Ich gebe es ja zu. Wir haben uns hier im Hintergrund ein bisschen gekabbelt auch mit den Aktivisten gegen den Fluglärm rund um den Frachtflughafen Leipzig/Halle. Es ging um das sogenannte „Siedlungsbeschränkungsgebiet“, das im neuen „Regionalplan Leipzig-Westsachsen 2017“ des Planungsverbands Westsachsen deutlich größer werden soll. Die Frage war: Wird es größer, um noch mehr nächtlichen Frachtflugverkehr zu ermöglichen? Oder wird es größer, weil der Lärm schon da ist?

Dr. Lutz Weickert, einer der emsigsten Aktivisten gegen die ungeminderte Lärmbelastung der Anwohner, interpretierte auch die kurze Diskussion aufgrund einer Einwohneranfrage im Leipziger Stadtrat am 21. März so, dass hier augenscheinlich jemand das verlärmte Gebiet einfach schon mal vergrößern will, um künftig auch die chinesischen Frachtflüge ungehindert ein- und ausfliegen zu lassen.

Sein Bericht, wie er das in der Ratsversammlung am 21. März erlebte:

„Im Ergebnis einer Einwohneranfrage gab es dazu dank engagierter Stadträte eine Interessante Diskussion (siehe auch Videomitschnitt unten). Die Behandlung dieses Themas durch die Stadtverwaltung, aber vor allem die Antworten von OBM Jung machen einen als Bürger fassungslos. Hier ein Kurzauszug dieser knapp 30-minütigen Diskussion:

Auf Frage 4 der Einwohneranfrage: „Wird die Stadt Leipzig das bis 29. März 2018 laufende Beteiligungsverfahren nutzen und gegen die Erweiterung Einspruch erheben?“ antwortet Frau Dubrau (c. Stelle 3:34 des Mitschnittes): „NEIN, Die Stadt wird im Rahmen des Beteiligungsverfahrens keinen Widerspruch einlegen.“

Anfrage Stadtrat Geisler (SPD) (c. 3:41) „Das Thema ist bisher in keinem Gremium des Stadtrates behandelt worden“.

Antwort Frau Dubrau: „Das Thema kann ja nochmals behandelt werden.“

Anfrage Herr Volger/Grüne (c. 3:45) „Das ist ein Thema der Stadtverwaltung, also von Ihnen Herrn Jung. Warum ist das Verfahren so intransparent?“

Antwort Jung: „Klassisches Verfahren, das landet dann irgendwann in der Dienstberatung bei mir. Ich kenne bisher den Vorgang noch nicht.“

Schlusswort Herr Jung (c. 3:50): Klassisches Verfahren: Die Abgabe von Stellungnahmen zum LEP ist dem Stadtrat vorzulegen. Ich habe noch keine Meinung dazu.

Fazit: Der Stadtrat hat aufgrund der EWA das erste Mal von dieser auf Jahrzehnte wirkenden Siedlungsbeschränkung gehört, aber laut Antwort von Frau Dubrau wird die Stadtverwaltung bis 29.03. dieser Siedlungsbeschränkung zustimmen! Was ist das für ein Chaos in der Stadtverwaltung. Weiß hier nicht der OBM, was seine Ämter tun.

Und zum mehrfach von Herrn Jung zitierten Zeitdruck unter dem die Stadtverwaltung von Prof. Berkner gesetzt wird, folgendes: Die geplante Erweiterung des Siedlungsbeschränkungsgebietes ist Herrn Jung und Herrn Albrecht, als Aufsichtsratsmitglieder der MFAG bzw. des FLH seit über 2 Jahren bekannt und bereits in der 50. FLK-Sitzung am 06.04.2016 von Prof. Berkner vorgestellt worden (siehe Anhang). Vertreter der Stadtverwaltung bei dieser FLK-Sitzung Freifrau von Fritsch.

Und Herr Jung hat am Mittwoch das erste Mal davon gehört???“

***

Die letzte Frage ist natürlich berechtigt. Die Präsentation, in der Prof. Andreas Berkner, Leiter des Regionalen Planungsverbandes Westsachsen, die Erweiterung des Siedlungsbeschränkungsbereiches in der Fluglärmkommission vorstellte, stammt vom 6. April 2016. Die L-IZ erwähnte das damals zumindest und kommentierte es mit den Worten „Denn jetzt wird – mit zehnjähriger Verspätung – etwas angesprochen, was schon in der Planung der Startbahn Süd hätte verankert sein müssen.“

Denn die ursprüngliche Festlegung des Siedlungsbeschränkungsbereiches (in dem keine neuen Wohngebiete ausgewiesen werden dürfen) wurde noch vor Eröffnung der Startbahn Süd im Jahr 2007 festgezurrt. Das heißt: Sie bildete nur den vermuteten Fluglärm ab, nicht den realen.

Weshalb der regionale Planungsverband den Auftrag erteilte, die realen Lärmbelastungen rund um den Flughafen zu errechnen. Damit wurde das Büro Obermeier Planen + Beraten GmbH beauftragt. Und dass der neue Regionalplan jetzt ein deutlich größeres Siedlungsbeschränkungsgebiet ausweist, hat genau damit zu tun: Es ist die reale Dauerlärmbelastung mit 55 dBA, die im erweiterten Siedlungsbeschränkungsgebiet abgebildet ist.

Warum die Vertreterin der Stadt in der Fluglärmkommission das so nicht weitergab an OBM und Planungsbürgermeisterin, wird bestimmt ein verwaltungsinternes Rätsel bleiben.

Offiziell zur Kenntnis genommen hat die Stadt diese Veränderung erst, als sie – wie alle kommunalen Akteure – jetzt zur Stellungnahme zum Entwurf aufgefordert wurde. Diese Stellungnahme hat die Stadt jetzt fertig. (Link unterm Text)

Und der erweiterte Siedlungsbeschränkungsbereich wird vom Dezernat Stadtentwicklung und Bau auch besonders gewürdigt – aber nicht abgelehnt. Denn das macht ja keinen Sinn, wenn die Lärmbelastung in diesem Gebiet jetzt schon dauerhaft hoch ist.

Der Kommentar des Planungsdezernats zum Siedlungsbeschränkungsgebiet:

„Der derzeit gültige Regionalplan enthält bereits einen SBB. Im vorliegenden Entwurf soll dieser SBB erweitert werden. Der Regionale Planungsverband hat den erweiterten SBB auf Grundlage eines eigenen Gutachtens festgelegt. Grundlage dieses Gutachtens war die Verkehrsprognose 2020, die auch die Grundlage der Festsetzung des Nachtschutzgebietes in der Fassung des 7. Änderungsbeschlusses vom 17.07.2009 sowie der Festsetzung der Lärmschutzbereiche gemäß FluLärmG ist.

Die Stadt Leipzig fordert in der Stellungnahme, auch ein Szenario mit einer überproportionalen Belegung der nördlichen Landebahn zu prüfen und auf dieser Grundlage den Siedlungsbeschränkungsbereich auch nach Norden auszudehnen. Dieses Szenario würde einen Flugbetrieb abbilden, der eine geringere Lärmbelastung in den nördlichen Siedlungsbereichen Leipzigs durch eine geringere Nutzung der südlichen Landebahn bedeuten würde.

Unabhängig davon wurde geprüft, ob der SBB Auswirkungen im Hinblick auf die Siedlungsentwicklung in der Stadt Leipzig hat. Konkret von der Erweiterung des SBB sind bzgl. vorhandener Wohnbebauung nördliche Teile von Breitenfeld, Hohenheida-Süd, Gottscheina und der vorhandene Wohnblock Kossaer Str. 5-15 betroffen. Die genannten Flächen umfassen ausschließlich Grundstücke, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes oder im unbeplanten Innenbereich liegen. Diese sind bauplanungsrechtlich auf Grundlage des § 30 BauGB bzw. des 34 BauGB auch zukünftig für Wohnbebauung bebaubar.

Die im SBB liegenden Bebauungspläne, welche Wohnungsbau ermöglichen, wurden geprüft. Hierzu zählen die Bebauungspläne „Ortslage Breitenfeld“ (E-33) und „Mischgebiet an der Merkwitzer Str.“ (E-18). Aus Sicht der Stadtverwaltung gibt es dort keine Erweiterungsbedarfe. Änderungen in bestehenden Bebauungsplangebieten sind nach wie vor möglich, soweit die betreffenden Flächen bereits im verbindlichen Bebauungsplan für eine Bebauung vorgesehen waren, insbesondere wenn die Änderung zum Stadtumbau erfolgt.

Insofern besteht keine Notwendigkeit, diese Bereiche als Ausnahmeflächen in den Regionalplan aufzunehmen.

Um sich aktiv für eine Reduzierung der Belastungen der Leipziger Bevölkerung einzusetzen, wird sich die Stadt weiterhin aktiv im Rahmen der Fluglärmkommission für eine Verbesserung des aktiven Lärmschutzes am Flughafen Leipzig/Halle insbesondere gemäß RBV-650/11 einsetzen.

Die dort seit dem Jahr 2012 diskutierten und in der Umsetzung befindlichen Maßnahmen umfassen u. a. die Erarbeitung von Bahnnutzungsstrategien und lärmoptimierten An- und Abflugverfahren, Prüfung von Möglichkeiten zur Durchführung von Rollbewegungen der Flugzeuge am Boden im Nachtzeitraum durch Flugzeugschlepp sowie Verbesserung von Lärmschutzwänden zum Schutz vor Bodenlärm.“

***

Die letzten Abschnitte sind zumindest bedenkenswert. Wie attraktiv kann neue Wohnbebauung in einem Gebiet sein, das nächtens regelmäßig von Frachtfluglärm erfüllt ist? Es gibt zwar genehmigte Bebauungspläne – aber wer wird in solche neuen Häuser in Breitenfeld, Hohenheida und Gottscheina ziehen?

Und auch den Hinweis darf man nicht überlesen, dass der Stadt Leipzig die zwei vorgelegten Szenarien nicht genügen. Denn berechnet wurden nur zwei Szenarien: Das reale Ist-Szenario mit seiner 90-prozentigen Nutzung der Stadtbahn Süd im Nachtflugverkehr, das zu einer überproportionalen Verlärmung der südlich angrenzenden Siedlungsbereiche führt, und ein Szenario der gleichmäßigen Bahnverteilung, um das die Beteiligten ja nun seit Jahren vergebens kämpfen. Immer wieder gibt es neue Ausreden, warum das nicht geht.

Die Stadt Leipzig möchte aber auch gern noch ein drittes Szenario aufgenommen haben. In der Stellungnahme heißt es:

„Im Gutachten zur Neufestsetzung des Siedlungsbeschränkungsbereichs werden zwei Szenarien zugrunde gelegt, das Szenario ‚Reale Bahnnutzung‘ mit einer deutlich überproportionalen Belegung der südlichen Landebahn und das Szenario ‚Gleichmäßige Bahnnutzung‘. Aus Sicht der Stadt Leipzig ist auch ein Szenario mit einer überproportionalen Belegung der nördlichen Landebahn zu prüfen und auf dieser Grundlage den Siedlungsbeschränkungsbereich auch nach Norden auszudehnen. Dieses Szenario würde einen Flugbetrieb abbilden, der eine geringere Lärmbelastung in den nördlichen Siedlungsbereichen Leipzigs durch eine geringere Nutzung der südlichen Landebahn bedeuten würde.“

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Die Stadt wünscht sich also eher eine Verlagerung des nächtlichen Frachtflugbetriebs auf die Nordstartbahn. Eigentlich ein logischer Vorgang. Schon als die Ansiedlungspläne von DHL an der Südbahn bekannt wurden, gab es ja öffentliche Bedenken. Denn mit der schrankenlosen Nachflugerlaubnis hätte der DHL-Betrieb eindeutig an die Nordbahn gehört, wo deutlich weniger Siedlungsbereiche überflogen werden.

Da haben eine Menge Verantwortliche ihre Arbeit nicht getan, berechtigte Bedenken in den Wind geschlagen und Lösungen bis heute verhindert.

Jetzt kann man gespannt sein, ob überhaupt jemand auf das Leipziger Ansinnen reagiert, den Nachtflugbetrieb auf die Nordbahn zu verlegen.

Die einzelnen Punkte der Stellungnahme der Stadt Leipzig.

Das Siedlungsbeschränkungsgebiet am Flughafen Leipzig/Halle soll deutlich größer werden

Das Siedlungsbeschränkungsgebiet am Flughafen Leipzig/Halle soll deutlich größer werden

 

 

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