Für FreikäuferSie heißen Maltitz, Eckersberg, Obertitz, Thümmlitz oder Prösitz – die Kleinstdörfer im Landkreis Leipzig. Meistens bekommt man sie gar nicht mehr mit, weil sie zu großen Gemeindeverbünden gehören. Rund 50 Menschen leben da im Schnitt, die Einwohnerzahlen gingen zurück. Und auch im Landkreis Leipzig kam kurz der Gedanke auf, ob man auch hier daran denken sollte, einige Dörfer einfach aufzugeben. Muss man gar nicht, zieht jetzt der Landkreis Bilanz.
Der Landkreis Leipzig hat eine Vielzahl von sogenannten Kleinstdörfern mit weniger als 100 Einwohnern, davon allein 35 mit weniger als 50 Einwohnern. Diese Kleinstdörfer standen im Fokus einer Studie, die den Entwicklungsstand und die Zukunftschancen dieser kleinen Ortslagen im Auftrag des Landkreises Leipzig und gefördert durch den Freistaat Sachsen näher untersucht hat.
Noch vor ein paar Jahren drohte im Landkreis vor allem kleineren Dörfern durch Wegzug, Überalterung der Einwohner und hohe Leerstandsquoten ein zunehmender Verfall. Regional differenziert wurde und wird beispielsweise in der Uckermark unter diesem Kontext auch die Aufgabe von Siedlungen diskutiert. Mittlerweile hat sich die Situation im Landkreis Leipzig vielerorts gewandelt.
Und daran hat auch wieder die Großstadt Leipzig eine Aktie. Das dortige Wachstum hilft selbst den kleinen Dörfern im Umland.
Schon eine Begehung aller Orte habe gezeigt, dass sich Problemlagen auf wenige Orte konzentrieren, stellt das Landratsamt jetzt fest. Belegt wird dies nun aber auch durch die im Rahmen der Studie durchgeführte Befragung von Einwohnern von zehn Kleinstdörfern. Denn eine Endzeitstimmung herrscht kaum irgendwo. Im Gegenteil.
Die Bewohner fühlen sich wohl in ihren Dörfern, schätzen im Besonderen die Nähe zur Natur, die zumeist ruhige Lage und ausreichend Platz zum Leben, ein attraktives Dorf- und Landschaftsbild aber auch die engen familiären und nachbarschaftlichen Verbindungen, die im Alltag oft hilfreich sind. Auf die zum Teil weiteren Wege zum nächsten Supermarkt, Arzt oder zur Schule sind die Dorfbewohner in ihren Kleinstdörfern eingestellt: „Wir haben seit je her die Brötchen im Nachbarort gekauft“, heißt es da.
Man liebt die Abgeschiedenheit sogar. Dinge wie die „dörfliche Wohnform“ und das eigene Grundstück sind wichtig.
Zudem wird die prosperierende Entwicklung der Stadt Leipzig mehr und mehr auch im Landkreis Leipzig spürbar, das hat sich auch positiv auf viele Kleinstdörfer ausgewirkt. Es werden auch hier wieder zunehmend leerstehende Häuser und Gehöfte saniert und von jungen Leuten bewohnt.
Die Situation im ländlichen Raum des Landkreises hat sich zum Guten gewendet, konstatiert das Landratsamt dann auch im Ergebnis der Studie, der auch ein ausführlicher Workshop-Prozess vorausging, in dem die Dörfler selbst sich äußern konnten zu dem, was ihnen wichtig ist und dem, was noch fehlt.
Um diese positive Entwicklung weiter zu unterstützen, sehen Einwohner und der Landkreis vor allem den Ausbau moderner Informations- und Kommunikationstechnologien (Internet) als zentrale Aufgabe bei der weiteren Gestaltung des ländlichen Raumes. Aber auch die Bereitstellung dorf- und verkehrsgerecht ausgebauter und beleuchteter Straßen, ein attraktives Radwegenetz für den Alltagsverkehr und die Schaffung bedarfsgerechter, flexibler ÖPNV-Angebote (inklusive Bushaltestellen) insbesondere für die älteren Bürger sowie Kinder und Jugendliche, die noch nicht oder nicht mehr Auto fahren können, sind für die Zukunft neben Kommunikationspunkten wie kleine (Spiel-)plätze wichtige Handlungsfelder.
Nicht zu vergessen die Mittelbereitstellung für den Erhalt des Ortsbildes. Denn viele dieser Dörfer sind auch ein wichtiger Bestandteil der Kulturlandschaft und werden von ihren Bewohnern auch deshalb geliebt, weil das Dorf noch intakt ist und keine oder nur wenige leerstehene Gebäude den Gesamteindruck stören.
Das Landratsamt in seiner Bilanz: „Um unsere Siedlungen im ländlichen Raum zu erhalten und weiter zu stabilisieren, bedarf es auch neuer innovativer Lösungen, um die Mindeststandards zum Beispiel bei der Sicherung der (technischen) Versorgung zu erhalten. Nicht nur die öffentliche Hand, auch jeder Einzelne ist – viel mehr als im städtischen Kontext – in Zukunft gefragt. Ordnung und Sauberkeit im öffentlichen Raum oder Nachbarschaftshilfe, Vereinsarbeit und persönliches Engagement tragen viel zur Erhaltung der Lebensqualität in den Kleinstdörfern bei.“
Und gerade weil die Dorfgemeinschaft überschaubar ist, ist der Weg aufs Dorf auch für viele junge Großstädter wieder attraktiv. Denn hier ist man auf Nachbarschaft angewiesen und erlebt, was Engagement wirklich bedeutet. Alles Dinge, die man in der anonymen Großstadt nur noch mit viel Kraft- und Zeitaufwand erleben kann.
Dennoch haben die Ersteller der Studie für viele Dörfer sehr niedrige Zukunftswerte errechnet. Oft spielt tatsächlich die leichtere Erreichbarkeit eine wichtige Rolle, ob sich neue Bewohner ansiedeln und Häuser kaufen.
Aber dem Ganzen liegen eben auch Bevölkerungszahlen von 2011 bis 2016 zugrunde. Die Leipziger Wachstumseffekte aber strahlen noch längst nicht über den ganzen Landkreis aus. Oft sind es die Dörfer, die sowieso schon in einer günstigeren Lage zur Großstadt oder zum Mittelzentrum sind, die zuerst wieder Einwohner gewinnen.
Alles andere wird die Zukunft zeigen. In der Kreisstadt Borna jedenfalls ist man zuversichtlich.
Keine Kommentare bisher