand bereits mit Maik Kunze, Bürgermeister der Stadt Groitzsch, statt, der Pödelwitz angehört. Maik Kunze nahm sich viel Zeit für die Anliegen der Dorfbewohner/-innen und zeigte sich für ihre Ideen aufgeschlossen.

Denn wenn man die Ideen der Pödelwitzer aufnimmt, könnte das Dorf ein Modell werden für einen wirklich zukunftsfesten Strukturwandel in sächsischen Dörfern – und zwar nicht nur denen in den Braunkohlegebieten.

Im Positionspapier liest sich das so: „Damit Dörfer wie Pödelwitz für die kommenden Jahrzehnte zukunftsfähig sind, in denen die Auswirkungen der Klimakrise immer stärker werden und fossile Rohstoffe nicht mehr in dem Rahmen wie heute zur Verfügung stehen, halten wir es für unabdingbar, starke und resiliente Dörfer und Dorfgemeinschaften aufzubauen. Diese können mit neuen und alten Konzepten den kommenden Umwelt- und Wirtschaftskrisen trotzen. Pödelwitz kann damit zu einem Modell für den Strukturwandel nach dem Kohleausstieg werden.“

Sachsens Regierung tut sich schwer, den Kohledörfern eine Zukunft zu sichern

Sachsens Regierung tut sich schwer, den Kohledörfern eine Zukunft zu sichern

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Natürlich werden auch die L-IZ.de und die LEIPZIGER ZEITUNG in den kommenden Tagen und Wochen von den anstehenden Entwicklungen nicht unberührt bleiben. Ausfälle wegen Erkrankungen, Werbekunden, die keine Anzeigen mehr schalten, allgemeine Unsicherheiten bis hin zu Steuerlasten bei zurückgehenden Einnahmen sind auch bei unseren Zeitungen L-IZ.de und LZ zu befürchten.

Doch Aufgeben oder Bangemachen gilt nicht 😉 Selbstverständlich werden wir weiter für Sie berichten. Und wir haben bereits vor Tagen unser gesamtes Archiv für alle Leser geöffnet – es gibt also derzeit auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de ganz ohne Paywall zu entdecken.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere selbstverständlich weitergehende Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar