In Leipzig hat das Umdenken längst begonnen. Die Umweltverbände haben geschlossen den Runden Tisch zum Wassertouristischen Nutzungskonzept (WTNK) verlassen. Worüber freilich nichts zu lesen ist auf der am 7. Februar von der Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland mit viel Tamtam vorgestellten Website Leipziger Neuseenland. Denn die Bürgermeister/-innen draußen im Leipziger Süden machen einfach weiter mit ihren wilden Plänen für touristische Großbespaßung. Mit absehbaren Folgen.

Die Website „Leipziger Neuseenland“ bietet zwar auch die berühmte „Charta Leipziger Neuseenland“ zum Lesen an, die 2015 von Landräten und OBM medienwirksam auf einem Schiff auf dem Markkleeberger See unterzeichnet wurde.

Doch was da am 6. Februar vom Bornaer Stadtrat beschlossen wurde, hat nicht mal mit den windelweichen Formulierungen zu Umweltschutz und naturnahem Wassererlebnis in der Charta zu tun.

„Erste Hürde genommen. Der Bornaer Stadtrat hat auf seiner Sitzung vorgestern Abend im Goldenen Stern ohne Diskussion den Bebauungsplan für den Nordstrand des Bockwitzer Sees geändert. Damit kann die Surfpark Deutschland GmbH ihre Planungen zur Errichtung eines Surf- und Skateparks am Rande des ehemaligen Tagebaus fortsetzen“, meldete die LVZ dazu am 7. Februar.

Die Zeitung hat noch nie einem der gigantischen Bauprojekte für jede Art von „Wassertourismus“ im Neuseenland ihren Jubel verweigert. Nicht einmal dann, als sich immer mehr abzeichnete, dass all diese millionenteuren Bauwerke gegen simple Umwelt- und Wasserschutzgesetze verstoßen und gar nicht genehmigungsfähig sind (wie die Markkleeberger Wasserschlange) oder am Ende, weil man simple Bauvorschriften nicht beachtete, zehn Mal teurer werden als versprochen (wie der Harthkanal, der ursprünglich 10 Millionen Euro kosten sollte, bei Einhaltung der Hochwasserschutzauflagen aber wohl 100 Millionen).

Da wird also das Geld mit der Schaufel verteilt, ohne dass auch nur der mindeste wirtschaftliche Nutzen dabei sichtbar wird. Denn wenn dabei neue Geschäftsideen entstehen und neue Arbeitsplätze, dann sind es fast durchweg Saisonarbeitsplätze.

Es ist schon erstaunlich, wie die Bürgermeister im Neuseenland über Wirtschaftlichkeit denken.

Bei Borna wird zwar (wahrscheinlich) ein privater Investor bauen. Aber auch dort entstehen bestenfalls ein paar Saisonarbeitsplätze. Selbst die LVZ beschreibt dieses Riesenprojekt am Bockwitzer See so: „Neben 60 Chalets mit 240 Betten sind auch 100 Campingplätze sowie 50 Stellplätze für Wohnmobile errichtet werden. In einem Restaurant soll es 100 Tische geben, von denen sich 60 im Freien befinden. Avisierte Nutzungszeit: von Mai bis Oktober. Die Firma mit Sitz in Leipzig plant auch einen Spielplatz und ein Fitnesscenter. Vorgesehen sind insgesamt 350 Parkplätze, davon 150 auf dem bereits vorhandenen Parkplatz.“

Das sind riesige Eingriffe in ein Naturschutzgebiet, nur weil der Bornaer Stadtrat bereitwilligst glaubt, was ihm die Surf Deutschland GmbH (die mit einer amerikanischen Firma zusammenarbeiten will) in Aussicht stellt: „Mit 6.000 Quadratmetern wäre der geplante Skatepark der größte seiner Art in Deutschland.“ So die LVZ.

Ein „wahnwitziges Projekt“, wie Stephan Schürer vom Uferleben e. V. feststellt. „Bei dem Gebiet handelt es sich um eines der größten Naturschutzgebiete Sachsens. Das Naturschutzgebiet ist als FFH- und SPA-Gebiet (NATURA 2000) ausgewiesen und besitzt einen besonderen Schutzstatus von europäischem Rang. Am nordwestlichen Rand des Sees plant nun die Leipziger Surfpark Deutschland GmbH Deutschlands größten Surfpark mit weiterer Infrastruktur inklusive Restaurant, Shopping-, Bekleidungs-, Equimpmentstore, Fitnesscenter und 60 Chalets mit insgesamt 220 Betten.

Weiterhin soll eine 6.000 m2 große Skateanlage entstehen. Bei dem geplanten Surfpark handelt es sich um einen Betonpool der 25.000 m3 Wasser fassen soll. In diesem werden mechanisch Wellen zum Surfen erzeugt. Der erste Wavegarden entstand 2005 in Spanien. Seitdem schießen diese Surfparks weltweit wie Pilze aus dem Boden. Allein in Deutschland sind aktuell einige in Planung (Stade, München, Berlin, Krefeld…).“

Im LVZ-Artikel vom 5. Februar spricht der Investor von 230.000 anvisierten Besuchern pro Jahr. Das Projekt wird da sogar als „Zentrum für ökologisch nachhaltigen Tourismus und Leistungssport im Leipziger Neuseenland“ angepriesen. Und den Bornaer Stadträten wurde mit einer Investitionssumme von 28 Millionen Euro der Mund wässrig gemacht.

Zu Recht stellt Schürer fest: „Von dem maximal-invasiven Eingriff in die Natur am Rande eines Naturschutzgebietes von europäischen Rang ist in dem Artikel leider nichts zu lesen. Allein das Becken einer vergleichbaren Anlage in Wales hat eine Größe von 32.000 m2 (Fläche von 4,5 Fußballplätzen). Mit aller begleitenden Infrastruktur werden also konsekutiv riesige Flächen versiegelt. Weiterhin ist die mechanische Wellenerzeugung immens energieaufwendig. Zu guter Letzt sind 230.000 jährliche Besucher in einem solchen sensiblen Naturraum alles andere als ökologisch und nachhaltig.“

Und auch die riesigen Surfer-Zahlen, mit denen der LVZ-Artikel jongliert, können so nicht stimmen.

Aber wer ein wenig sucht im Netz, sieht, mit welcher Vehemenz überall in Deutschland versucht wird, einen Surfpark zu platzieren, dürfte ins Nachdenken kommen. Hier zeigt ein amerikanischer Vorstoß, sein „Wasserspaßkonzept“ zu verbreiten, also schnelle Wirkung. Wie immer lassen sich Stadträte von großen Zahlen blenden, ohne sich ein belastbares betriebswirtschaftliches Konzept vorlegen zu lassen. Da ändert man lieber im Eilverfahren einen Bebauungsplan und tut so, als würden nicht gerade in Krefeld, Brixen, Stade oder selbst Berlin ähnliche Projekte durchgezogen.

Ziehen dann künftig 230.000 Surfer aus allen Himmelsrichtungen mit ihren Surfbrettern jeden Sommer an den Bockwitzer See?

Wohl eher nicht. Die Surfer-Lobby arbeite wohl mit ziemlich übertriebenen Zahlen, stellt Stephan Schürer fest: „Das Unternehmen beschreibt eine potentielle Zielgruppe von 2,5 Millionen Surfern in Deutschland. Dabei handelt es sich jedoch um Windsurfer, für die ein Surfpark ungeeignet ist. Laut der International Surfing Association gibt es in ganz Europa geschätzte 4,5 Millionen Wellenreiter.

Dass diese Zahl wahrscheinlich deutlich überzogen ist, sieht man daran, dass es in den Ländern mit den besten Bedingungen (England, Spanien, Portugal und Frankreich) zusammen nur 1,45 Millionen Wellenreiter geben soll. Im Artikel wird auch vom Standortvorteil zwischen den Großräumen Berlin, Prag und Nürnberg geschwärmt. In Folge der in Deutschland geplanten Surfparks (München, Berlin) und der bestehenden Surfarena in Prag sollte unbedingt eine erneute Marktanalyse erfolgen.“

Das Projekt ähnelt in seiner Blauäugigkeit einem anderen Tourismus-Projekt, das im Neuseenland immer wieder beworben wird: dem Schiffshebewerk an einem bis zur Saale verlängerten Elster-Saale-Kanal, das mal mit 38 Millionen Euro kalkuliert wurde. Und auch hier wurde ein „wassertouristischer“ Wirtschaftlichkeitseffekt behauptet, der bei näherer Betrachtung der Analysen nicht haltbar war. Auch hier wurde ein anreisendes schaulustiges Publikum im sechsstelligen Bereich prognostiziert.

Ganz ähnlich wie nun beim Surfpark am Bockwitzer See.

„Das zu erwartende Verkehrsaufkommen und die schiere Menge von 230.000 jährlichen Besuchern würden sich zu einem signifikanten Störfaktor des NATURA 2000 Gebietes entwickeln“, benennt Schürer die sicheren Folgen.

„Es ist davon auszugehen, dass die Besucher des Parks den See als Bademöglichkeit nutzen werden (bis dato aus Gründen des Naturschutzes verboten). Weiterhin sind großflächige Grünlandversiegelungen unbedingt zu vermeiden. Ehemalige Industriebrachen in ökologisch weniger sensiblen Bereichen wären für einen solchen Surfpark deutlich besser geeignet.“

Doch am 6. Februar wurde der Bebauungsplan für den Nordstrand des Bockwitzer Sees durch den Stadtrat Borna ohne Diskussion erst einmal geändert. Womit der Bau eines solchen Surfparks erst einmal ermöglicht wurde. Was nicht heißt, dass das Projekt in dieser Dimension überhaupt genehmigungsfähig ist. Es spricht einiges dagegen, wie Schürer feststellt: „Der Investor gab weiterhin bekannt, dass die 25.000 Kubikmeter Wasser einmal im Jahr ausgetauscht werden sollen.

Das Wasser soll dem Bockwitzer See entnommen werden. Deutschland gehört, nach dem Klima-Risiko-Index von Germanwatch, zu den Ländern, die besonders vom Klimawandel in Form von Dürren und Hitzewellen betroffen sind. Konsekutiv sollte Wasser gespart und nicht aus wertvollen Schutzgebieten entnommen werden. In Zeiten des weltweiten massiven Arten- und Biotopverlust sollte dieses maximal-invasive Projekt an einem ökologisch so sensiblen Standort unbedingt verhindert werden.“

Ein Schiffshebewerk am Elster-Saale-Kanal hat nach Ansicht der Grünen nichts mit Strukturförderung zu tun

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Es gibt 2 Kommentare

Mal abgesehen von den erforderlichen engagierten Juristen, für die Tagebauseen im Leipziger Umland gab es noch zu Zeiten des Regierungspräsidiums eine mit den Gemeinden das Grünen Rings abgestimmte Entwicklungskonzeption, welcher See touristisch genutzt werden könnte und welcher der Natur überlassen bleiben sollte. Davon will wohl keiner der Verantwortlichen in der Regionalplanung bzw. der Bürgermeister in den Gemeinden mehr etwas wissen? Da kann man nur hoffen, das beim Land Sachsen eine Konzeption vorliegt.

Harald Krug gehörte zu den Aktionisten des Naturschutz vor und nach der Wende. Heute bedarf es im Kampf gegen naturzerstörerische Projekte aber besonders juristisch versierter Idealisten. Die Chancen gegen das Projekt stehen angesichts der Betroffenheit des europäischen Schutzgebietes gut. Hier sollte man nicht emotional sondern rational konkret reagieren. Surfer haben eine sehr hohe Scheuchwirkung für Vögel. Die Argumente sind offensichtlich auf Seiten des Naturschutzes.Die Journalie hilft viele Menschen plakativ zu animieren, hier siegt ein aber einziger motivierter Jurist.

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