Auch in Delitzsch wurde am 26. Mai neben der Europawahl ebenfalls der Stadtrat neu gewählt. Die Stadtverwaltung hielt die Nachricht darüber denkbar kurz: Die Kommunalwahlen haben zu einer veränderten Sitzverteilung im künftigen Delitzscher Stadtrat geführt.
Laut dem vorläufigen Endergebnis hat die CDU künftig 8 Sitze (-3), die Freie Wählergemeinschaft 7 Sitze (+ 1), die SPD 4 Sitze (- 2), die Linke 3 Sitze (- 1), der Heimatverein Döbernitz 1 Sitz (+/- 0). Neu im Stadtparlament sind die AfD mit 5 Sitzen, Bündnis 90/Grüne mit 1 Sitz und die BI Menschenskinder mit 1 Sitz.
Dahinter stehen folgende Stimmanteile:
CDU 25,9 Prozent
SPD 14,3 Prozent
FWG 23,3 Prozent
Linke 10 Prozent
AfD 16 Prozent
Grüne 3,1 Prozent
Heimatverein Döbernitz 3,5 Prozent
Bürgerinitiative Menschenskinder 3,9 Prozent
Die BI Menschenskinder hat sich vor allem die bessere Betreuung von Kindern in Kitas und Schulen auf die Fahnen geschrieben. Der Heimatverein Döbernitz hingegen will das Heimatgefühl im 787-Einwohner-Ortsteil-Döbernitz stärken. Mit 1.103 Stimmen hat der Verein freilich deutlich mehr Stimmen eingesammelt, als der 2004 eingemeindete Ortsteil Einwohner hat.
Aber gerade deshalb ist er so symptomatisch für die Wahlen in Sachsen, nicht nur für Delitzsch. Sächsische Wahlen sind eben auch deutliche Distanzwahlen zur lange praktizierten Regierungspolitik in Sachsen, die jahrelang als vorbildlich und indiskutabel präsentiert wurde. Dafür standen auch die lange Zeit hohen Wahlergebnisse für die CDU. Sie verkaufte den Freistaat gern als Vorzeige-Musterland im Osten, als Erfolg sächsischen Fleißes und kluger (Spar-)Politik. Dafür nahmen die Sachsen auch jahrelang die verordneten Sparvorgaben widerspruchslos hin.
Doch seit ziemlich genau 2008 ist der Wurm drin, gräbt sich die Unzufriedenheit durchs Land, denn die als so erfolgreich gepriesene Politik zeitigte für immer mehr Sachsen nicht die versprochenen und erwarteten Ergebnisse. Das Sparen ging immer weiter – 2008 exemplarisch mit der heftig diskutierten letzten Kommunalreform, bei der wieder viele Landkreise, in denen gerade so etwas wie Identität zu wachsen begann, zu neuen Großlandkreisen zusammengeschmissen wurden, so groß, dass sie praktisch alle bis heute als gesichtslose Verwaltungseinheiten empfunden werden.
Die Wege „ins Amt“ haben sich drastisch verlängert. Dabei war beim Kampf um Schulen, Krankenhäuser, Kitas noch immer kein Ende abzusehen. Die jungen Leute wanderten weiter ab – nicht nur aus den Landkreisen in die Großstädte.
Auch dafür steht Delitzsch. Die jungen Leute ziehen auch aus den Dörfern in die Mittel- und Kleinstädte. Immer der Arbeit, den Kita- und Schulplätzen hinterher.
Städte wie Delitzsch stabilisiert das in gewisser Weise, auch weil es im direkten Einzugsgebiet der Großstadt Leipzig liegt. Was eben auch bedeutet, dass die Bürger nicht nur beginnen, selbstbewusster aufzutreten und sich die Landespolitik nicht einfach nur gefallen lassen. Sie artikulieren sich auch politisch viel differenzierter, etwas, was sich mit der faulen Interpretation „Ja, die wählen doch alle AfD“ nicht erfassen lässt.
Die AfD hat zwar 5 Sitze im Delitzscher Stadtrat gewonnen, praktisch jene 5 Sitze, die CDU und SPD eingebüßt haben. Aber gleichzeitig haben auch Freie Wähler, Grüne und die BI Menschenskinder einen Sitz gewonnen. Da spricht für ein differenziertes Wählen der Delitzscher.
Was die Meldung der Stadt nicht extra betonte: Die NPD ist aus dem Stadtrat geflogen.
Die Delitzscher haben also ebenfalls nicht „blau“ gewählt, sondern mit den Freien Wählern und Bürgerinitiativen eher deutlich gemacht, wie wichtig ihnen die Identität ihrer Stadt ist. Ihre Wiedererkennbarkeit und die Spezifik der konkreten Lösungen vor Ort stehen im Zentrum. Ganz eindeutig erwartet man von den regierenden Parteien in Dresden nicht mehr, dass Landespolitik das einfach auch für die Städte miterledigt.
Mal ganz zu schweigen, dass die Dresdner Regierung praktisch keine Lösungen für die zum Teil selbstverschärften demografischen Veränderungen im Land zu bieten hat. Ein Manko, das die sächsische Landespolitik mit der Bundespolitik teilt.
Und mit dem Ergebnis der Freien Wähler zeigt auch Delitzsch, dass auf kommunaler Ebene die Freien Wähler im ländlichen Raum eine wachsende Rolle spielen in Sachsen – möglicherweise ganz ähnlich wie schon in Bayern erlebt.
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