Verständlich ist die Freude von Lutz Weickert, einem der Aktivsten beim Kampf gegen den nächtlichen Fluglärm rund um den Flughafen Leipzig/Halle. Denn am 31. Mai standen auch alle Anträge aus Fraktionen und Ortschaftsräten auf der Tagesordnung der Ratsversammlung, in denen es um den Protest gegen die Ausweitung des Siedlungsbeschränkungsgebietes ging. OBM Burkhard Jung ließ sie alle einzeln abstimmen.
Die Ausweitung des für neuen Wohnungsbau gesperrten Gebietes sieht der Entwurf des neuen Regionalplans für Westsachsen vor. Solche Regionalpläne müssen alle Planungsregionen in Sachsen vorlegen. Sie beinhalten detailliert alle wichtigen Leitlinien für die Raumplanung: Wo darf Kies abgebaut werden, wo Braunkohle? Wo ist Gewerbegebiet auszuweisen, wo soll Naturschutz Vorrang haben, wo werden Straßentrassen freigehalten und wo darf künftig keine Wohnbebauung mehr entstehen, weil es schlicht unzumutbar laut ist?
Der Flughafen Leipzig/Halle ist so eine unzumutbare Lärmquelle. Deswegen besitzt er schon ein Siedlungsbeschränkungsgebiet, in dem es keine sensible Bebauung geben darf. Im neuen Entwurf aber schlägt der Planungsverband eine deutliche Ausweitung dieses Siedlungsbeschränkungsgebietes vor – dem liegen neue Berechnungen zugrunde, die schon für den heutigen Flugbetrieb eine deutlich höhere Gebietsverlärmung aufzeigen, als in den Planungen vorgesehen.
Der Grund dafür ist simpel: Mit der fast ausschließlichen Nutzung der Südbahn in der Nacht ist hier natürlich der Lärmpegel deutlich höher, als den Anwohnern versprochen. Und dazu kommt, dass am Flughafen Leipzig auch die schwersten, ältesten und lautesten Flugzeuge fliegen dürfen, ohne dafür durch erhöhte Start- und Landeentgelte sanktioniert zu werden.
Also dröhnen selbst mitten in der Nacht schwere Uralt-Flieger, aber mittlerweile auch wieder vermehrt Militärtransporter über den Köpfen der geplagten Anwohner. Und im Koalitionsvertrag von Union und SPD im Bund steht, dass die Regierungskoalition plant, den nächtlichen Frachtflugbetrieb noch weiter auszuweiten. Das war ein ganz spezieller Wunsch aus der sächsischen Landeregierung.
Ein Horror für all die, die jetzt schon von der Verlärmung betroffen sind. Als sie dann auch noch von der Ausweitung des Siedlungsbeschränkungsgebietes lasen, waren sie regelrecht entsetzt, denn dadurch wird die großflächige Verlärmung des Gebietes ja dauerhaft festgeschrieben, statt dem Lärm endlich einmal vernünftige Grenzen zu setzen.
Im Gefolge gab es in allen betroffenen Ortschaftsräten Abstimmungen, in denen diese Ausweitung vehement abgelehnt wurde. Alle diese Anträge kamen am 31. Mai im Stadtrat zur Abstimmung. Die Ergebnisse ließen Lutz Weickert regelrecht das Herz schlagen vor Freude. Der Antrag aus Lindenthal wurde mit 52 Stimmen befürwortet, es gab nur eine Gegenstimme und eine Enthaltung. Der Antrag aus Stahmeln bekam 51 „Ja“-Stimmen mit vier Gegenstimmen. Der Seehausener Antrag wurde mit 44 „Ja“-Stimmen votiert, bekam nur acht Gegenstimmen und zwei Enthaltungen.
Die SPD-Fraktion hatte beantragt, dass alle Leipziger Stadtratsbeschlüsse zur Einhegung der Fluglärmbelastung in den Regionalplan mit aufgenommen werden.
Dazu sagte SPD-Stadtrat Andreas Geisler in seiner Stadtratsrede mit Bezug auf den Antrag aus dem Ortsteil Lindenthal: „Aus Sicht des Ortschaftsrates bedeutet die Erweiterung des Siedlungsbeschränkungsbereichs, dass die Stadt und die Region die Missachtung aller Auflagen aus dem Planfeststellungsbeschluss einfach akzeptieren und damit einen Missstand mit dem Mantel des Legalen versehen und dauerhaft machen.
Es muss doch klar sein, dass alles, was der Rat beschlossen hat, sich dort wiederfinden muss. Ich möchte mal einen Blick nach vorn wagen: Ich möchte nicht in ein paar Jahren hier stehen und einen Versuch kontern müssen, die unrechtmäßig mit großem Gerät und von vor 6 bis nach 22 Uhr beflogene Südabkurvung als Grund für weitere Siedlungsbeschränkungen aufzuführen, nur weil sie jemand entgegen aller Beschlüsse benutzt.“
Geisler sprach auch an, worum sich die Fluglärmkommission noch herumdrückt, weil die betroffenen Kommunen in Nordsachsen noch viel weniger Handlungsmacht haben als die Großstadt Leipzig: „Und wenn wir einmal bei sinnlosen Abkurvungen sind: Die kurze Nordabkurvung, egal von welcher Bahn, ist genauso eine unsägliche Gewinnmaximierungsmethode, die die Belastungen für die Menschen im Norden grundlos vergrößert, indem sie eine Lärm- und Schmutzschleppe über den ganzen Leipziger Nordwesten legt.
Im Grunde muss konstatiert werden, dass die Lärmbelastung der Menschen im Nordwesten größer ist als angenommen. Da hilft allerdings keine Vergrößerung der Siedlungsbeschränkung. Vielmehr müssen ehrliche Maßnahmen, den Lärm zu begrenzen und gleichmäßig zu verteilen, oder eben Lärmpausen eingeführt werden, solange man auf diese Lärmquelle nicht verzichten kann oder möchte.“
Das Ergebnis: 54 Stimmen gab es für den SPD-Antrag, keine einzige Gegenstimme. Was für den Leipziger Stadtrat schon etwas heißen will. Das Thema ist hier nach Jahren der intensiven Beschäftigung auch im Dialogforum zum Flughafen fest verwurzelt. Die Stadträtinnen und Stadträte wissen, was für ein politischer Scherbenhaufen im Leipziger Norden mit einer ignoranten sächsischen Flughafenpolitik angerichtet wird.
Die Grünen hatten sogar gleich zwei Änderungsanträge geschrieben – einer forderte genauso wie der SPD-Antrag die Aufnahme der Leipziger Stadtratsbeschlüsse zum Fluglärm in die Leipziger Stellungnahme zum Regionalplan. Der andere forderte eine Ablehnung der Erweiterung des Siedlungsbeschränkungsgebietes. Auch diese beiden Anträge wurden mit großer Mehrheit angenommen. Leipzig muss also in seiner Stellungnahme zum Regionalplan nacharbeiten.
„Der in der GroKo-Vereinbarung vorgesehene Ausbau Leipzigs zum zentralen Frachtflughafen Deutschlands ist in Leipzig auf erbitterten Widerstand gestoßen“, zieht Lutz Weickert seine Bilanz aus dem Abstimmungsergebnis. „Die dafür erforderliche Verdoppelung des Lärmgebietes (Siedlungsbeschränkungsgebiet) wurde von allen Ortschaftsräten aus dem Nordwesten Leipzigs abgelehnt. Jetzt hat auch der Stadtrat von Leipzig in seltener Einstimmigkeit aller Fraktionen diese Erweiterung des Fluglärmgebietes in mehreren Anträgen abgelehnt.“
Und das sächsische Dilemma bringt er mit einem Zitat aus der Stellungnahme des Ortschaftsrates Seehausen auf den Punkt: „Auch müssen wir darauf hinweisen, dass außer auf die Interessen des Flughafens und der Logistikfirmen keine Rücksicht auf die Bürger genommen wird. Wo andere Städte den Nachtfluglärm verbannen, wird der Flughafen Leipzig Halle politisch noch forciert, ohne weitere Verbesserungen für die Bevölkerung zu fordern und durchzusetzen.“
Denn Sachsens Regierung agiert so, als wären die Bürger nicht wichtig und nur die Interessen großer Konzerne wie DHL, die auf diesem sächsischen Spezialflughafen tun und lassen dürfen was sie wollen, ohne auch nur die Mindestregeln einzuhalten.
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