Im ersten Lärmaktionsplan von 2012 kam der Fluglärm zumindest am Rande vor, der Eisenbahnlärm spielte gar keine Rolle. Die Verwaltung konzentrierte sich vor allem auf Kfz- und Straßenbahnlärm. Dass es bei Fluglärm keine Fortschritte gab, wissen vor allem diejenigen Leipziger, die in den An- und Abflugbahnen leben. Die Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ hat sich jetzt die Vorschläge der Stadt zum Fluglärm in der Fortschreibung zum Lärmaktionsplan angeschaut. Und ist zutiefst enttäuscht.

Denn das, was die Stadt in dieser Fortschreibung angeboten hat, erzählt zwar einerseits von der völligen Machtlosigkeit gegenüber dem Frachtflughafen und dessen Missachtung selbst der einfachen Auflagen aus dem Planfeststellungsbeschluss. Aber das könne ja nicht heißen, dass eine Stadt wie Leipzig ihre Mindestforderungen nicht wenigstens in den Lärmaktionsplan schreibt.

Es kann ja nicht immer so sein, dass die größte Stadt Sachsens bei der Landesregierung, die die Flughafengeschicke entscheidet, wie ein Bettler auftritt.

„Unabhängig der Tatsache, dass die Stadt auf dem Gebiet des Luftverkehrs keine direkte Zuständigkeit hat, dürfen die Betroffenen wohl erwarten, dass seitens der Stadtverwaltung, und an deren Spitze der OBM, alles getan wird, um den Fluglärm bedeutend zu reduzieren“, betont Matthias Zimmermann, der Sprecher der Bürgerinitiative.

Die Stellungnahme der Bürgerinitiative macht dann sehr deutlich, dass sie das ängstliche Ausweichen der Stadtverwaltung in Alibi-Maßnahmen nicht akzeptieren kann. Alibi-Maßnahmen, die den Bürgern mit viel Tamtam verkauft wurden, aber trotz der wohlklingenden Bezeichnungen nicht das geringste an der Lärmbelastung ändern.

„Lärmminderungsmaßnahmen, wie die Optimierung der Südabkurvung, CDO-Verfahren, Point Merge“ seien nur bedingt geeignet, „den Fluglärm signifikant einzudämmen. Diese Maßnahmen sind bestenfalls positive Randerscheinungen in einem anzustrengenden strengeren Gesamtkonzept zur Fluglärmminderung in Leipzig“, stellt die Bürgerinitiative fest. Und geht auch auf die Luftbelastung durch den Flughafen ein: „Der Flughafen Leipzig sollte aufgefordert werden, auch Maßnahmen zur Emissionsreduzierung (Lärm, Feinstaub, Stickoxide, CO2) umzusetzen, welche über die gesetzlichen Forderungen hinausgehen, um die Akzeptanz des Flughafens mit seinem stark wachsenden Frachtaufkommen gegenüber der betroffenen Bevölkerung zu verbessern.“

Lärmmessung des Deutschen Fluglärmdienstes am 19. April in Göbschelwitz. Screenshot: Thomas Pohl
Lärmmessung des Deutschen Fluglärmdienstes am 19. April in Göbschelwitz. Screenshot: Thomas Pohl

„Die im Rahmen der Lärmaktionsplanung zusammengestellten Maßnahmen zur Reduzierung des Flug- und Bodenlärms in Leipzig befinden sich in der FLK in der Diskussion“, beschreibt der Lärmaktionsplan auf Seite 37 den Zustand, dass die Mehrheit in der Fluglärmkommission überhaupt nicht interessiert, was eine Stadt wie Leipzig vorschlägt und wünscht. Sämtliche Leipziger Anträge wurden regelmäßig abgelehnt.

Die folgenden Maßnahmen will die Stadt in der Fluglärmkommission „weiterhin kontinuierlich einfordern“ (eine Formulierung fürs Goldene Buch der Stadt: So schön kann das Eingeständnis klingen, dass man in der FLK behandelt wird wie ein bettelnder Hund):

1. Umfliegung des Leipziger Stadtgebietes im Nachtzeitraum: Einführung des Point Merge Verfahrens in den Regelbetrieb

2. verstärkte Nutzung der kontinuierlichen Sinkflugverfahren (CDO-Verfahren)

3. Reduzierung der Direktflugfreigaben über dem Leipziger Stadtgebiet im Nachtzeitraum

4. Änderung des nächtlichen Bahnnutzungskonzeptes: Abflüge nach Norden starten bei Ostbetrieb von der nördlichen Startbahn

5. keine Durchführung nächtlicher Triebwerksprobeläufe außerhalb der Halle

6. Austausch besonders lauter Flugzeugtypen gegen leisere Flugzeugtypen

7. Einführung von deutlich lärm- und emissionsabhängigen Start- und Landeentgelten

8. Überprüfung der Lärmbelastung in Leipziger Ortsteilen durch mobile Fluglärmmessstationen des Flughafens Leipzig/Halle

9. zeitnahe vollständige Umsetzung des Schallschutzprogramms des Flughafens Leipzig/Halle

Die Formulierungen erzählen schon davon, dass sich Leipzigs Stadtverwaltung regelrecht bemüht, weder den Fluggesellschaften noch den Flughafenbetreibern allzu deutlich zu sagen, dass der Betrieb dieses Flughafens eine Zumutung ist und die Bedürfnisse der angrenzenden Großstadt seit 12 Jahren systematisch ignoriert.

Die Bürgerinitiative hat die berechtigten Forderungen der Fluglärmbetroffenen in eigenen Formulierungsvorschlägen konkretisiert:

„Punkt 1: Das Stadtgebiet muss stets und ohne Wenn und Aber umflogen werden (So wurde es im Übrigen den Bürgern auch versprochen).

Punkt 3: Direktflugfreigaben über Leipzig müssen grundsätzlich ausgeschlossen werden.

Punkt 4: Beim Bahnkonzept ist eine generelle Gleichverteilung auf Nord- und Südbahn nach dem Frankfurter Modell der Lärmpausen durchzusetzen (auch nachts)

Punkt 10 (neu): Entsprechend der Stadtgröße und -bedeutung ist die FLK mit mindestens drei Personen der Stadt Leipzig zu besetzen, auch ohne Erweiterung der Gesamtpersonenzahl.“

Und noch einmal Matthias Zimmermann: „Wir halten weiterhin fest, dass in der Fortschreibung des Lärmaktionsplanes die neuen Leitlinien der WHO von 2018 für Umgebungslärm nicht berücksichtigt wurden. Dies ist unbedingt nachzuholen.“

Aber auch die simple Definition, was Fluglärm ist, wird in der Leipziger Lärmplanung seltsam gehandhabt, stellt die Bürgerinitiative fest. Man rechnet sich die Lärmbelastung schön, indem man die Fluglärmspitzen einfach glättet. So kommen sie unter die Belastungsgrenzen und es sieht so aus, als könne dieser gemütliche Nachtflughafen niemanden in der näheren Umgebung auch nur aus dem Schlaf kitzeln.

Zur Fluglärmbelastung stellt der Entwurf zur Fortschreibung fest: „Einer Belastung von LDEN > 70 dB (A) sind keine Bewohner und von LNight > 60 dB (A) sind 3 Bewohner ausgesetzt. Einer Belastung von LDEN > 67 dB (A) sind keine Bewohner und von LNight > 57 dB (A) sind 3 Bewohner ausgesetzt.“

Das sind die geglätteten Werte, die suggerieren, der Lärm wäre gleichmäßig.

Aber die Formulierung ist eher eine Irreführung, stellt die Bürgerinitiative fest: „Bei diesen Werten handelt es sich um berechnete Durchschnittswerte und nicht um tatsächlich gemessene Werte. Bei der Berechnung werden Lärmspitzenwerte, die besonders nachts gesundheitsschädliche Aufwachreaktionen bewirken, nicht berücksichtigt. Die jüngst im MDR-TV veröffentlichten sehr hohen nächtlichen Lärmspitzen, die den Schlaf massiv störten sowie die Erfahrungen von betroffenen Bürgern beweisen, dass diese Berechnungen die Fluglärmrealität zu Ungunsten der Betroffenen beschönigen. Dazu bedarf es dringend einer Gesetzesänderung, um besonders die gesundheitsschädlichen Lärmspitzen zu berücksichtigen. Dafür sollte sich die Stadt Leipzig unter Bezugnahme o.g. Leitlinien einsetzen.“

Und dann gibt es ja noch die von der Stadt so honorig definierten „ruhigen Gebiete“, also regelrecht Kein-Lärm-Inseln im Stadtgebiet. Berechnet werden diese Inseln mit Modellen, die einzig und allein den Kfz-Verkehr berücksichtigen.

Das sorgt wieder für falsche Illusionen, stellt die Bürgerinitiative fest: „Beim Lärmschutz für Schulen, Kindergärten und Naturräumen wird ausschließlich der Kfz-Lärm berücksichtigt. Hier wurde ebenfalls der Fluglärm ignoriert. Im Bereich der ,Kurzen Südabkurvung‘ befinden sich mindestens 6 Kindertagesstätten und 3 Schulen sowie Auwald und Bienitz. Hier müssen ebenfalls Daten eingearbeitet werden und Maßnahmen zur Minderung von Fluglärm, Feinstaub und Stickoxiden abgeleitet werden.“

Eigentlich steht immer noch die Umsetzung des Bundestagsbeschlusses zur Petition gegen die „Kurze Südabkurvung“ aus. Aber solange CSU-Politiker Verkehrsminister in Deutschland sind, wird man wohl vergeblich darauf warten, dass solche simplen Bundestagsentscheidungen auch umgesetzt werden.

Hat sich die Flughafen-Fraktion wieder einen handzahmen Kommissionsvorsitzenden für die nächsten 26 Jahre gewählt? + Update

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