Am Mittwoch, 3. April, um 16 Uhr wird es wieder eine Sonderstadtratssitzung geben. Zustande gekommen ist sie ja auf Antrag der drei Stadträte Andreas Geisler (SPD), Andreas Faulhaber (CDU) und Daniel von der Heide (Grüne). Der Grund für die Eile: Die Fluglärmkommission wählt am 4. April einen neuen Vorsitzenden. Die Chance darf sich Leipzig als vom Fluglärm hauptbetroffene Stadt nicht entgehen lassen.

Also braucht es eine kurzfristig anberaumte Stadtratssitzung, in der der Antrag der drei Stadträte behandelt wird. Sie werden wohl nicht alles durchsetzen können, denn die Verwaltung sieht keinen Anlass, den OBM selbst oder den zuständigen Umweltbürgermeister zu entsenden.

Aber sie lehnt das Anliegen der drei Stadträte nicht pauschal ab, sondern legt einen Alternativvorschlag mit folgenden drei Beschlusspunkten vor. Beschlossen werden soll, dass:

„der/die Leiterin/-in des Amtes für Umweltschutz als ordentliches Mitglied der Stadt Leipzig und der/die Fluglärmschutzkoordinator/in der Stadt Leipzig als stellvertretendes Mitglied in die Fluglärmkommission (FLK) entsandt werden.

sich die Stadt Leipzig bei der anstehenden Neuwahl des/der Vorsitzenden der FLK um den Vorsitz bewirbt.

bei der zuständigen Behörde für die FLK, dem Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, der Antrag gestellt wird, zukünftig drei Vertreter/-innen für die Stadt Leipzig in die FLK zu entsenden.“

Und dass Angelika Freifrau von Fritsch als Leiterin des Amtes für Umweltschutz die Stadt Leipzig in der Fluglärmkommission schlecht vertreten habe, will das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport so nicht stehen lassen.

Das begründet es auch:

„Seit dem Jahr 2007 vertritt die Leiterin des Amtes für Umweltschutz, Frau von Fritsch, die Stadt Leipzig in der FLK für den Flughafen Leipzig/Halle. Als stellvertretendes Mitglied des ordentlichen Mitglieds wurde im Jahr 2014 die Fluglärmschutzkoordinatorin der Stadt Leipzig vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) berufen.

In ihrer Funktion als ordentliches Mitglied der Stadt Leipzig in der FLK hat die Umweltamtsleiterin im Auftrag des Oberbürgermeisters zahlreiche Anträge zur Lärmreduzierung in die FLK eingebracht und für deren Umsetzung im Sinne der Leipziger Bürgerinnen und Bürger gekämpft. Aber auch durch ihre fachlichen Beiträge und engagierten Argumentationen in den Diskussionen zu Lärmschutzmaßnahmen hat sie die Interessen der Stadt Leipzig vertreten und in der FLK entsprechende Maßnahmen auf den Weg gebracht. Selbstverständlich stimmt sich die Amtsleiterin im Vorfeld der Sitzungen der FLK bei kritischen Themen mit dem Oberbürgermeister bzw. dem Beigeordneter für Umwelt, Ordnung, Sport ab.

Frau von Fritsch setzt sich seit 2007 in der FLK für die Abschaffung der Kurzen Südabkurvung am Flughafen Leipzig/Halle ein und vertritt die Auffassung der Stadt Leipzig kontinuierlich und deutlich. Dabei konnte in den Jahren 2008 und 2009 der bekannte Kompromiss hinsichtlich einer Begrenzung für Flugzeuge mit einem Abfluggewicht bis maximal 136 Tonnen und eine Alternativflugroute mit Entlastung der dicht besiedelten Gebiete von Rückmarsdorf und Grünau erzielt werden. Aufgrund des Beschlusses der Ratsversammlung Nr. RBV-282/10 vom 24.02.2010 hat sich die Amtsleiterin im Jahr 2010 erneut in der FLK für die Abschaffung der Kurzen Südabkurvung eingesetzt.

Als Reaktion auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Klage des anerkannten Naturschutzvereines Grüne Liga Sachsen e. V. zur Festlegung von Flugverfahren zur Kurzen Südabkurvung am Flughafen Leipzig/Halle stellte Frau von Fritsch im Jahr 2014 in der FLK einen Antrag auf Aussetzung der Kurzen Südabkurvung. Dieser wurde jedoch mit der Begründung, dass einer Aussetzung im Vorgriff auf die Sachentscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch die Kommission nicht befürwortet werden kann, abgelehnt.“

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Womit das Dilemma trotzdem offenkundig ist: Leipzigs Vertreterin wurde mit einem berechtigten Anliegen schlicht von der Mehrheit in der Kommission überstimmt, deren ureigenstes Interesse es ist, den Flugbetrieb am Flughafen durch nichts beschränkt zu sehen.

Über ein paar Leipziger Anträge habe man wohl etwas intensiver diskutiert. Eine entsprechend lange Liste hat das Umweltdezernat mit angefügt. Aber wo es wirklich um wichtige Lärmentlastungen gegangen wäre, war Leipzig wie auf eine Gummiwand geprallt.

Was aber, so betont das Dezernat, nicht an der Qualifikation der Leipziger Vertreterin lag. Im Gegenteil:

„Vor allem diese fachlichen Vertreter sind seit sehr vielen Jahren Mitglied in der FLK, haben ein entsprechendes Fachwissen aufgebaut und ermöglichen damit eine kontinuierliche und fundierte Arbeit im Sinne fluglärmbetroffener Bürger.

Die Entscheidungen in der FLK werden nach intensiven fachlichen Diskussionen und Auseinandersetzungen zum Thema mit der Deutschen Flugsicherung GmbH, der Flughafen Leipzig/Halle GmbH und den Vertretern der Fluggesellschaften gefällt. Umso wichtiger ist es, dass die Stadt Leipzig durch eine Person vertreten wird, in deren Arbeitsalltag immissionsrelevante Themen regelmäßig präsent sind, somit diesbezüglich kritische Punkte in der FLK schnell erkannt werden, Gegenargumente geäußert und im Sinne der Leipzigerinnen und Leipziger gehandelt werden kann.

Die Berufung des/der Leiters/-in des Amtes für Umweltschutz als ordentliches Mitglied und der/die Fluglärmschutzkoordinator/-in als stellvertretendes Mitglied in die FLK für den Flughafen Leipzig/Halle bildet daher den Inhalt des Alternativvorschlags.“

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Das Problem aktuell ist: Angelika von Fritsch geht in Ruhestand, ein Nachfolger/eine Nachfolgerin ist noch gar nicht gefunden. Das schwächt Leipzigs Position jetzt zusätzlich.

Andererseits sei das zuständige Verkehrsministerium (SMWA) schon informiert darüber, dass Leipzig sich um den Vorsitz in der Kommission bemühen will.

Womit die Stadt oder auch nur alle betroffenen Gemeinden im Nachtlärmgebiet noch nicht die Mehrheit in der Kommission haben. Deshalb haben die drei Stadträte ja beantragt, dass noch zwei weitere Leipziger Mitglieder in die Kommission entsandt werden sollen.

Auch das ist kein wirklich neuer Vorschlag, wie das Umweltdezernat in seiner Stellungnahme feststellt:

„Die Stadtverwaltung wird sich nach 2008, 2012 und 2015 erneut beim SMWA für die Berufung von zwei weiteren ordentlichen Mitgliedern der Stadt Leipzig in die FLK einsetzen.

Selbst die im Jahr 2015 durch den Beigeordneten für Umwelt, Ordnung, Sport zusammen mit der Umweltamtsleiterin durchgeführte direkte Vorsprache dieses Anliegens beim Staatssekretär, Herrn Brangs, brachte nicht den erhofften Erfolg. Der Staatssekretär begründete die Entscheidung damit, dass die Festlegung der FLK-Mitglieder gesetzlich vorgeschrieben ist und unabhängig von der Einwohnerzahl und Betroffenheitsdichte erfolgt. Pro Kommune sei nur ein Mitglied vorgesehen.

Eine Ausnahme davon bildet lediglich die Stadt Schkeuditz, die mit zwei Mitgliedern vertreten ist. Durch die 1994 erfolgte Eingemeindung der zwischen den beiden Start- und Landebahnen gelegenen und vom Lärm am stärksten betroffenen Ortschaft Kursdorf nach Schkeuditz erhielt die Stadt Schkeuditz zwei Stimmen. Herr Heumos, der ehemalige Bürgermeister von Kursdorf und Vorsitzender der 1993 konstituierten FLK leitet diese seitdem als Vertreter der Stadt Schkeuditz.“

Man liest es ja schon zwischen den Zeilen: So richtig glaubt das Umweltdezernat nicht daran, dass es an diesen betonierten Verhältnissen irgendetwas ändern kann. Die ja, wie man sieht, auch noch aus lauter faulen Ausreden bestehen, denn nach der Logik von Stefan Brangs stünden Leipzig mindestens drei Plätze in der Kommission zu – denn auch Lützschena-Stahmeln und Lindenthal als betroffene Gemeinden wurden ja erst nach Leipzig eingemeindet. Genau dort wohnen die meisten Leipziger, die vom Fluglärm am stärksten betroffen sind und die das immer deutlichere Gefühl haben, beim Thema Fluglärm keine Stimme zu haben.

Wie weiter mit der Fluglärmkommission? Leipziger Stadträte beantragen Sondersitzung der Ratsversammlung

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