Es ist tatsächlich so: Das Bundesverkehrsministerium hatte keine Lust, den Bundestagsbeschluss zur Fluglärm-Petition umzusetzen. Und verzögerte auf gewohnt ignorante Weise, wie jetzt die Vertreter der Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ erleben mussten. Ein Mitarbeiter des Verkehrsministeriums formulierte die ministerielle Ablehnung – mit denselben alten Argumenten, mit denen man den Fluglärmbetroffenen nun seit 2008 begegnet.
Auch so kann man ganz amtlich einen Bundestagsbeschluss einfach aushebeln. Die Entscheidung der Flugsicherung von 2008, den Planfeststellungsbeschluss einfach auszuhebeln, wird im Schreiben mal wieder für rechtmäßig erklärt. Ist halt amtlich so entschieden. Und was Behörden entscheiden …
Was die Bürgerinitiative mit ihrer gut begründeten Petition ereicht hatte, war ein voll gültiges Votum des Bundestages. Der damit auch beschlossen hat, dass das Verkehrsministerium dem Übel binnen sechs Wochen abhelfen muss.
Aber Norbert Barthle, CDU-Mann und seit 2015 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, sah keinen Grund zum Tätigwerden. Lieber schrieb er einen Brief mit denselben alten Argumenten, die die Bürgerinitiative seit Jahren zu hören bekommt.
Da erinnert man sich mittlerweile mit einem seltsamen Gefühl an den 29. Juni 2017, als man gegen 22:45 Uhr mit großer Freude die einstimmige Bundestagsentscheidung pro Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses zur Abschaffung der kurzen Südabkurvung im Livestream verfolgte. Damit dürfte der Weg frei sein, dass die Route künftig nur noch mit einem Abfluggewicht von max. 30 t beflogen wird, mit max. 44 Überflügen in den 6 verkehrsreichsten Monaten des Jahres – glaubte man in der Bürgerinitiative jedenfalls.
„Unserer Bürgerinitiative liegt nun ein Schreiben des Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) vom 14.09.2017 an den Präsidenten des Deutschen Bundestages vor, in welchem das Votum des Petitionsausschusses und der entsprechende Bundestagsbeschluss abgelehnt werden. Das BMVI negiert/ignoriert darin alle Fakten und vor allem Beweisdokumente der Beschlussempfehlung“, kommentiert Matthias Zimmermann, Pressesprecher der Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ die neue Entwicklung. „Es versucht mit ‚Nebenschauplätzen‘ den eindeutigen, mit höchstem Votum abgeschlossenen, Findungsprozess des Petitionsausschusses infrage zu stellen, um damit den Bundestagsbeschluss doch noch auszuhebeln zu können. Hat dies Erfolg, wäre das nach unserer Kenntnis in dieser Art einmalig in der Geschichte des Petitionsausschusses.“
Der Brief wurde noch vor der Bundestagswahl geschrieben. Aber selbst das wäre ein peinlicher Vorgang, denn da war der Zeitraum, an dem der Verkehrsminister Alexander Dobrindt der Petition hätte abhelfen müssen, längst verstrichen.
„Eigentlich unglaublich. Zehn Jahre befasst sich der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages mit einem brisanten Thema. Er macht es sich nicht leicht. Recherchiert, diskutiert, argumentiert und kommt dann einstimmig zu dem Schluss, die Bürger haben Recht, sie müssen sich darauf verlassen können, was ihnen Politik und Verwaltung versprochen haben“, sagt Zimmermann. „Der Bundestag, das gesetzgebende Organ der Bundesrepublik Deutschland, als einziges Verfassungsorgan des Bundes direkt von den deutschen Staatsbürgern gewählt, sieht dies geschlossen ebenso, das umzusetzende Ministerium aber stellt sich quer.“
Man hatte sich schon gewundert, dass nach dem Bundestagsbeschluss einfach nichts passierte.
„Unsere Bürgerinitiative selbst hatte zwischenzeitlich schon mehrmals das BMVI um Zwischeninformationen gebeten, ohne Antwort. Jetzt wissen wir warum. Wegen der veränderten Zusammensetzung des Bundestages durch die Bundestagswahl konstituiert sich auch der Petitionsausschuss neu. Neue Berichterstatter der Parteien und neue Mitglieder im Petitionsausschuss, dazu eine Aktenlage zum Thema, die den Rahmen einer normalen Petition sprengt. Schnell wird dabei einer ‚plausibel‘ klingenden ablehnenden Stellungnahme eines Ministeriums entsprochen und von der Möglichkeit der Zurückweisung der Ablehnung kein Gebrauch gemacht“, macht sich Zimmermann so seine Gedanken über das Handeln des Dobrindt-Ministeriums.
„Hoffentlich noch rechtzeitig, um wirksam eingreifen zu können, ist uns das Schriftstück nun zugespielt worden. Von ersten Bundestagsabgeordneten aus dem Leipziger Raum haben wir Signale der Unterstützung bekommen. Ob ‚alte‘ Hasen oder Neueinsteiger, als Deckmantel einer Pseudo-Demokratie will sicherlich keiner sein Mandat verstanden wissen. Aber vielleicht ist das Schreiben ja auch nur die nicht abgestimmte Stellungnahme eines parlamentarischen Staatssekretärs. Zweifelhaft bleibt der Umgang mit dem Bürger aber allemal.“
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