Unser Land ist seltsam geworden. Es gab Zeiten, da waren die Beschlüsse von Parlamenten bindend. Ministerien setzten die Beschlüsse um und die Bürger durften noch das Gefühl haben, dass sie, wenn sie wählen gingen, Politik beeinflussen konnten. Aber im Trauerspiel um die Kurze Südabkurvung am Frachtflughafen Leipzig/Halle wurde sichtbar, wie sehr augenscheinlich andere Interessengruppen die politischen Schaltstellen schon okkupiert haben. Verschwörungstheorie? Nein, frustrierende Wirklichkeit.

Im Juli 2017 votierte nicht nur der Petitionsausschuss des Bundestages geschlossen zur Abhilfe der Petition, die die Leipziger Initiatoren des nun seit über zehn Jahren währenden Kampfes gegen die Kurze Südabkurvung eingebracht hatten. Der Bundestag stimmte dem Votum des Petitionsausschusses zu, das Verkehrsministerium wäre also verpflichtet gewesen, die ihm unterstehende Deutsche Flugsicherung dazu zu verpflichten, die im Planfeststellungsbeschluss zur Landebahn Süd festgelegten Regeln zur Kurzen Südabkurvung umzusetzen und einzuhalten.

Seitdem gab es eine Wahl, eine neue Regierung und einen neuen Verkehrsminister. Aber der fühlte sich genauso wenig wie sein Vorgänger gebunden, den Bundestagsbeschluss überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Kaum ein Ministerium wird so offensichtlich von Interessen bestimmt, die nichts mit dem Wählerwillen zu tun haben, wie das CSU-geleitete Verkehrsministerium.

Und es sind nicht nur Autobauer und Straßenbauer, die den direkten Draht ins Ministerium nicht nur pflegen, sondern auch strapazieren – Flughafenbetreiber und Fluggesellschaften sind genauso herzlich willkommen und haben es sichtlich geschafft, in diesem Ministerium mehr Gewicht zu bekommen als die fluglärmbetroffenen Bürger.

Mittlerweile hat sich der Petitionsausschuss ein zweites Mal mit der Petition befasst und kam wieder zum selben Ergebnis: Die Vorgaben aus dem Planfeststellungsbeschluss sind verbindlich und müssen umgesetzt werden.

Wenn Bürger sich nicht auf die Vorgaben aus einem Planfeststellungsbeschluss verlassen können, sind der Willkür Tür und Tor geöffnet.

Die Kurze Südabkurvung wurde nur als Ausnahmevariante in den Feststellungsbeschluss geschrieben: Nur kleine Flugzeuge mit maximal 30 Tonnen Startgewicht dürfen die Route, die direkt vom Flughafen über den südlichen Auenwald und das westliche Leipziger Stadtgebiet führt, nutzen. Nur in Ausnahmefällen und nur tagsüber.

Was aber die Leipziger seit Jahren beobachten können, sind die großen Frachtflieger von DHL & Co., die diese Abkürzung über das Leipziger Stadtgebiet regelmäßig nutzen, um Zeit und Sprit zu sparen. Und das nicht nur tagsüber und in wachsender Zahl, sondern auch nachts, was dann tausende Bewohner der nordwestlichen und westlichen Ortsteile aus dem Schlaf reißt, die nicht mal andeutungsweise in der Nähe des definierten „Lärmschutzgebietes“ wohnen, wo der Flughafen wenigstens verpflichtet ist, Lärmschutzfenster zu bezahlen.

Mittlerweile gab es ja auch mehrere sehr couragierte Vorstöße der Aktivisten gegen den Fluglärm im Leipziger Stadtrat, musste die Leipziger Verwaltung zu Einwohneranfragen Stellung nehmen und mehrere Stadtratsbeschlüsse zur Kenntnis nehmen, die OBM und Bürgermeister aufforderten, sich um die Umsetzung des Beschlusses des Petitionsausschusses des Bundestages zu kümmern.

Mittlerweile scheint der Draht ins Verkehrsministerium zu stehen, gab es ein erstes Treffen, ein zweites wurde vom Verkehrsminister kurzfristig abgesagt. Ein Brief wurde geschrieben. Und vor allem engagieren sich die sächsischen Bundestagsabgeordneten deutlich stärker dafür, dass dieser Missbrauch am Leipziger Flughafen ein Ende nimmt. Denn ein Missbrauch ist es. Das Bundesverwaltungsgericht, das sich 2013 – vor sage und schreibe fünf Jahren – mit der Klage der Fluglärminitiativen beschäftigt hat, hatte eindeutig festgestellt: „Ergibt die Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses, dass er das von den Beklagten festgelegte Flugverfahren nicht zulässt, ist die Festlegung dieses Verfahrens rechtswidrig.“

Das Problem dabei: Vorm Bundesverwaltungsgericht bekamen die Fluglärmgegner recht – aber das Verfahren wurde ans sächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen, das dann im zweiten Verfahren genauso entschied wie im ersten – für die Flughafenbetreiber und deren Interessen.

Nach dieser seltsamen Entscheidung starteten die Fluglärmgegner dann ihre Petition.

Und eigentlich hätte man im Dezember damit rechnen müssen, dass das Verkehrsministerium einlenkt und am Flughafen Leipzig/Halle endlich einen rechtskonformen Zustand herstellt. Aber passiert ist nichts. Außer dass Vertreter des Petitionsausschusses sich noch einmal mit Steffen Bilger, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, trafen. Dabei wurde vereinbart, im I. Quartal 2019 eine Lösung zu erarbeiten, mit der die „Kurze Südabkurvung“ dauerhaft auf 30 Tonnen begrenzt wird.

Jedenfalls teilten es so die Bundestagsabgeordneten Marian Wendt, Hartmut Ebbing, Daniela Kolbe, Monika Lazar, Jens Lehmann, Sören Pellmann und Detlev Spangenberg an die Leipziger Beteiligten mit. Sie wollen „alle Anstrengungen unternehmen, damit dieses im Einvernehmen mit Bundes- und Landesregierung, der Stadt Leipzig und den umliegenden Landkreisen, den Nutzern des Flughafens sowie den Bürgerinnen und Bürgern der Metropolregion Leipzig/Halle im Rahmen einer kommenden Änderung des Planfeststellungsbeschlusses für den Flughafen umgesetzt wird. Hierfür wollen sich die Unterzeichner im 1. Quartal 2019, unter Koordinierung des Vorsitzenden des Petitionsausschusses, mit allen beteiligten öffentlichen Stellen auf einen Lösungsweg verständigen.“

Danach soll dann die „sogenannte ‚Kurze Südabkurvung‘ im rechtsstaatlichen Verfahren dauerhaft auf 30 MTOW begrenzt und nur tagsüber von 6 bis 22 Uhr genutzt werden.“

Ein erstaunlich mühsamer Weg, um nach zwölf Jahren vielleicht den Zustand der Rechtsstaatlichkeit am Flughafen Leipzig/Halle herzustellen.

Das jüngste Gespräch zur Kurzen Südabkurvung wurde wieder kurz abgekurvt, sorry: abgesagt

Das jüngste Gespräch zur Kurzen Südabkurvung wurde wieder kurz abgekurvt, sorry: abgesagt

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