Dass die LVZ stets ihre rosarote Brille aufsetzt, wenn sie über den Frachtflughafen Leipzig/Halle berichtet, ist bekannt. Dass sie die Belastungen durch den Nachtflugbetrieb freilich mit falschen Zahlen verniedlicht, ist eher neu. Und es sorgt für zunehmend Verärgerung, weil der Flughafen die Pläne zu immer mehr Frachtflugverkehr in der Nacht ungebremst vorantreibt.
Zur Information über die Pläne von DHL, mehr Kapazität für Frachtflugzeuge am Flughafen zu bauen, wurde inzwischen nach einer Veranstaltung in Schkeuditz auch eine in Lützschena angesetzt.
Ende Januar wurde dort die Bevölkerung über die Pläne des Flughafens ins Bild gesetzt. Dabei sorgte das Format der Veranstaltung bei den Bürgerinnen und Bürgern ein weiteres Mal für Empörung. So bestand keine Möglichkeit, öffentlich, transparent und für jeden Anwesenden hörbar wesentliche Kernfragen zum Flughafenausbau an die Führung des Flughafens und des DHL-Hubs zu stellen. Stattdessen wurden die Besucher an Experten-Tische verwiesen. Wer eine offene Runde erwartet hatte, wurde enttäuscht.
Diese Erfahrung machte auch die Linke-Stadträtin Marianne Küng-Vildebrand, Sprecherin für Wirtschaft und Beschäftigung. Sie besuchte am 31. Januar die öffentliche Informationsveranstaltung zum Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle in Lützschena.
„Den Bürgerinnen und Bürgern wurde gleich zu Beginn das Mikrofon und das Licht ausgeschaltet und damit eine öffentliche Bürgerbeteiligung verwehrt“, erzählt sie von dem, was sie dort erlebt hat.
„Die Ergebnisse an den Infoständen sollen geheim an das Regierungspräsidium weitergeleitet werden. Diese Schein-Bürgerbeteiligung soll offensichtlich den Zweck einer frühzeitigen Einbindung der Öffentlichkeit erfüllen, tatsächlich besteht keinerlei transparente Klärung der umstrittenen Kernprobleme! Gemeinsam mit anwesenden Stadträten der SPD und Bündnis90/Die Grünen fordern wir ein von der Stadt Leipzig organisiertes, öffentliches und transparentes Bürgerforum-Flughafen.“
Der Linke-Stadtrat für den Leipziger Norden, Oliver Gebhardt, Sprecher für Ordnung und Sicherheit, geht auf die seltsame Rolle der Großstadt Leipzig ein, die bei den Entscheidungen am Flughafen kein Mitspracherecht hat: „Bereits 2018 hat sich der Stadtrat deutlich gegen den Flughafenausbau positioniert. Darüber hinaus fordern wir seit Jahren das Nachtflugverbot und die Einhaltung der Rechtsprechung zur Südabkurvung. Der andauernde Ausbau führt zu einer weiteren Belastung der Umwelt und Lebensräume in Leipzig, die wir nicht hinnehmen können. Eine umfassende Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Umweltverbände vor Ort ist unabdingbar. Die bisherige Form der Beteiligung ist unwürdig und gehört dringend korrigiert!“
Doch was in Leipzig demokratisch entschieden wurde, spielt auf den höheren politischen Ebenen keine Rolle.
Anfang 2018 wurde durch die Große Koalition der weitere Ausbau des Flughafen Leipzig-Halle beschlossen. Im Oktober 2018 teilte der Airport mit, dass zur Steigerung des Frachtaufkommens das Vorfeld des DHL-Hubs im Süden erweitert werden soll. Der Frachtumschlag trägt den weitaus größten Teil des steigenden Flugverkehrs. Im vergangenen Jahr starteten und landeten rund 79.000 Flüge vom bzw. am Schkeuditzer Airport.
Damit haben sich die Flugbewegungen seit 2007 verdreifacht. Durch die nun geplante Erweiterung soll diese Zahl bis zum Jahr 2032 auf 118.000 ansteigen. Das bedeutet, dass alle vier bis fünf Minuten ein Flugzeug starten bzw. landen wird. Dies führt nicht nur zu einer dramatischen Zunahme des CO2-Ausstoßes, sondern auch zu einer unzumutbaren Steigerung der Belastung durch Lärm sowie Feinstaub und Stickoxide für die Anwohner.
Wem dient das neue Anflugverfahren?
Und nicht nur im Vorfeldausbau schafft der Flughafen größere Kapazitäten. Auch ein neues Anflugverfahren dient diesem Zweck. Und wieder ist es die LVZ, die den Bürgern diese Änderung als eine Lärmschutzmaßnahme verkauft. Dazu hat LVZ-Chefredakteur Jan Emendörfer mittlerweile einen Leserbrief von Lutz Weickert bekommen.
Diese Schönmalerei passt freilich ins Bild.
Matthias Zimmermann, Sprecher der Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“, hat sehr genau hingehört. Denn das neue Flugverfahren wurde nicht zur Lärmentlastung der Bürger eingeführt.
Seit dem 30. Januar wird durch ein neues Anflugverfahren die Start- und Landebahn Nord verstärkt für Anflüge genutzt. Laut der Deutschen Flugsicherung (DFS) erfolgt diese Änderung nicht etwa aus Lärmschutzgründen, sondern, wie die LVZ am 25. Januar zitierte: „Dies sei notwendig, um auch in Zukunft das Verkehrswachstum am zweitgrößten Frachtairport Deutschlands bewältigen zu können“ und „Die Nutzung beider Pisten sei vor allem in den besonders verkehrsreichen Nachtstunden notwendig.“
Matthias Zimmermann: „Durch das neue Anflugverfahren wird der Nachtfluglärm und die damit verbundene Gesundheitsgefährdung weiter ansteigen. Betroffen davon vor allem die stadtnahe Südbahn, und somit Leipzig. Durch die Verlagerung der ,leiseren‘ Landungen auf die Nordbahn, werden die lauten Starts auf der SLB Süd überproportional steigen.
Die mit diesem Anflugverfahren verbundene neue DHL-Strategie, alle Landungen auf der Nordbahn und alle Starts auf der Südbahn durchzuführen, ist ein ,Horrorszenarium‘ für die Anwohner im Norden von Leipzig, insbesondere nach den in den letzten Wochen bekannt gewordenen DHL-Ausbauplänen. Demnach will DHL seine Flugzeugkapazität um über 60 % steigern. D. h. statt der bisher 170 S/L wird es bis 280 S/L pro Nacht geben. D. h. fast 150 extrem laute nächtliche Starts von der SLB Süd.“
Sein Fazit: „Mit dem neuen Anflugverfahren verstößt die Deutsche Flugsicherung weiterhin: gegen die wichtigste Lärmschutzauflage aus dem Planfeststellungsbeschluss von 2004, die aus Lärmschutzgründen eine Gleichverteilung der Starts und Landungen auf beide Landebahnen vorsieht; gegen zwei Beschlüsse der Fluglärmkommission (2012 und 2014), die eine Verlagerung von Starts auf die Nordbahn fordern und gegen einen Beschluss des Stadtrates von Leipzig der die Gleichverteilung der Starts und Landungen fordert.“
Wie wenig Einfluss hat eigentlich Leipzig?
In seinem Leserbrief an die LVZ geht Lutz Weickert dann noch auf die dort erwähnten falschen Zahlen zu nächtlichen Starts und Landungen ein. Am 25. Januar hatte die LVZ von 65 nächtlichen Starts und Landungen geschrieben.
Aber das Normalgeschehen sieht anders aus.
So wie am Donnerstag, 6. Februar, zum Beispiel. Da gab es 143 Starts und Landungen in der Nacht, davon 89 in der besonders gesundheitskritischen Nachtkernzeit (00:00-05:00.)
Davon fanden 68 Starts auf der stadtnahen Startbahn Süd (100 %) statt, 53 Landungen auf der SLB Süd (74 %) und 19 Landungen auf der SLB Nord (26 %). Die Hauptlärmbelastung liegt also nach wie vor auf der 2007 eröffneten Startbahn Süd.
Leipzig wurde auch bei der Einführung des neuen Landeverfahrens nicht gefragt. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat deshalb, als man dort von dieser neuen Ausweitung des Nachtflugbetriebs hörte, umgehend einen Antrag für den Leipziger Stadtrat geschrieben
„Die Deutsche Flugsicherung hat am 30.01.2020 am Flughafen Leipzig-Halle ein neues Landeverfahren eingeführt, mit dem die Start- und Landebahn Nord verstärkt für Anflüge genutzt wird. Der Oberbürgermeister und die Stadtverwaltung Leipzigs werden beauftragt, sich im Aufsichtsrat der Mitteldeutschen Flughafen AG und im Aufsichtsrat der Flughafen Leipzig/Halle GmbH als auch beim Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr dafür einzusetzen, dass dieses Landeverfahren umgehend geändert wird. Neben den Landungen muss die SLB Nord im gleichen Umfang für Starts genutzt werden. Auf der nächsten Sitzung der Fluglärmkommission ist dazu ein entsprechender Antrag zu stellen.“
Der Leserbrief von Lutz Weickert
Sehr geehrter Herr Emendörfer,
Betrifft LVZ vom 8/9. Februar S. 18, Beitrag „ Was der Flughafen plant…“ Absatz „Was gibt es noch zu sagen“, Behauptung:
„Mittlerweile ist eine Forderung der Lärmschutz- Initiativen erfüllt: Die Deutsche Flugsicherung verteilt nun die Starts und Landungen auf beide Bahnen.“
Das ist falsch:
Mit dem neuen Anflugverfahren werden nur Landungen auf beide Bahnen verteilt (siehe auch Zahlen unten) und das ist keine Forderung der Lärmschutz- Initiativen,
sondern erfolgt laut DFS „Dies sei notwendig, um auch in Zukunft das Verkehrswachstum am zweitgrößten Frachtairport Deutschlands bewältigen zu können“ (LVZ vom 25.1.20).
Durch diese neuen Anflugverfahren kommt es zu einer erheblichen Steigerung des nächtlichen Fluglärmes insbesondere für die Anwohner der Südbahn, also der Leipziger. Siehe dazu auch den beilegenden Stadtratsantrag der Grünen-Fraktion.
Ich bitte Sie hiermit um zeitnahe, sichtbare Richtigstellung dieser Falschinformation.
Das Erschreckende, das ist schon die 2. Falschinformation zu diesem Thema. Am 25.01. schrieb die LVZ, dass es 65 Starts und Landungen pro Nacht gibt. Richtig ist es gibt bis 170 S/L pro Nacht! Absicht oder Schlamperei?
Gar nicht zu reden von dem, was im Beitrag von heute Samstag unter „Zahlen und Fakten verschwiegen wird:
1,5 Mio. Fluglärmbetroffene im Umfeld des Flughafens
Massive Erweiterung des Nachtlärm- und Siedlungsbeschränkungsgebietes, u.a. in Richtung Leipzig
Erhöhung der nächtliche S/L von derzeit 170 auf 280 pro Nacht
Erhöhung der vom FLH ausgehenden CO2- Belastung von derzeit 2 Mio. Tonnen auf 3,2. Mio. Tonnen im Jahre 2032.
usw., usw. usw.
Mit freundlichen Grüßen
L. Weickert
An wem liegt es, dass der Leipziger Beschluss gegen den Ausbau des Frachtflughafens Leipzig einfach ignoriert wird? + Update
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