Es wird noch lauter im Leipziger Norden. Seit Dienstag, 4. Juni, ist es offiziell. Da kündigte der Aufsichtsrat der Mitteldeutschen Flughafen AG an, dass eine zweite Cargo City im Norden des Flughafengeländes entstehen soll. „Zusammen mit der im Herbst des vergangenen Jahres gemeinsam mit DHL angekündigten Erweiterung des DHL-Drehkreuzes summieren sich die in den nächsten Jahren geplanten Investitionen auf rund eine halbe Milliarde Euro“, teilte die Flughafengesellschaft mit.
Das sei „das größte Investitionspaket für die Mitteldeutschen Flughäfen seit dem Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle in den 1990er Jahren. Die Investitionen werden von der Flughafengesellschaft getragen.“
Als gäbe es keine „Fridays for Future“-Demos und als würden die beiden GroKo-Parteien bei Wahlen mittlerweile nicht gründlich abgestraft für ihre Klimapolitik. Sachsens Regierung macht immer weiter und setzt immer stärker auf die klimaschädlichste aller Transportarten und den Ausbau des Leipziger Flughafens zu einem der größten und lautesten Frachtflughäfen in Europa.
Man könnte es auch einen ganz bewussten Kollisionskurs nennen, was Sachsens Finanzminister da am Dienstag betonte.
„Der Flughafen Leipzig/Halle ist auf einem sehr guten Kurs. Mit seinem gesamten Umfeld ist er Jobmotor der Region. Wir investieren weiter in die Zukunft des Flughafens, um das Wachstum langfristig fortzusetzen“, erklärte Sachsens Finanzminister Dr. Matthias Haß, der den Freistaat Sachsen als Hauptaktionär im Aufsichtsrat der Mitteldeutschen Flughafen AG vertritt.
Und Götz Ahmelmann, der mittlerweile alleinige Geschäftsführer der Mitteldeutschen Flughafen AG, sagte: „Ich freue mich, dass die Gesellschafter unseren Kurs so engagiert unterstützen. Wir können nun unsere hervorragende Marktposition in der Fracht weiter ausbauen: Schon heute ist Leipzig/Halle der fünftgrößte Cargo-Hub Europas und der zweitgrößte in Deutschland. Und das Wachstum hält an: Erst im März 2019 haben wir mit einem Frachtumschlag von 110.419 Tonnen einen neuen Rekord erzielen können.“
Und besonders spannend ist die Mitteilung der Flughafen AG an dieser Stelle: „Einstimmig haben die Gesellschafter jetzt den Weg für Investitionen in neue Vorfelder, Logistik- und Bürogebäude im Nord- und Südteil des Flughafens Leipzig/Halle freigemacht. Damit entstehen künftig zahlreiche neue direkte und indirekte Arbeitsplätze in verschiedenen Tätigkeitsfeldern, wovon die gesamte Region nachhaltig profitieren wird.“
Zu den Gesellschaftern gehören neben dem Freistaat Sachsen als Hauptanteilseigner (77,29 Prozent), Sachsen-Anhalt und den Städten Dresden und Halle auch die Stadt Leipzig mit 2,1 Prozent Anteil. Wenn die Abstimmung aber einstimmig war, hat auch Leipzig zugestimmt.
Was bei der Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ die Alarmglocken läuten lässt und die Frage aufwirft: Welches Spiel spielt da eigentlich OBM Burkhard Jung?
„Der offensichtlich mit dem umstrittenen GroKo-Projekt ‚zentrales europäisches Frachtdrehkreuz‘ im Zusammenhang stehende weitere Ausbau bedeutet nicht nur eine Vervielfachung der gesundheitlichen Belastung der Bevölkerung durch Lärm, Stickoxyde und Feinstaub, sondern auch eine Vervielfachung des CO2-Ausstoßes“, stellt Matthias Zimmermann als Sprecher der Bürgerinitiative fest. „Sachsens Landesregierung aus CDU und SPD will also allen Ernstes im Zeitalter von Fridays for Future den Bürgern der Stadt Leipzig eine CO2-Glocke bisher nicht gekannten Ausmaßes überstülpen.“
130.000 Tonnen CO2 verursachte allein der Flughafenvertrieb im Jahr 2018. Da sind die CO2-Bilanzen der Flugzeuge, die in Leipzig starten und landen, noch gar nicht enthalten. Weltweit ist der Flugverkehr allein für 4,9 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Und die Zahl der Flüge wächst – auch weil es in der EU – außer in den Niederlanden – keine Steuer auf Kerosin gibt. Flugverkehr wird also massiv gefördert und bevorteilt, was nicht nur dazu führt, dass seit Jahren Billigflieger die Fluggastzahlen massiv steigen ließen, sondern auch der Frachtbetrieb in der Luft für viele Transporteure billiger ist, als wenn sie die deutlich umweltfreundlichere Bahn nutzen würden.
„Mit welchen Maßnahmen, so fragen wir, wird da die CO2-Bilanz in der Region wieder ausgeglichen?“, fragt Matthias Zimmermann. „Wer die bisherige über zehnjährige Entwicklung des LEJ von einem Passagierflughafen zum zentralen deutschen Frachtflughafen verfolgt hat, weiß, dass diese ohne Rücksichtnahme auf die Bevölkerung erfolgte und geprägt war von Lügen und Halbwahrheiten und falschen Versprechungen seitens Politik und Verwaltung. Dazu gab es am 4. Juni einen interessanten Beitrag in der Sendung ‚Umschau‘ des MDR- Fernsehens.“
Und was die wie ein UFO agierende Flughafen AG betrifft, glaubt er ihren Mitteilungen kein Wort mehr.
„Was die Aussage des Flughafens zu den Bedenken von Umweltschützern und Anwohnern bezüglich des neuerlichen Vorstoßes zum Ausbau des Flughafens betrifft, man halte natürlich rechtliche Normen und Auflagen ein, so sei gesagt, keine der mit dem bisherigen Ausbau des Flughafens Leipzig-Halle gemachten zentralen Zusagen zum Schutz vor Fluglärm wie ‚Leipzig wird umflogen‘ und ‚gleichmäßige Bahnverteilung‘ ist bisher umgesetzt. Das gemäß Planfeststellung festgeschriebene Verbot nächtlicher Triebwerksprobeläufe außerhalb der Triebwerksprobehalle konnte erst mittels Anzeige unserer Bürgerinitiative vorerst gestoppt werden“, so Zimmermann.
„Landesregierung, Flughafen und DHL sollten also erst einmal hier ihre Hausaufgaben machen, bevor weitere Prestigeobjekte dieser Art aufgetan werden, die letztlich, wie die Erfahrung zeigt, ohnehin wieder vom Steuerzahler bezahlt werden müssen.“
Und dann ist da diese seltsame Zustimmung der Stadt Leipzig in der Gesellschafterversammlung. Denn selbst im Stadtrat wurde ja schon festgestellt, dass die Stadt gegen eine Erweiterung des Flughafens ist.
„Interessant dürfte nun die Stellungnahme des OBM von Leipzig Burkhard Jung werden“, so Zimmermann. „Bekanntlich hatte sich die Stadtverwaltung auf Beschluss des Stadtrates hinsichtlich der im ‚Regionalplan Leipzig-Westsachsen‘ geplanten Erweiterungen von Siedlungsbeschränkungsgebieten gegen die Entwicklung des Flughafens zu einem internationalen Frachtdrehkreuz ausgesprochen. Aber mit der geplanten Erweiterung wird es zwangsläufig zu Siedlungsbeschränkungen kommen müssen. Und wer wissen will, was dies für eine Stadt bedeutet, sollte in Offenbach nachfragen. Dort sind schon über die Hälfte des Gebietes durch Bauverbote wegen Fluglärm blockiert.“
Oder hat sich Leipzigs Verwaltung wieder vom Versprechen weiterer Billigarbeitsplätze in der neuen Cargo City einlullen lassen? Denn wenn die Zahl der gleichzeitig abzufertigenden Flugzeuge durch die Erweiterung von 60 auf 96 steigt, dann bedeutet das auch eine Erhöhung der Zahl der am Flughafen beschäftigten Menschen. Und das in einer Zeit, da praktisch alle Branchen in Leipzig schon den Mangel an Nachwuchs und Fachkräften melden. Wo sollen diese zusätzlichen Packer dann eigentlich herkommen? Oder werden die gleich aus China importiert?
Und was passiert, wenn nicht nur die längst überfällige Kerosinsteuer, sondern auch die ebenso überfällige CO2-Steuer kommen? Beides wichtige Steuerinstrumente, um Deutschland endlich auf Kurs zu bringen, um die selbst gesteckten Klimaziele zu erreichen? Wird der Flughafen dann endgültig Beispiel für völlig falsch verbaute Steuermittel?
Es sieht ganz danach aus, als würde Sachsens Regierung, die ja beim Ausbau des Frachtflughafens nie die Zügel aus der Hand gegeben hat, mit Tunnelblick operieren, immer weiter nach alten, klimaschädlichen Rezepten, als ginge diese Art fossiles Wachstum immer so weiter, als wäre Sachsen ein besonders Bundesland, das mit all den Themen von Energiewende bis Reaktion auf den Klimawandel gar nichts zu tun hätte. Das ist ein Kollisionskurs, der nicht gutgehen kann. Aber wie man Sachsen so kennt, wird dann auch keiner der Politiker dafür haften, die für diese falsche „Wirtschaftspolitik“ verantwortlich sind.
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