„Schleusennutzung im Leipziger Neuseenland so hoch wie nie!“, meldete die Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland und verband das gleich mit einer Hitliste, als könnte sich Leipzigs meistfrequentierte Schleuse nun gleich mit berühmten Wasserschleusen in Erholungsregionen vergleichen. Als vergäße man in diesem Gremium einfach mal immer wieder, dass Leipzig gerade als Großstadt ziemlich einzigartig ist mit dieser Lage direkt in einer Auenlandschaft. Das hat keiner sonst.
Berlin an der Spree? Ist keine Flussaue mit verzweigten Gewässern. Da müsste schon der Spreewald in Berlin liegen. München mit der Isar? Mit den langsam fließenden Leipziger Auenflüsschen nicht zu vergleichen. Dresden mit der fetten Elbe kann man genauso vergessen wie Halle mit der einsamen Saale oder Hamburg mit der Alster.
Was die Sache mit der wassertouristischen Nutzung und dem WTNK in Leipzig so verzwickt macht. Es werden immer wieder Äpfel mit Pflaumen verglichen. Alle anderen derart strukturierten Flussauen liegen außerhalb urbaner Zentren – die Elbaue genauso wie die Saaleaue. Hinfahren. Gucken. Nachdenken. Der AHA lädt regelmäßig dazu ein. Auch andere Umweltvereine, die den Neugierigen zeigen, warum die Tiervielfalt in diesen Auen so groß ist. Und warum „Begradigungen“, „Kanalisierungen“ oder „Flussaufweitungen“ für solche Auen und ihre Bewohner so eine Katastrophe sind. Diese ganz besonderen Biotope hängen von Wasserreichtum ab, von wechselnden Wasserständen, und vor allem vom langsam fließenden Wasser, das da bleibt, das Tümpel, Seen und Schleifen bildet. Lebensraum. Und das nicht durchrast wie die Neue Luppe.
Leipzig hat mit der Elsteraue ein ganz besonderes Kleinod vor der Nase, wo andere Großstädter erst mal stundenlang hinfahren müssen. Deswegen ist der Nutzungsdruck auf diesen Auenwald so hoch. Und deshalb muss man vorsichtig sein mit all den Rekord-Meldungen.
Denn die erzählen nicht davon, dass Leipzig besonders klug mit seinen Auengewässern umgeht, sondern dass diese kleinen Wasserläufe im südlichen Auenwald Nadelöhre sind. Hier wollen sie alle durch, die da paddeln. Und die Zahlen an der Schleuse Connewitz steigen seit Jahren, weil immer mehr Leipziger die Freuden des Bootfahrens für sich entdecken. Es ist ja auch schön.
Am Freitag, 15. Dezember, gab die Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland die neuesten Zählergebnisse für die Schleuse Connewitz bekannt. Das ist das Nadelöhr, auf dem man über den Gewässerkurs 1 durch den Floßgraben zum Cospudener See kommt. Oder später über Kurs 5 zum Markkleeberger See oder über Kurs 6 die kanalisierte Pleiße hinauf nach Böhlen.
Der Bürgerdienst LE hat auch in diesem Jahr wieder detailliert gezählt und die Daten für die Nutzung der Schleusen in Connewitz und Cospuden für die Saison 2017 erhoben und vorgelegt.
Mit insgesamt 27.807 geschleusten Booten in den Schleusen Connewitz und Cospuden wurde der höchste Stand seit Beginn der Erfassung 2011 verzeichnet.
Die Schleuse Connewitz erreichte mit 19.340 geschleusten muskelgetriebenen Booten in der Betriebszeit zwischen April und Oktober 2017 einen neuen Rekordwert.
An der Kanuparkschleuse (über die es zum Störmthaler See geht) in Markkleeberg ist die Zahl von 1.943 geschleusten Booten geringfügig höher als im Jahr 2016.
Und dann versucht man den Vergleich, der so schrecklich falsch ist: „Im deutschlandweiten Vergleich liegt die Schleuse Connewitz mit 19.920 geschleusten Booten 2017 noch ein weites Stück hinter der verkehrsdichtesten Wasserstraße der Bundesrepublik – der Müritz-Havel-Wasserstraße mit 40.500 Booten an der Schleuse Diemitz oder 35.600 Booten an der Schleuse Canow (2016, WSA Eberswalde).“
Und man gesteht dann doch noch zu, wie sehr der Vergleich hinkt: „Die Vergleichbarkeit der Schleusen im Leipziger Neuseenland mit denen in anderen beliebten Wassersportrevieren ist nicht so leicht gegeben. Zum Beispiel ist die Lage zu (Groß-)Städten sehr verschieden, sowie die Verteilung der Nutzung zwischen muskelbetriebenen, motorbetriebenen Booten oder der Fahrgastschifffahrt ist sehr unterschiedlich. Teilweise gibt es in anderen Wasserrevieren auch noch Güterverkehr und nicht wenige heute überwiegend touristisch genutzte Schleusen bestehen aufgrund der aus der Frachtschifffahrt gewachsenen Gewässerinfrastruktur.“
Aber so richtig will man aus dem Rekorddenken nicht heraus.
„Dennoch ist die Schleusennutzung im Leipziger Neuseenland durchaus mit der in anderen Revieren vergleichbar und teilweise wesentlich höher! Beispielsweise passierten die Schleuse Hollerich (zwischen Lahnstein und Limburg) an der wassertouristisch beliebten Lahn 6.759 Boote, davon 5.160 muskelgetriebene Boote (2016). Die Stadtschleuse Brandenburg an der Havel (Sportbootschleuse) verzeichnete 13.052 geschleuste Boote insgesamt (2016), davon 3.456 muskelbetriebene Boote. In Königswusterhausen (Dahme-Wasserstraße) wurden 2016 insgesamt 16.715 Boote – davon 3.456 muskelbetrieben – durch die Neue Mühle geschleust.“
Das Wichtigste fehlt, wie man sieht: Die Feststellung, dass Leipzigs Wasserrouten mitten in der Stadt durch ein nach EU-Recht geschütztes Waldgebiet führen. Das ist bei keiner der anderen verglichenen Schleusen der Fall. Und das würde sehr viel Vorsicht bedingen. Doch die hat im Wassertourismus-Denken nur bedingt Platz. Was dann so klingt: „Das Leipziger Neuseenland liegt damit im grundsätzlichen deutschlandweiten Trend. Entsprechend der Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ‚Die wirtschaftlichen Potenziale des Wassertourismus in Deutschland‘ (in Bezug auf Bundeswasserstraßen, 2016) ist muskelbetriebenes Wasserwandern sehr beliebt und seit Jahren auf einem kontinuierlichen Wachstumskurs. Wassertouristische Infrastruktur, wie z. B. Ein-/Ausstiegsstellen, Biwakplätze oder Gastronomie erhöhen entsprechend dieser Studie die Potenziale für die wassertouristische Nutzung.“
Bundeswasserstraßen steht da. Nicht „wassertouristische Nutzung in geschützten Auen“.
Wobei immer auch zu berücksichtigen ist, dass die meisten Boote auf Leipzigs Gewässern ohne Genehmigung unterwegs sind. Leipzig hat es bis heute nicht fertiggebracht, ein Genehmigungsverfahren für die Bootsverleihe und Motorbootbesitzer zu entwickeln, die im Schutzgebiet unterwegs sind. Denn dazu bedarf es – weil es eine wirtschaftliche Nutzung ist – einer naturschutzfachlichen Verträglichkeitsprüfung, die es für das ganze WTNK bis heute nicht gibt. Da klingt es schon seltsam, wenn man freudestrahlend eine Steigerung der Schleusungen in Connewitz um 15 Prozent vermeldet, ohne die eigenen Hausaufgaben zu machen.
Zurückgegangen ist nur die Nutzung mit Motorbooten, denn dass deren Betrieb im südlichen Auenwald eigentlich komplett unzulässig ist, hat nun als Nachricht auch die Betreiber erreicht. Durch den Floßgraben geht es schon längst nicht mehr.
Da ist dann natürlich die Freude über die geplanten Rastplätze verhalten, auch wenn die Steuerungsgruppe jubelt: „Das Leipziger Neuseenland wird mit der Erhöhung der Qualität der Ausstattung des Gewässerverbunds Leipziger Neuseenlands die Attraktivität für Wasserwanderer erhöhen. Dazu dient unter anderem auch die heute vorgestellte Konzeption für Kanurast- und Kanu-Biwak-/Zeltplätze.“
Bevor es für die gewässertouristischen Nutzungen im WTNK keine umweltrechtlichen Verträglichkeitsprüfungen gegeben hat, weiß kein Mensch, wie viele dieser Nutzungen das Schutzgebiet Auenwald eigentlich verträgt, ohne dass es beeinträchtigt wird. Um diese Antwort mogeln sich die Meister des Gewässerverbundes bis heute herum und tun so, als ginge immer mehr auf den Kursen im Auwald und man könne einfach so weiter forcieren.
Solange es keine belastbare Umweltverträglichkeitsprüfung gibt, kann man die Rekordmeldungen nur mit Vorsicht genießen.
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Die Weisheit der Indianer bringt es auch für den Leipziger Auwald auf den Punkt: Erst wenn der letzte Baum gefällt, der letzte Fluss vergiftet (ausgebaut), der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.