Es wird noch lauter am Flughafen Leipzig / Halle. Das kündigte Verkehrsminister Martin Dulig am Freitag, 19. Januar, an. Denn während die Flughafenanwohner seit zehn Jahren vergebens darum kämpfen, dass die Zusagen aus dem Planfeststellungsverfahren eingehalten werden, hat Sachsen schon mal den nächsten Vertrag mit China ausgehandelt.
Mit 1,14 Millionen Tonnen Luftfracht hat der Billigflughafen 2017 erstmals die Millionenmarke überschritten. Und künftig wird es noch mehr Fracht über den Köpfen der Leipziger geben.
„Der nunmehr 13. Frachtjahresrekord in Folge ist eine Erfolgsgeschichte, die wir fortschreiben wollen”, sagte Dulig am Freitag. “Als richtungsweisend sehe ich dafür das kürzlich unterzeichnete Memorandum of Understanding mit der chinesischen Provinz Hubei. Demnach wird der Leipzig/Halle Airport bei künftigen Frachttransporten aus Hubei eine strategisch wichtige Rolle spielen und generell den Wirtschaftsstandort Sachsen weiter stärken.“
Damit ist die Reihenfolge klar: Erst kommt die Wirtschaft. Und dann lange nichts.
Selbst in der Meldung des Dezernats Umwelt, Ordnung, Sport von Mittwoch, 17. Januar, wurde spürbar, dass es selbst im viel gepriesenen Dialogforum Flughafen Leipzig/Halle knirscht. Die Ergebnismeldungen klingen mittlerweile genauso wie die der saft- und kraftlosen “Fluglärmkommission”. Was natürlich an den eigentlichen Akteuren liegt, die eine Beschränkung der Flughafennutzung nicht wollen und dabei jede Unterstützung in den zuständigen Ministerien bekommen.
Allen voran dem Bundesverkehrsministerium, wo seit dem Sommer die eigentlich erfolgreiche Petition der Leipziger Fluglärmgegner ausgebremst wird.
Damit hat sich auch das Dialogform beschäftigt.
Die Bürgerinitiativen “Gegen die neue Flugroute” und “Gegen Flug- und Bodenlärm” hatten im Dialogforum, das eigentlich eingerichtet wurde, um endlich auch den Fluglärmbetroffenen ein Mitspracherecht einzuräumen, etwas ganz Simples beantragt: “Die Bürgerinitiativen ‘Gegen die neue Flugroute’ und ‘Gegen Flug- und Bodenlärm’ beantragen, das Dialogforum möge sich eindeutig zur Umsetzung o.g. Bundestagsbeschlusses bekennen und diese Forderung schriftlich an die Bundesregierung richten. Gleichzeitig möge sich das Dialogforum ebenfalls schriftlich mit der dringenden Bitte an den Petitionssauschuss des Deutschen Bundestages wenden, sich mit allen gegebenen Mitteln gegen die Auffassung/Aussage des BMVI und für die Umsetzung des Bundestagsbeschlusses einzusetzen.”
Im Sommer hatte der Bundestag mehrheitlich der Leipziger Petition stattgegeben, die auf den Verzicht der sogenannten kurzen Südabkurvung im täglichen Flugbetrieb zielte. Der Planfeststellungsbeschluss hatte die Route nur in Ausnahmefällen für kleine Flugzege bis 30 Tonnen vorgesehen. Doch die bundeseigene Flugsicherung hat diese Tatsache einfach ausgehebelt und schickt auch die schweren Frachter von DHL und andere Krachmacher über dieses Route über Auenwald und Stadtgebiet – mit erheblichen Lärmfolgen auch für Ortsteile wie Böhlitz-Ehrenberg und Burghausen-Rückmarsdorf.
Doch das Dialogform konnte sich in seiner Mehrheit nicht darauf einigen, den Antrag zu unterstützen.
Das klang dann in der Ergebnismeldung so: “Darüber hinaus beschäftigte sich das Dialogforum mit dem Sachstand zur Bundestagspetition der Leipziger Initiative „Gegen die neue Flugroute“ zur Beschränkung der kurzen Südabkurvung auf Fluggeräte mit 30 Tonnen Abfluggewicht. Der Deutsche Bundestag hatte am 29. Juni 2017 beschlossen, die Petition der Bundesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Trotz Nachfragen der Leipziger Bürgerinitiativen und der Stadt Leipzig gibt es noch keine Antwort der Bundesregierung. Im Auftrag von Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal wird sich die Stadt Leipzig unter Einbeziehung Leipziger Bundestagsabgeordneter weiterhin für eine abschließende Antwort einsetzen. Damit konnte sich das Dialogforum für die ‘Beschränkung der kurzen Südabkurvung’ einsetzen.”
Das Problem an Rosenthals Vorstoß: Die abschließende Antwort gibt es längst. Der Bundestag hat votiert, dass dem Anliegen der Petenten abzuhelfen ist. Das Verkehrsministerium hätte binnen sechs Wochen Vollzug melden müssen.
Stattdessen erlebte man, was in der Bundesrepublik augenscheinlich immer öfter zur Regel wird: dass sich ein Ministerium einfach über einen Bundestagsbeschluss hinwegsetzt und für sich einfach erklärt, die Petition sei nicht abgeschlossen. Es gibt keinen endgültigeren Abschluss für eine Petition als das Votum des Bundestages.
Logisch, dass Matthias Zimmermann, der für die Bürgerinitiative “Gegen die neue Flugroute” im Dialogforum mitarbeitet, darüber nachdenkt, den ganzen Bettel hinzuschmeißen, weil es eh nichts bringt: “Man wird doch wohl erwarten dürfen, dass in einem derartigen Forum wenigstens ein Minimalkonsens zu einem unstrittigen Bundestagsbeschluss erarbeitet werden kann. Dies ist offensichtlich nicht der Fall. Was soll dann noch diese Alibiveranstaltung? Denkt mal bitte darüber nach. Ich habe deshalb angekündigt, aus dem Dialogforum auszusteigen. Mittlerweile bin ich von verschiedenen Akteuren bedrängt worden, meinen Schritt nochmals zu überdenken. Ich denke darüber nach.”
Mit der Neuausrichtung des Dialogforums im Jahr 2013 hat man augenscheinlich das angestrebte Ziel verfehlt und sich stattdessen die Baufehler der “Fluglärmkommission” ins Haus geholt. “Kern der Neuausrichtung ist die Mitwirkung der Unternehmen am Standort des Flughafens”, beschreibt die Stadt den Sinn der damaligen Umformierung. “Unter Beteiligung von Vertretern der DHL am Standort Leipzig/Halle, des Flughafens Leipzig/Halle, des Bürgermeisters für Umwelt, Ordnung, Sport, des Bürgermeisters für Wirtschaft und Arbeit, Vertreter der Bürgerinitiativen, der Fraktionen im Stadtrat und der Ortschaftsräte setzen sich die Mitglieder des Dialogforums mit den im Spannungsfeld liegenden divergierenden Interessen des Flughafens und seiner Nutzer einerseits und denen der Anwohner des Flughafens andererseits auseinander.”
Nur sorgt die neue Mehrheit der Flughafennutzer nun dafür, dass selbst simple Appelle aus dem Dialogforum unterbleiben. Der Rest ist dann reine Schauveranstaltung, bei der der Flughafen zeigt, wie emsig er doch für die Interessen der Lärmbetroffenen arbeitet.
Das klingt dann so: “Die positiven Entwicklungen am Flughafen und die neue Fluglärmmessanlage waren die zentralen Themen des aktuellen Dialogforums Flughafen Leipzig/Halle.
Die Flughafen Leipzig/Halle GmbH realisiert umfangreiche Maßnahmen im Umwelt- und Schallschutz. Dies gelte unter anderem für den weiteren Ausbau des Flughafengeländes, konstatierte Johannes Jähn, Geschäftsführer der Flughafen Leipzig/Halle GmbH: ‘Auf der Fläche des Business Park Airport Ost wird ein normales Gewerbegebiet entstehen, für das ein Bebauungsplan erarbeitet wird. Deshalb wird dort keine Wartungsbasis für Flugzeuge angesiedelt. Triebwerksprobeläufe können demzufolge dort nicht stattfinden.’
Zudem wird der Umgang der Flughafen Leipzig/Halle GmbH mit dem Fluglärm transparenter, weiß Steffen Mäder. Der Leiter des Bereichs Lärm-/Umweltschutz der Flughafen Leipzig/Halle GmbH informierte über Grundlagen, Zuständigkeiten, Standorte und Betriebsweise der stationären und mobilen Fluglärmmessanlagen. Diskutiert wurden dazu die Berechnung der Dauerschall- und Maximalpegel, die Erfassung von Fluglärmereignissen sowie der Umgang mit auffallenden Lärmereignissen.”
Man ahnt, warum der Frust vieler wirklich engagierter Bürger im Land immer weiter steigt. Das Land wirkt wie ausgehöhlt, die Politiik völlig entkernt. Und die simpelsten Anliegen der Bürger werden von farblosen Ministerialbeamten abgebügelt, ohne eine Begründung. Ist eben so.
Silvesterknaller, Treuhandschatten, Sondierungs-Gerumpel und eine Stadt in der Nahverkehrs-Klemme
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Es gibt 2 Kommentare
Genau daran fühle ich mich auch immer öfter erinnert, egal ob Bundes-, Landes- oder Lokalpolitik. Wenn man mit einzelnen Akteuren spricht, ist schon das Wissen da, was eigentlich richtig wäre, aber abgestimmt wird dann ganz anders. Und der Mainstream der Medien plappert den Parteigranden nach dem Mund, die noch wesentlich weiter weg von den normalen Menschen sind, als es Wandlitz je war.
Lobhudelei, Unfähigkeit und Machtmissbrauch wie zu SED-Zeiten.
Wen wundert’s, dass selbst Engagierte so langsam die Lust verlieren.
Die Demokratie, wie sie momentan gelebt wird, hat keine Zukunft.
Schlimm.