Die große Befragung zur „Charta Leipziger Neuseenland 2030“ zeigte vor allem eines: Die meisten Bewohner des Neuseenlandes wollen ein naturnahes Neuseenland, eines mit möglichst viel Schutz für Naturoasen. Denn nach 70 Jahren Bergbau haben die meisten Menschen hier gelernt, wie wertvoll Refugien für Tier- und Pflanzenwelt sind. Und der Werbeliner See ist auch eines – hier haben tausende Vögel eine Oase gefunden. Die noch besser geschützt werden muss, stellt der NABU Sachsen fest.
Das Ende des Winters macht am Webeliner See auch wieder erlebbar, welcher Reichtum an gefiederten Bewohnern sich hier angefunden hat.
Der endlich beginnende Frühling lässt – nach einigen Rückschlägen – auch die Vogelwelt am Werbeliner und Grabschützer See südlich von Delitzsch erwachen. Die Kormorane beginnen mit dem Nestbau und die Möwen nehmen die Brutinseln in Beschlag. Auch der Seeadler wurde vor einiger Zeit bereits am Himmel beobachtet. Schon über den Winter waren etwa 3.000 Gänse als Dauergäste anwesend. Dazu kommen etwa 800 bis 900 Tafelenten, 300 Reiherenten, 1.200 Blässrallen und einige Taucherarten. Und nun kehren auch die zahlreichen Zugvögel aus ihren Winterquartieren zurück. Das Gebiet ist schon seit langem ein Hotspot für Ornithologen. Alle diese Gäste zeigen, wie wichtig das ehemalige Tagebaugebiet am Werbeliner und Grabschützer See für die Natur ist.
Und gleich nebenan betreibt der NABU Sachsen ein ambitioniertes Projekt: Auch die Schottischen Hochlandrinder (Highland) des NABU Sachsen haben den Winter am Grabschützer See verbracht. Durch die extensive Beweidung auf ausgesuchten Flächen wird die Verbuschung, insbesondere durch Sanddorn und Ölweiden, zurückgedrängt. Die savannenartige „offene“ Landschaft, mit Büschen, Hochstauden, offenem Boden und kurzem Weiderasen bietet ideale Bedingungen für zahlreiche geschützte und aus dem intensiv genutzten Ackerland verdrängte Vogelarten, wie beispielsweise Braun- und Schwarzkehlchen, Grauammer, Raubwürger, Neuntöter und Wiedehopf.
Und was jetzt noch fehlt, ist die Ausweitung des Schutzes auf benachbarte Flächen.
Hier soll der Natur freier Lauf gelassen werden, fachlich wird das als Prozessschutz bezeichnet. Auf der Hälfte der Fläche des geplanten Naturschutzgebietes bleibt jegliche Einflussnahme durch den Menschen künftig tabu. Das heißt, die Natur wird sich selbst überlassen. Dies bietet die Chance für den Erhalt und die Entwicklung von Biotopen und Lebensstätten störungssensibler Tierarten sowie gewässergebundener Tier- und Pflanzenarten, insbesondere sogenannte „Pionierarten“, die „rohes“ Land besiedeln.
„Seitens des NABU wird die Ausweisung als Totalreservat als außerordentlich wichtig angesehen“, betont Joachim Schruth vom NABU-Landesverband Sachsen.
Rückhalt für diese Pläne gibt es auch vonseiten der Regionalplanung. So sollen die Flächen des derzeit noch einstweilig gesicherten Naturschutzgebietes im Sanierungsrahmenplan für den Tagebaubereich Goitsche/Delitzsch-Südwest/Breitenfeld als Vorranggebiet Biotop- und Artenschutz ausgewiesen werden. Eine entsprechende Empfehlung hat die Verbandsversammlung des Planungsverbands Nordwestsachsen als zuständiges Gremium, bestehend aus gewählten Vertretern der betroffenen Landkreise, ausgesprochen.
Die Ausweitung des Schutzes am Werbeliner See fordern auch die Bürgerinnen und Bürger der Region. Beim Kommunikations- und Beteiligungsprozess im Rahmen der „Charta Leipziger Neuseenland 2030“ überwog bei den Anwesenden der Standpunkt, dass am Werbeliner See Vogel- und Naturschutz Vorrang haben sollte und die zulässigen Nutzungen sich dem unterordnen sollten.
Bei der Befragung im Landkreis Nordsachsen sprachen sich 59 Prozent der Befragten dafür aus, den Werbeliner See naturbelassen und naturnah zu gestalten. Beim Grabschützer See waren es 52 Prozent. Einen wie auch immer gearteten „Tourismus“ können sich am Werbeliner See nur 26 Prozent der Befragten vorstellen, am Grabschützer See gar nur 19 Prozent.
Zum Vergleich: Beim Cospudener See im Landkreis Leipzig waren die Befragungsergebnisse genau andersherum. 58 Prozent sprachen sich für (die falsche Vokabel) „Tourismus“ aus, 38 Prozent für Naturbelassenheit. „Tourismus“ ist deshalb falsch, weil es im Neuseenland praktisch keinen wirklich nachweisbaren „Wassertourismus“ gibt. Die Seen mit ihren Bade- und Erlebnisangeboten werden vor allem als Freizeitrefugium der Anwohner begriffen. Das hat aber mit Tourismus nichts zu tun.
„Wir als NABU appellieren dringend an die Verwaltung des Landkreises, die endgültige Festsetzung des Naturschutzgebietes voranzutreiben und noch vor dem Sommer 2018 abzuschließen“, betont Joachim Schruth.
Werbeliner See: Landratsamt und Polizei kontrollieren Naturschutzgebiet
Werbeliner See: Landratsamt und Polizei kontrollieren Naturschutzgebiet
Es gibt 2 Kommentare
Lieber m.k., der Werbeliner See ist bereits ein Refugium für seltene Tier- und Pflanzenarten, welche teilweise vom Aussterben bedroht sind. So zum Beispiel: Brachpieper, Kiebitz, Ortolan, Rohrdommel, Seeadler, Sperbergrasmücke, Steinschmätzer, Wespenbussard, Kreukkröte, Kammmolch u.v.m. Sie können dort auch zahlreiche weitere interessante Arten beobachten, die (noch) nicht vom aussterben bedroht sind, deren Bestandstrends aber rückläufig sind, bspw. Blaukehlchen oder Schwarzkehlchen. Auch bedrohte Säugetiere wie der Biber haben dorthin gefunden. Für Ornithologen gilt der Werbeliner See schon lange als sehr bedeutsames Rückzugsgebiet für viele Vogelarten. Und den Menschen gefällt es dort sehr gut, gerade weil es ein sehr schönes, ruhiges Gebiet mit viel Natur ist. Ich hoffe nur, auch andere Politiker und Beamte erkennen eines Tages, wie wichtig solche leisen und schönen Orte für Tiere, Pflanzen, aber auch für Menschen sind.
Noch einmal Dank an die Naturschutzbehörde von Nordsachen!! Eines Tages werden DORT die Refugien sein, wo seltene Tier- und Pflanzenarten sich ansiedeln und ruhesuchende Menschen der aufgedonnerten “Metropolregion” mit ihrem zum “Wassersportparadies” verkommenen Neuseenland sich zurückziehen und auf das besinnen können, was wirklich wichtig ist: Etwas für die Welt getan zu haben und sie am Ende womöglich sogar ein bisschen besser zu verlassen, als man sie vorgefunden hat. Ein Lehrstück darüber, was möglich ist, wenn Menschen, die für Naturschutz verantwortlich sind, entsprechend diesem Auftrag handeln.