Und nun die Reihen eng geschlossen. Das war dann wohl das Motto der 50. Sitzung der Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland, die sich am Freitag, 29. Juni, direkt am Karl-Heine-Kanal in Plagwitz traf. Neue Projekte standen nicht auf der Agenda. Und die Presse wollte man diesmal auch nicht dabei haben. Es ging mehr ums Feiern. Und um Schulterschluss. Denn die Bürger wollen nicht ganz so wie die Akteure, wie sie sich nennen.
„Ein Gremium aus regionalen Akteuren, die an der Gestaltung des Leipziger Neuseenlandes beteiligt sind“. Das ist das Understatement. Denn wirklich demokratisch legitimiert ist dieser Gesprächskreis bis heute nicht, auch wenn genau hier die Absprachen getroffen werden, mit denen das Leipziger Neuseenland umgebaut wird. Oder auch nicht.
Aber die Bausteine, die gerade scheitern, waren dann in der Sitzung am Kanal kein Thema.
Es ging eher ums Feiern. Deswegen tagte man auch im Restaurant am Kanal und machte nachher noch eine Bootstour.
Der Sprecher der Steuerungsgruppe, der Landrat des Landkreises Leipzig, Henry Graichen, nahm die Sitzung zum Anlass, um noch einmal an die Meilensteine zu erinnern, die man im Lauf der letzten Jahre gesetzt hat: den (etwas vertagten) „Tag Blau“ am 11. Juli 2011, die Inbetriebnahme der Kanuparkschleuse, und die Unterzeichnung der „Charta Leipziger Neuseenland 2030“, 2015 auf dem Schiff auf dem Markkleeberger See zelebriert.
Zur Jubiläums-Sitzung waren auch die ehemaligen Sprecher der Steuerungsgruppe, Dr. Gerhard Gey und Walter Christian Steinbach, zu Gast. Beide ergriffen das Wort, um die bisherigen Entwicklungen im Leipziger Neuseenland zu loben, aber auch, um auf die Schwierigkeiten in den vergangenen Jahren und die zunehmende Bürokratie einzugehen.
Und sie stellten so nebenbei fest, dass es da doch ein kleines Problem gibt, denn die kleine emsige Truppe hat zu kämpfen. Ihre Beschlüsse stoßen immer öfter auf Kritik – etwa der aus den Umweltverbänden, wo man zunehmend mutiger ist, nach den Umweltschutzbelangen in all den teuren Projekten zu fragen. Aber auch Leipzig schießt ja mittlerweile quer – zumindest, was die viel gepriesene „Markkleeberger Wasserschlange“ betrifft, ein Projekt, das auch die Landesdirektion für nicht genehmigungsfähig hält.
Gey und Steinbach appellierten zwar, „dass die bedingungslose Zusammenarbeit aller in der Steuerungsgruppe vertretenen Akteure nach wie vor notwendig und essentiell zur Überwindung der noch vorhandenen Hindernisse bei der weiteren Gestaltung des Neuseenlandes ist.“
Aber wer die Arbeit des Gremiums genauer beschaut, sieht, dass Bedingungslosigkeit keine Arbeitsgrundlage sein kann. Sie macht nämlich unfähig zur Selbstkorrektur. Und dass die Zuständigkeiten der Mitglieder in der Steuerungsgruppe eigentlich sogar Bedingungslosigkeit verbieten.
Deswegen hat man jetzt zwar eine Bürgerbeteiligung zum Wassertouristischen Nutzungskonzept (WTNK) angefangen, versucht aber nach wie vor die Einmütigkeit in der Steuerungsgruppe zu suggerieren, die es so ganz amtlich gar nicht geben darf. Kam der in die Steuerungsgruppe berufene Naturschützer überhaupt zu Wort? Oder war er gar nicht da?
Jedenfalls scheint er keine Kritik geäußert zu haben.
Etwa zu den Ausführungen von Rolf Schlottmann, Abteilungsleiter Planung Mitteldeutschland der Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV), über den aktuellen Stand der §4-Maßnahmen „Harthkanal Zwenkau“ und „Störstellenbeseitigung in der Pleiße“. „In beiden Vorhaben stecken besondere Herausforderungen für Ingenieure und Bauleute“, meinte Schlottmann.
Aber mindestens in der „Störstellenbeseitigung“ steckt auch ein gewaltiges naturschutzfachliches Problem.
Aber die meiste Furcht hat man wohl eher davor, dass die nun begonnene Bürgerbeteiligung zum WTNK nicht so wirkt, wie man sich das wünscht. So wie die Bürgerbeteiligung zur „Charta 2030“ etwa: die Gemüter beruhigend.
Angela ZábojnÃk, Leiterin der Arbeitsgruppe Gewässerverbund in der Steuerungsgruppe, „gab einen Ãœberblick zur Fortschreibung des Wassertouristischen Nutzungskonzeptes Leipziger Neuseenland (WTNK). In dem Zusammenhang nahm sie eine Auswertung des 1. Runden Tisches vom 17. Mai und des 1. öffentlichen Forums vom 23. Juni vor. Beide Veranstaltungen sind zum Zwecke der Fortschreibung des WTNK und zur Beteiligung der Öffentlichkeit ins Leben gerufen worden.“
Und dann kommt der Satz, der ganz ähnliche Befürchtungen offenbart, wie sie auch Gey und Steinbach äußerten: „In der aufkommenden Diskussion wurde an dieser Stelle erneut deutlich, dass es großer Anstrengungen bedarf, um das vielfältige und vielschichtige Handeln der Akteure für die Öffentlichkeit transparent darzustellen.“
Dumm nur, dass man einfach vergaß, die Presse einzuladen für diesen 29. Juni. Wer soll denn nun Transparenz herstellen? Und vor allem: Was passiert, wenn wir wirklich Transparenz herstellen? Fühlen sich dann alle auf den Schlips getreten? Ist das dann zu transparent?
Zur World Canals Conference, die für 2020 nach Leipzig geholt wurde, haben wir ja schon geschrieben. Viel mehr war in der Runde am Freitag augenscheinlich auch nicht Thema: „Des Weiteren informierte Frau ZábojnÃk über den aktuellen Stand der Vorbereitungen zur World Canals Conference (WCC) 2020 in Leipzig, die erstmals in ihrer 30-jährigen Geschichte (seit 1988) in Deutschland stattfindet.
Frau Schönbeck, Projektdirektorin der beach & boat der Leipziger Messe GmbH, stellte abschließend die Ergebnisse des 10. Seenlandkongresses und der Messe beach & boat 2018 vor und gab einen Ausblick auf das Jahr 2019. Der Kongress für die Gewässerlandschaft im mitteldeutschen Raum verzeichnete im Vergleich zum Vorjahr wachsende Besucherzahlen und eine höhere Zufriedenheit bei der Beurteilung der verschiedenen Programmpunkte. Als Höhepunkt galt die Verkündung, dass Leipzig als erste Stadt in Deutschland den Zuschlag für die World Canals Conference (WCC) im Jahr 2020 erhalten hat.“
Und dann ging’s eh über zum schöneren Teil der Veranstaltung: „Im Anschluss haben sich die Mitglieder der Steuerungsgruppe auf einer Bootsexkursion auf dem Karl-Heine-Kanal über den Stand des Ausbaus der Leipziger Fließgewässer informiert.“
Noch immer weiß kein Mensch, wie viel gewerblichen Bootsverkehr der Floßgraben verträgt
Noch immer weiß kein Mensch, wie viel gewerblichen Bootsverkehr der Floßgraben verträgt
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Das sind sie also, die heute so entscheiden, dass man unsere Fließgewässer und Auen so verbaut, dass diese noch weniger ihrer natürlichen Reinigungsfunktion nachgehen können. Ob diese Menschen Kinder haben? Oder Enkelkinder? Ob sie daran denken, dass diese Nachkommen vielleicht in ein paar Jahrzehnten nichts mehr zu trinken haben – oder nur noch gegen teures Geld? Ob sie daran denken, dass sie mit ihren Entscheidungen heute dazu beitragen, dass die Trinkwassersituation der folgenden Generationen noch brisanter sein wird als sie schon so sein wird?
Heute feiert es sich noch schön und es gibt genug zu trinken. Dabei weiß man doch inzwischen, dass der Klimawandel keine Einbildung ist.
Zitat von der Website des Umweltbundesamtes zu Sachsen:
“Bezogen auf das zentrale Schutzgut Wasser können in Sachsen bereits Rückgänge bei der Grundwasserneubildung beobachtet werden, die sich aufgrund der Veränderungen von Niederschlagsregime und Niederschlagsart künftig in ausgewählten Perioden verschärfen könnten. Steigende Niederschlagsdefizite in Zusammenhang mit höherer Verdunstung werden zur Zeit vor allem in der Vegetationsperiode I (Zeitraum April bis Juni) beobachtet, was in ausgewählten Regionen (Nord- und Ostsachsen) zu sinkender Bodenfeuchte, höherem Winderosionsrisiko, Problemen beim Pflanzenwachstum und damit erhöhtem Ertragsrisiko oder niedrigeren Abflussdargeboten führt. Verbunden mit hohen Wassertemperaturen oder aufgrund hoher Nährstoffeinträgen nach zunehmenden Starkniederschlägen wird der ökologische Zustand von Gewässern beeinflusst, was wiederum auch zu erhöhten Aufwendungen bei der Trinkwasseraufbereitung führt.Spezifische Probleme können in Sachsen künftig im Zusammenhang mit Flutungen von Tagebaurestseen entstehen. Wassermangel kann auch zunehmend Problemlagen bereiten.”
Bereits JETZT haben wir ein Problem, was denken diese Leute, was erst passieren wird, wenn wir Kanäle bauen, Flüsse ausbauen, noch mehr Krisenherde anfeuern wie an das Flusssystem angeknüpfte Tagebauseen (was höchst bedenklich ist betreffs der Wasserqualität) und mit Motorbooten auf den noch vorhandenen letzten Gewässern herumfahren, womit diese ihre ökologischen Funktionen nicht mehr nachgehen können.
Wie kann man damit leben, sehenden Auges unsere Lebensgrundlagen zu zerstören für Amüsement und eine Handvoll Geld (und wirtschaftlich rentieren wird sich das ganze Konstrukt WTNK nicht, das wurde schon so oft durchgerechnet)?
Und die Klimamodelle reden nicht von irgendwann in ein paar Jahrhunderten, es geht nur noch um Jahrzehnte… vielleicht gibt es nicht mal mehr für mich, wenn ich mal alt bin, ein Glas sauberes Wasser.
Was soll man dann erst zu einem Menschen sagen, der noch sein ganzes Leben vor sich hat? Wenn man solche Pläne liest und was hier und dort gebaut werden soll.
Ich wünsche den heute geborenen Menschen so sehr, dass dieses WTNK nicht so fortgeschrieben wird, wie es aktuell besteht. Denn ich will nicht, dass sie das erleben müssen, was sehr wahrscheinlich passieren wird: dass sie in einem wüstenartigen Land aufwachsen, das alle paar Monate von Unwettern heimgesucht wird, welche die kaputte und tote Erde regelmäßig überschwemmen. Ein Land, in dem die Menschen für sauberes Trinkwasser teures Geld bezahlen werden und in dem es vielleicht nicht mal mehr genug Essen geben wird (denn wie soll so Getreide wachsen? Das wächst schon heute nicht mehr recht).
Und was hinterlassen wir diesen Menschen? Kanäle? Künstliche Seen mit saurem Wasser? Auf denen diese Menschen dann mit Booten herumfahren können?
Ich fürchte, die heute Geborenen werden ganz andere Probleme haben.
Wir sollten doch lieber alles tun, um unser Wassersystem zu schützen?
Statt dessen zerstört man es immer weiter. Ich verstehe dies nicht.
Man höre den Akteuren gut zu es: es geht um den “Ausbau der Leipziger Fließgewässer” (aus-bauen!, wofür genau?), man holt die World “Canals” Conference nach Leipzig: welche “Kanäle” hat denn Leipzig zu bieten?? Vielleicht mehr, als uns LeipzigerInnen lieb ist bis 2020. Und wenn es in der Auwaldstadt Leipzig ein Auensymposion gibt, wo es um die Renaturierung von Fließgewässern und das großartige Potential dafür direkt vor unserer Haustür, mitten in der Großstadt Leipzig geht, wird in der Verwaltung den für Stadtgrün und Gewässer und den für Umwelt zuständigen MitarbeiterInnen die Teilnahme untersagt (es sei denn, sie nähmen dafür Urlaub). So geht das in Leipzig.
Dieser Olaf hat auch an allem rumzumeckern, aber- er hat so mit all seinen Knallharten Aussagen Recht.
Das wäre ein Anlaß gewesen, nach den Rechtsgrundlagen und damit der rechtsstaatlichen und demokratischen Legitimierung dieser sogenannten “Steuerungsgruppe” zu fragen….
„Im Anschluss haben sich die Mitglieder der Steuerungsgruppe auf einer Bootsexkursion auf dem Karl-Heine-Kanal über den Stand des Ausbaus der Leipziger Fließgewässer informiert.“
Genau darum geht es: Um Gewässerausbau!
Bäche, Flüsse und Seen werden zu Straßen!
Für den Starßenbau bedarf es allerdings eines rechtlich legitimierten Grundes. Der wäre? (das sogenannte WTNK des sogenannten Grünen Rings Leipzig, des Regionalen Planungsverbandes Westsachsen und bla und blubb ist es nämlich nicht. Den einzigen Grund – maßgeblicher Wirtschaftsverkehr – gibt es allerdings auch nicht.)
Aha, da ist er ja: “Als Höhepunkt galt die Verkündung, dass Leipzig als erste Stadt in Deutschland den Zuschlag für die World Canals Conference (WCC) im Jahr 2020 erhalten hat.“
Die Kanal-Konferenz, quasi das Verkehrsdavos des Wassers. Gewässer zu Sraßen!
Für “die Akteure” “gilt”. Sie wollen das so. (Daß sie ziemlich einsam stehen, wissen sie allerdings auch.)