Sichtlich überrascht zeigte sich im Februar der Linke-Stadtrat Sören Pellmann. Denn da wurde bekannt, dass CDU, CSU und SPD einen dicken Passus in ihren Koalitionsvertrag geschrieben hatten, der eine drastische Erweiterung der Frachtfluglanderechte am Flughafen Leipzig/Halle vorsieht. Ein Thema, bei dem sich zumindest die sächsischen CDU-Abgeordneten informiert zeigten. Die davon besonders betroffene Stadt Leipzig aber? Der Wirtschaftsbürgermeister hat jetzt geantwortet.

„Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist in Bezug auf den Flughafen Leipzig/Halle festgelegt worden: ‚Für den Flughafen Leipzig-Halle wollen wir die Frachtfluglanderechte erweitern und diesen generell als Landepunkt für den Luftfrachtverkehr in die assoziierten Dokumente und damit in die Luftverkehrsabkommen aufnehmen.‘“, schrieb Pellmann und formulierte dann sein Fragenpaket.

Und das Überraschende: Selbst Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht (CDU) war von dem Passus im Koalitionsvertrag überrascht. Hier hatten augenscheinlich Abgeordnete auf höherer Ebene wieder ihr eigenes Ding gemacht, ohne sich mit den Betroffenen abzustimmen. Was ja in Anfragen an diese Abgeordneten immer wieder deutlich wird: Sie betrachten den Frachtflughafen als ihr eigenes Infrastrukturprojekt und treiben ihn auf Landes- und Bundesebene immer weiter voran in der festen Überzeugung, dass mehr Frachtflugverkehr am Standort Leipzig irgendwie die wirtschaftliche Entwicklung der ganzen Region vorantreibt.

Und so stellt denn auch der Wirtschaftsbürgermeister nur trocken fest: „Die Anfrage nimmt Bezug auf den Koalitionsvertrag des Bundes. Die Stadtverwaltung Leipzig kann dies nur aus Kenntnisstand und Sicht der Kommune beantworten.“

Und was dann kommt, zeigt im Grunde, wie weit sich die Landes- und Bundespolitik längst von den regionalen Betroffenheiten entfernt hat. Man wohnt ja in Dresden oder München und muss den zunehmenden Nachtlärm nicht wahrnehmen.

Kann man eine gewisse Ernüchterung aus der Antwort des Wirtschaftsbürgermeisters herauslesen? Wahrscheinlich schon.

„Die Stadtverwaltung Leipzig hat die im Koalitionsvertrag benannten Vorhaben bezüglich des Flughafens Leipzig/Halle ebenfalls der Presse entnommen. Das Vorhaben war der Stadtverwaltung im Vorfeld nicht bekannt“, teilt er mit. Und: „Die Stadtverwaltung wurde in die Überlegungen zum Koalitionsvertrag des Bundes nicht im Vorfeld einbezogen. Es lagen keine Informationen oder Vorabinformationen beim Oberbürgermeister oder der Stadtverwaltung vor.“

Das hätte ein Bürgermeister in sozialistischen Zeiten auch nicht anders formulieren können. Die Entscheidungen werden irgendwo auf der Königsebene im kleinen Kreis getroffen. Die Betroffenen werden nicht einmal gefragt und müssen sich mit den Folgen der Entscheidungen abfinden. Eine Option zum Widerspruch oder gar Veto gibt es nicht.

„Welche Stellung bezieht die Stadtverwaltung zu den geplanten Erweiterungen?“, hatte Pellmann noch gefragt.

Und bekommt darauf nun die Antwort, auf die sich Leipzig seit 2007 zurückzieht, seit man irgendwie akzeptiert hat, dass Bund und Land mit dem Flughafen ihr eigenes Spiel spielen, bei dem die betroffenen Kommunen weder gefragt noch einbezogen werden.

Das klingt dann so: „Die Stadtverwaltung bekennt sich zum internationalen Flughafen Leipzig/Halle. Die im Entwurf des Koalitionsvertrags benannten geplanten Erweiterungen der Frachtfluglanderechte am Flughafen Leipzig/Halle müssen unter Wahrung des Lärmschutzes für die Anwohnerinnen und Anwohner erfolgen. Die Stadtverwaltung geht davon aus, dass die Festlegungen zum Lärmschutz am Flughafen Leipzig/Halle bei einer wesentlichen Veränderung des Flugverkehrsaufkommens am Flughafen Leipzig/Halle von der Landesdirektion überprüft und bei Erfordernis angepasst werden.“

Viel Hoffnung in einem Paket. Schon jetzt wird der Lärmschutz nicht gewahrt. Das hat auch Leipzig mit seiner Ein-Frau-Vertretung in der sogenannten Fluglärmkommission längst erfahren. Selbst gründlich durchdachte und wissenschaftlich untersetzte Anträge werden dort vertagt, verwässert oder einfach niedergestimmt, weil die Kommunen in dieser Runde immer in der Minderheit waren und geblieben sind. Ein Alibi-Kaffeekränzchen. Und dieselben Erfahrungen machen die Betroffenen inzwischen auch im „Dialogforum Flughafen“. Oder bei Besuchen im sächsischen Verkehrsministerium. Bestenfalls gibt es ein herablassendes Lächeln nach dem Muster: „Ihr wisst ja gar nicht, wovon ihr redet.“

Und auch bei der nächsten Frage war Leipzig nicht als Adressat vorgesehen. Die lautete: „Wurde die Stadtverwaltung durch die Bundesregierung um eine Stellungnahme zur Erarbeitung des Fluglärmberichtes gebeten und wenn ja, was beinhaltet diese?“

Antwort des Wirtschaftsbürgermeisters: „Die Bundesregierung hat die Stadt Leipzig nicht direkt um eine Stellungnahme zur Evaluation des Fluglärmgesetzes gebeten. Aus Sicht der Stadt Leipzig hat sich stellvertretend der Deutsche Städtetag zur Evaluation des Fluglärmgesetzes geäußert.“

Die Stellungnahme des Deutschen Städtetages.

Grüne fordern Verzicht auf die im Koalitionsvertrag geplante Ausweitung des Frachtflugbetriebs am Flughafen Leipzig/Halle

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