Wir leben ja in Zeiten, da rechnen die Leute, die von einem bequemen Leben mit massivem fossilen Energieeinsatz nicht lassen wollen, alles auf. Den Fleischverzehr gegen ihren Konsumrausch im Billigklamottenladen, das überdimensionierte Auto gegen den Billigflug nach Malle. Es ist schon peinlich, ihnen dabei zuzuschauen. Aber ganze Branchen leben von dieser Faulheit und dem Unwillen, umzudenken. Das rechnet selbst die Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ den politisch Verantwortlichen jeden Monat in ihrem „Fluglärmreport“ vor.
Denn das System, in dem wir leben, lebt von einem geradezu seltsamen Versprechen an die Konsumenten, ihnen immer mehr Mühe und Arbeit abzunehmen, heißt: Sie immer fauler und abhängiger zu machen. Das steckt im Grunde hinter all den technischen „Innovationen“, die uns in breiten Medienkampagnen als die Zukunft verkauft werden – seien das Staubsaugerroboter, „intelligente“ Häuser, willige Alexas, selbstfahrende Autos, „Künstliche Intelligenz“ in Smartphones oder allüberall verfügbare Lieferdienste, die einem den überflüssigen Bembel, den wir sowieso nach der Saison wegschmeißen, frei Haus liefern.
Quasi ein Just-in-Time-Liefersystem für den immobil gewordenen Endkunden, das perfekt zum Just-in-time-Liefersystem der großen Produktionsketten passt, an deren Ende Billigjobber in Fernost für Hungerlohn diese Teile produzieren, die wir uns billig liefern lassen. Und ein zentraler Bestandteil dieser Lieferketten sind die Billigfrachtflughäfen wie der in Leipzig/Halle, auf denen Jahr für Jahr immer mehr Tonnage umgeschlagen wird.
Und das treibt logischerweise am Flughafen den Energieverbrauch in die Höhe und natürlich den Treibstoffverbrauch im Flugbetrieb.
„Es zeugt ganz einfach von Rücksichtslosigkeit gegenüber den Bürgern dieser Stadt, dass die Stadtverwaltung die Strategie der Bundesregierung unterstützt, die beim Thema Fliegen und CO2 ausschließlich die Passagierflüge betrachtet und damit versucht, beim Bürger ein schlechtes Gewissen zu erzeugen, damit dieser die Erhöhung der Preise für Passagierflüge akzeptiert.
Die Frachtflüge, die ein Mehrfaches an CO2 erzeugen, werden dank guter Lobby-Arbeit offensichtlich gar nicht erst erwähnt bzw. berücksichtigt. Bedienen sich also die Frachtflugunternehmen unter dem Deckmantel der Ökologie und mit Unterstützung der Politik schamlos aus den Taschen der Bevölkerung?“, fragt nun die Bürgerinitiative.
Diskutiert wurde ja bislang nur die Erhöhung der Umsatzsteuer für Flugtickets im Klimapaket der Bundesregierung, die das Fliegen zumindest ein wenig teurer machen wird. Aber wie ist das mit der CO2-Bepreisung für Kraftstoffe, also auch des Kerosins, mit dem ja nicht nur Passagier-, sondern auch Frachtflugzeuge fliegen?
Das ist im Anhang des am 20. Dezember beschlossenen Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) tatsächlich geregelt. Denn als so ein Brennstoff, für den jetzt eine CO2-Abgabe fällig ist, gilt auch Flugturbinenkraftstoff, der beim Zoll die Kombinierte Nomenklatur-Nummer 27101921 hat. Und im Anhang zum Gesetz, wo die Warengruppen für die CO2-Bepreisung aufgeführt sind, steht auch: „Waren der Positionen 2701, 2702 und 2704 bis 2715 der Kombinierten Nomenklatur“.
Die Nummer 27101921 gehört zur Warengruppe 2710. Also wird auf Kerosin ab 2021 ebenso wie auf Benzin, Heizöl oder Diesel eine Abgabe von 25 Euro pro Tonne CO2 fällig. Ob das wirklich schon als Steuerung genügt, ist fraglich. Die Fachleute, die sich mit dem Thema wirklich beschäftigen, gehen davon aus, dass eigentlich 150 bis 180 Euro pro Tonne nötig wären, um die umweltschädliche Verbrennung deutlich zu senken.
Denn bislang kennt die CO2-Belastung aus dem Betrieb des Frachtflughafens Leipzig/Halle nur eine Richtung – nach oben. Auch nach der Berichterstattung des Flughafens selbst, der seine CO2-Emissionen nach dem LTO-Prinzip ermittelt: Landing and Take Off. Also nur das an Emissionen, was im direkten Flughafenumfeld anfällt. Das sind immerhin 130.425 Tonnen im Jahr 2019 gewesen, deutlich mehr als die 88.000 Tonnen im Jahr 2008.
Aber es ist nur ein winziger Bruchteil der CO2-Last, die durch den Betrieb des Flughafens tatsächlich erzeugt wird. Denn das meiste Kerosin verbrennen die Flieger ja oben in der Luft.
Im November hat die IG Nachtflugverbot mal durchgerechnet, was das nach dem sogenannten Halbstreckenbetrieb (für einen Flieger wird nur ein Abflug berechnet, der Anflug fällt beim ursprünglichen Startflughafen an) bedeutet.
Nach den Berechnungen der IG Nachtflugverbot ergibt sich dann allein für die Frachtflüge: „Klimalast durch Frachtflüge: ca. 1.680.000 bis 1.910.000 Tonnen CO2“.
Das ist fast die Hälfte dessen, was die gesamte Stadt Leipzig im Jahr an CO2 verursacht. Und die Hoffnung der Bürgerinitiativen ist natürlich, dass der Frachtflugbetrieb, der ja zum größten Teil mitten in der Nacht passiert, nicht weiter zunimmt, sondern – aus ökologischen Gründen – sogar zurückgehen möge. Denn die Frachtflüge finden nicht nur zu mehr als der Hälfte in der Nacht statt. Dort kommen auch besonders viele alte, schwere und laute Flugzeuge zum Einsatz.
Starteten 2008 noch 12.738 solcher Flugzeuge in Leipzig/Halle, waren es 2019 mit 24.575 doppelt so viele.
Und das nur, weil Politiker wie Logistiker meinen, man müsste immer größere Warenmengen nachts „just in time“ rund um den Globus fliegen. Und zwar so billig, dass es sich lohnt, weil Fliegen über lange Distanzen durch niedrige Gebühren oder gar den Verzicht auf die Kerosinsteuer so billig ist, dass Bahn und Lkw nicht mithalten können.
Hier hat der Wille von Politikern, billige Globalisierung voranzutreiben, zu einer höchst klimaschädlichen Transportart geführt, die in Sachsen sogar noch als alternativlos behandelt wird. Denn mit jedem Vorstoß, die Überflüge und Nachtflugzeiten einzugrenzen, scheitern Bürger und Kommunen an einer Politik, die das Thema nicht einmal ehrlich ausspricht, sondern einfach schweigt und auch (wie bei der Kurzen Südabkurvung) Petitionen einfach ignoriert.
Die CO2-Bepreisung könnte jetzt also ein erster Weg sein, den Wildwuchs überhaupt einzuhegen. Wenn sich Sachsens Regierung auch noch durchringen könnte, die Startgebühren so zu staffeln wie am Flughafen Frankfurt, dann könnte es für die Heavy-Klasse tatsächlich einmal das Aus bedeuten und die Frachtfluggesellschaften hätten endlich Druck, auf sparsamere und leisere Flugzeuge umzusteigen.
Eiertanz um die Zukunft des Flughafens Leipzig/Halle, reaktivierte Bahnstrecken und eine Verdoppelung des Radverkehrs + Update
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