Als die Landesdirektion in August der LMBV einen Teilbescheid zum vorzeitigen Baubeginn am Harthkanal erteilte, stürzte das auch Wolfram Günther, den Vorsitzenden der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, in Zweifel. Wie kann das möglich sein? Sollte da nicht erst eine umfängliche Umweltverträglichkeitsprüfung stattfinden? Und wie ist das mit der Wasserqualität?
Insgesamt fünf Anfragen stellte er zu diesem Thema. Besonders aber beschäftigte ihn die Frage: Verschlechtert sich dann nicht die Wasserqualität im Cospudener See, wenn das Seewasser aus dem Zwenkauer künftig über den Harthkanal in den Cossi läuft?
Denn wenn der Bauzeitplan eingehalten wird, soll der Harthkanal ab 2022/2023 den Zwenkauer See mit dem Cospudener See verbinden. In einer vorzeitigen Sondergenehmigung wurde im August der Baubeginn für erste Teilabschnitte des 790 Meter langen Kanals ermöglicht.
Nun stellt sich laut Antwort von Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) auf eine der fünf Kleinen Anfragen des Landtagsabgeordneten Wolfram Günther heraus, dass infolge der neuen Wasserverbindung der Cospudener See „kippen“ könnte.
Sachsens Agrarminister Thomas Schmidt (CDU) sieht die Gefahr zwar nicht.
In seiner Antwort klingt die Zukunft des Wasserregimes recht unspektakulär: „Die geplante Ableitung von Wasser aus dem Zwenkauer See in den Cospudener See wird nach den vorliegenden Untersuchungen temporär zu einer geringen Erhöhung des Sulfatgehaltes im Cospudener See (von aktuell 850 Milligramm pro Liter auf etwa 900 Milligramm pro Liter) und den unterliegenden Gewässern des Leipziger Auensystems (Floßgraben, Pleiße) führen.
Unter Berücksichtigung der aktuellen Sulfatgehalte des Cospudener Sees und der unterliegenden Gewässer (730 Milligramm pro Liter im Floßgraben, 390 Milligramm pro Liter in der Pleiße), ist keine Verschlechterung der relevanten biologischen Qualitätskomponente (Makrozoobenthos) zu erwarten.“
Also nur eine temporäre Erhöhung des Sulfatgehaltes. Ein bisschen saurer als jetzt.
Aber diese Einschätzung mag Wolfram Günther nicht teilen.
Denn der Zwenkauer See zählt infolge des jahrzehntelangen Braunkohleabbaus zu den stark sulfatbelasteten, sauren Seen (1200 mg/l; pH-Wert 6,6). Derzeit hat der Cospudener See eine gute Wasserqualität mit moderatem Sulfatgehalt (814 mg/l). Mit der Einleitung des Wassers aus dem Zwenkauer See droht der Sulfatgehalt im beliebtesten See im Leipziger Neuseenland auf 900 mg/l zu steigen.
Die Versauerung des Zwenkauer Sees ist Folge der Oxidation des in den Abraummassen befindlichen Pyrits unter Einwirkung von Wasser und Sauerstoff. Hierdurch wird Eisenhydroxid und Schwefelsäure gebildet, welche zur Versauerung des Wassers im Zwenkauer See führen. Dieser Effekt in vielen Restlöchern des Braunkohlebergbaus ist in Fachkreisen unter dem Begriff „Acid Mine Drainage“ (AMD; engl.: saure Grubenwässer) bekannt.
Das aber bedeute, so Wolfram Günther, eine erhebliche Beeinträchtigung für die Badequalität des Cospudener Sees: „Da das Wasser im Zwenkauer See seit Jahren sehr hohe Eisen- und Sulfatwerte aufweist, entstehen durch die geplante Verbindung auch im Cospudener See höhere Belastungen. Viele Badegäste am Zwenkauer See kennen die schon jetzt sichtbaren Eisen-Einschwemmungen im Uferbereich.
Es wäre wirklich schlimm, wenn nun das sulfatbelastete Wasser aus dem Zwenkauer See den Cospudener See ebenfalls versauern würde. Das hätte fatale Konsequenzen für die Wasserqualität im Cospudener See. Der beliebte Badesee droht zu kippen.“
Und bei Thomas Schmidt klang das so, als ob sich das dann immer weiter schön verdünnen würde, sodass es im Floßgraben, der Pleiße und der Weißen Elster keine Verschlechterungen geben würde. Jedenfalls keine, die die größeren dort siedelnden Gewässerbodenlebewesen (Makrozoobenthos) schädigen würden.
„Meine Sorge um die Gewässerqualität bezieht sich aber nicht nur auf den Cospudener See. Über die südlich gelegene Ausleitung strömt Wasser in den Floßgraben und so in den Leipziger Auwald. In den Schutzgebieten könnten besonders Eisenablagerungen schwere Schäden an der Fischfauna anrichten“, sieht Günther als Gefahr. Und das ist es ja noch lange nicht.
„Das Genehmigungsverfahren für den Harthkanal wirft noch zahlreiche Fragen auf. Trotz Sondergenehmigung für einen vorzeitigen Baubeginn fehlt noch immer eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Auch der Umgang mit dem Artenschutz in der Bauphase ist haarsträubend. Ich fordere alle Beteiligten auf, diese Fragen sauber zu klären, bevor Bagger rollen und unumkehrbare Schäden anrichten“, erklärt Günther.
Zur Umweltverträglichkeitsprüfung hatte Wolfram Günther eine extra Anfrage gestellt. Darin versicherte nun Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD), dass es für den Kanalbau keine neue Umweltverträglichkeitsprüfung geben müsse. Was man prüfen musste, habe man 2010 schon geprüft.
„Der geplante Gewässerausbau stellt eine Ausbaumaßnahme im Sinne der Anlage 1 Nr. 13.13 zu § 3 Abs. 1 Satz 1 UVPG dar, für die eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflicht vorgesehen ist. Die Landesdirektion Sachsen ist unter Berücksichtigung der eingeholten fachlichen Stellungnahmen zu dem Ergebnis gekommen, dass das Vorhaben keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Abs. 1 Satz 1 UVPG hat, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären.“
Was der Punkt ist, der Günther ins Grübeln bringt: Man hat also in der Vorprüfung zur UVP-Pflicht festgestellt, dass es „keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen“ geben werde, also brauche es auch keine Umweltverträglichkeitsprüfung. Der erwähnte Punkt 13.13 umfasst freilich nur den „Bau eines Deiches oder Dammes, der den Hochwasserabfluss beeinflusst (sofern nicht von Nummer 13.16 erfasst)“.
„Diese Entscheidung vom 9. März 2009 wurde von der ehemaligen Landesdirektion Leipzig im Sächsischen Amtsblatt vom 26. März 2009 veröffentlicht. Die Landesdirektion verweist darauf, dass nach der zum Zeitpunkt der Prüfungen geltenden Fassung des UVPG lediglich die Verpflichtung zur Veröffentlichung der Entscheidung bestand. Eine Gesamtstellungnahme war nicht zu erstellen und liegt auch nicht vor“, stellt Martin Dulig fest.
Nur als die LMBV den Zwenkauer See mit Wasser der Weißen Elster zu fluten begann, veränderte sich ein Aspekt deutlich. Hier ging es also nicht mehr nur um Hochwasserschutz, sondern um Wasserqualität.
Aber das sähen die Bearbeiter als ungefährlich an, so der Minister: „Hierdurch ergaben sich im Hinblick auf die zuvor durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3 c UVPG eine geänderte Bewertungsweise der Umweltauswirkungen des Vorhabens hinsichtlich des Schutzgutes Wasser. Die LMBV beantragte daher mit Schreiben vom 17. Juni 2011, eine erneute Bewertung der UVP-Pflicht des Vorhabens im Einzelfall vorzunehmen. Da die Veränderungen nur das Schutzgut Oberflächenwasser betrafen, wurden auch nur die Auswirkungen auf dieses Schutzgut sowie die damit verbundenen Wechselwirkungen auf die übrigen UVP-Schutzgüter erneut durch das LDS-interne Fachreferat geprüft. Der Prüfvermerk vom 28. Juni 2011 (der LMBV mitgeteilt mit Schreiben vom 15. Juli 2011) endete erneut mit der Feststellung, dass von dem Vorhaben keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen ausgingen und die Erteilung einer Plangenehmigung für das Vorhaben daher möglich sei.“
Also keine Umweltverträglichkeitsprüfung, obwohl sich das Kanalprojekt seit 2010 mehrfach verändert hat. Teurer ist es ja auch geworden. Aus einst geplanten 10 Millionen Euro sind inzwischen 80 Millionen Euro geworden. Möglicherweise, weil die LMBV die Planungen endlich konkretisiert hat und jetzt realistische Planansätze zu diesem seenverbindenden Bauwerk mit großer Schiffschleuse vorgenommen hat.
Genauer wollte man uns das nicht erklären. Da wird es also wohl irgendwie stimmen. Und der Rest – so schätzt es jedenfalls der Wirtschaftsminister ein – ist jetzt nur noch Routine. „Im Jahr 2019 soll der Plangenehmigungsbescheid vorliegen.“
Und was ist, wenn sich herausstellt, dass eben doch nicht alles geprüft wurde, was hätte geprüft werden müssen?
Oder mit der Frage von Wolfram Günther: „Welche Lösung ist vorgesehen, wenn sich Belange von Dritten nicht mehr ausreichend beachten lassen?“
Antwort Martin Dulig: „Es besteht immer die Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung unter Mitwirkung der Vorhabenträgerin. Ferner gibt es die Möglichkeit, Rechtsmittel (hier: Klage) gegen die Entscheidung einzulegen.“
Es gibt 2 Kommentare
Ja, das Zitat kann man nur unterschreiben. Der Unmut der sächsischen BürgerInnen genau darüber scheint bei den wie dazumal August Regierenden noch nicht angekommen zu sein. Herr Dulig ist eigentlich noch zu jung, um das, wie andere, vor dem Hintergrund eines baldigen Ruhestandes gern in Kauf nehmen zu können. Das Problem ist – und das wissen sie alle in der Verwaltungen und den Ministerien – dass das Klagerecht für die Verbände zwar existiert, das Geld aber fehlt. Bei einem 80Mill-Vorhaben ginge es da schon ganz schön zur Sache. Hingewiesen auf die Auswirkungen auf den Cosi und den Auwald hat allerdings mit entsprechenden Werten schon mal der Ökolöwe. Mehr war da aber auch nicht. Also: warten auf die Wahl, vielelicht kommt dann alles ganz anders.
Zitat aus dem Sachsen-Monitor: „Erschreckend ist die geringe Wertschätzung von Verfassung, Grundrechten und Gerichtsentscheidungen“