Als am Donnerstag, 22. Februar, in Leipzig das Bundesverwaltungsgericht über mögliche Fahrverbote in deutschen Städten verhandelte, fiel nur wenige Kilometer weiter ein Urteil, das genauso viel Aufmerksamkeit verdient hat. Da ging es nämlich um die Frage: Dürfen Tierschützer in Schweinemastanlagen Aufnahmen machen, die die ganze dortige Tierquälerei sichtbar machen? Die Gerichte vorher hatten geurteilt: Ja, dürfen sie. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg war in Revision gegangen.
In seinem mit Spannung erwarteten Urteil hat das Oberlandesgericht Naumburg nun am Donnerstag die Revision der Staatsanwaltschaft Magdeburg gegen den zweifachen Freispruch von drei Rechercheaktivist/innen verworfen, die 2013 heimlich in der Schweinezucht und -mast Sandbeiendorf Videoaufnahmen vom Leid der Tiere angefertigt hatten. Damit ist der Freispruch nun rechtskräftig.
In seiner Begründung unterstrich der Vorsitzende Richter, der von den Vorinstanzen erkannte rechtfertigende Notstand habe angesichts untätiger staatlicher Kontrollorgane eindeutig vorgelegen. Das Handeln der Angeklagten, um dem Rechtsgut Tierschutz zur Durchsetzung zu verhelfen, sei vollauf gerechtfertigt gewesen. Die drei Aktivisten hatten die Anlage im Juni und Juli 2013 nachts mit dem Ziel betreten, die Zustände zu veröffentlichen und so den nötigen Druck für eine staatliche Verfolgung aufzubauen.
„Wir begrüßen es sehr, dass in allen drei Verhandlungen zu dieser Sache das Leid von Schweinen als gewichtiger Notstand gewertet wurde“, sagte Erasmus Müller, einer der Angeklagten. „Trotzdem macht es mich traurig, dass sich für die Tiere in der Anlage kaum etwas geändert hat. Einige Sauen, die wir 2013 dort gesehen haben, sind wahrscheinlich immer noch am Leben. Aber während ich in den letzten vier, fünf Jahren sehr viel erleben konnte, haben diese Sauen nur den immer wieder gleichen Zyklus aus Kastenstand, Gruppenhaltung, Geburt und erneut Kastenstand durchgemacht – ohne jede Aussicht auf Veränderung. All diese Tiere werden ihres Lebens beraubt.“
„Das heutige Grundsatzurteil ist von weitreichender Bedeutung“, sagte nach dem Urteil auch Mahi Klosterhalfen, Geschäftsführer der Albert Schweitzer Stiftung. „Bislang war nicht abschließend gerichtlich geklärt, in was für einem juristischen Rahmen sich Tierschützer bewegen, die unbemerkt Aufnahmen in Ställen anfertigen. Die Zustände in der Anlage in Sandbeiendorf und das Versagen des Veterinäramts stehen für etliche Fälle, in denen Tierschützer auf diese Weise die grausamen Bedingungen in der sogenannten Nutztierhaltung ans Licht bringen.“
Das Urteil des Oberlandesgerichts bestätigt zugleich das Versagen der tierschutzrechtlichen Kontrollen durch die Veterinärbehörden. Die Kritik an dem ausdrücklichen Lob, das die Angeklagten vor dem Landgericht Magdeburg deshalb für ihr couragiertes Handeln erfahren hatten, wies der Richter abermals zurück. Niemand könne sich auf die Position zurückziehen, die Kontrolle des Tierschutzes in landwirtschaftlichen Betrieben sei Sache der Behörden, wenn diese Behörden ihre Aufgabe in der Praxis nicht erfüllten.
„Dieser Fall verdeutlicht einmal mehr, dass ein bundesweites Tierschutzverbandsklagerecht dringend nötig ist. Denn nur so kann die Arbeit von Veterinärbehörden kontrolliert werden“, erklärt Sandra Franz, Pressesprecherin von ARIWA. „Darüber hinaus ist solches Filmmaterial unabdingbar für einen ehrlichen gesellschaftlichen Diskurs über die Tierhaltung.“
Die Aufnahmen, die die Tierschützer 2013 in Sandbeiendorf gemacht haben, sprechen für sich. Sie sind so deutlich, dass mehr als nur ein mulmiges Gefühl aufkommt, wenn man bedenkt, dass genau so das Schweinefleisch für unsere Teller „hergestellt“ wird.
Die Aufnahmen sind drastisch. Vielleicht ist es falsch, sie nicht in all ihrer Drastik zu zeigen. Zwar nutzen viele TV-Magazine und auch Printmedien diese Bilder immer wieder, um diesen systematischen Tierskandal zu bebildern. Aber was sich tatsächlich ändern muss, sind die staatlichen Kontrollen, die Vorschriften für die Tierhaltung und natürlich unsere Einstellung zu unserer Ernährung. Denn das, was am Ende billig ist, ist für die Tiere eine elende Quälerei.
Animal Rights Watch e.V. (ARIWA) ist eine gemeinnützige, bundesweit tätige Tierrechtsorganisation. ARIWA deckt die Zustände in der Tierindustrie auf und fördert eine tierfreundliche, vegane Lebensweise. Die bundesweit verteilten Ortsgruppen führen Kampagnen und Aktionen gegen Tierausbeutung und für die Anerkennung von Tierrechten durch. Zahlreiche politische TV-Magazine sowie viele Print- und Onlinemedien nutzen regelmäßig von ARIWA zur Verfügung gestelltes Bildmaterial.
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