Industrielle Abwässer aus dem Dow-Werk in Böhlen werden wohl auch im neuen Jahr in einem Vorfluter der Pleiße und folglich im Fluss selbst landen. Die Erlaubnis fürs Einleiten läuft zwar mit Ende dieses Jahres aus und über die neue muss die Landesdirektion Sachsen erst noch entscheiden. Bei dem Erörterungstermin am Donnerstag in der Landesdirektion in Leipzig zeigte sich aber, dass sich dieser Entscheidungsprozess noch eine Weile hinziehen wird. Dow hat, wie sich ebenfalls herausstellte, deshalb eine „vorzeitige Genehmigung“ beantragt.
„Das Risiko liegt dann beim Vorhabenträger. Für mögliche Schäden muss er aufkommen“, bestätigte eine Mitarbeiterin der Landesdirektion, das der Behörde ein solcher Antrag vorliegt. Dow ist offenbar bereit, dieses Risiko einzugehen.
Wie berichtet will der US-Konzern weiter industrielle Abwässer aus seinem Werk in Böhlen in einen Bach einleiten, der in die Pleiße mündet. Man halte alle vorgeschriebenen Einleitwerte ein, hieß es in einem Statement an die L-IZ. Es seien keine Auswirkungen auf „den chemischen Zustand und das ökologische Potenzial“ der Pleiße zu erwarten. Auch nicht für das Grundwasser, versicherten die Vertreter des Chemiekonzerns am Donnerstag noch einmal.
Beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) stößt das Vorhaben auf Ablehnung. Es sei mit steigenden Schadstoff-Belastungen zu rechnen, sagte David Greve, Geschäftsführer beim BUND-Landesverband Sachsen, im Vorfeld des Erörterungstermins zur L-IZ. „Wir fordern eine Umweltverträglichkeitsprüfung“, richtete sich am Donnerstag Justus Wulff von der BUND-Regionalgruppe Leipzig an die Landesdirektion.
Kritik kam nicht nur vom BUND. „Ich halte Wasser für ein sehr schützenswertes Element. Deswegen habe ich mich für eine Einwendung entschieden“, sagte etwa Ronny Siebert. Den 37-jährigen Ingenieur aus Leipzig stört besonders ein Detail aus dem Genehmigungsantrag: „Dow will eine Erlaubnis ohne zeitliche Befristung“, beklagte er am Donnerstag.
Ein Aspekt, der auch bei der Landesdirektion noch diskutiert wird, wie ihre Vertreter einräumten. So viel wollten sie Siebert aber schon mitgeben: „Auch wenn eine unbefristete Genehmigung erteilt wird, können wir sie jederzeit den tatsächlichen Gegebenheiten anpassen.“
Neben den Plänen von Dow war auch die Beteiligung der Öffentlichkeit am Donnerstag, 12. Dezember, ein Thema. So kritisierte die Leipziger Rechtsanwältin Raja Donkowa, dass die Bevölkerung von der Behörde nicht ausreichend über die öffentliche Auslegung der Antragsunterlagen und die Gelegenheit zu Einwendungen informiert worden sei.
„Es stand im Sächsischen Amtsblatt“, sagte sie und fragte in die Runde der knapp 30 Besucher: „Kennt jemand von Ihnen das Sächsische Amtsblatt?“ Eine Mitarbeiterin der Landesdirektion warf ein, dass die Behörde auch auf ihrer Internetseite über das Verfahren informiert habe.
Donkowa sei, wie sie zumindest selbst vermutet, die erste und zunächst einzige Privatperson gewesen, die Kenntnis von den Unterlagen erlangte. Vier Ringordner, insgesamt 800 bis 1.000 Seiten, versuchte sie sich am Donnerstag zu erinnern. „Es braucht eine erhebliche Zeit, um sich da einzuarbeiten“, so die 34-Jährige. Vier Wochen lang lagen die Dokumente aus.
„Die Fristen sind zu knapp“, kritisierte Donkowa weiter und hätte wohl auch noch mehr anführen können. Doch die vier Stunden, die für den Erörterungstermin angesetzt waren, neigten sich dem Ende zu. Ihr abschließender Appell an Dow und Behörde: „Seit 100 Jahren wird Dreck in die Pleiße gespült. Wir müssen irgendwann damit aufhören.“
Dow-Werk in Böhlen will Abwässer weiter in Zulauf zur Pleiße einleiten
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