Die Zufahrtswege werden bereits angelegt, auch die Informationstafel steht schon am Goethesteig. Bis 2018 wird die Pleiße an dieser Stelle schiffbar gemacht, verhindern doch „Störstellen“ den Bootsverkehr ab der Bahnbrücke bei Markkleeberg bis zum AGRA-Wehr. Die Baumaßnahmen sind nicht die ersten im Leipziger Auwald und vor allem werden sie nicht die letzten sein.

Denn sie bereiten nur weiteren, invasiven Eingriffen den Boden vor – hier in diesem Falle dem Kurs 5 im Touristischen Gewässerverbund im Leipziger Neuseenland. Die Idee dahinter: mit dem Boot vom Stadthafen in der Innenstadt über den Markkleeberger See bis zum Störmthaler See. Nun heißt es derzeit auf der Website markkleeberger-see.de: „Eine Freigabe der wassertechnischen Einrichtungen am Markkleeberger See für Motorboote und Jetski ist durch den Betreiber nicht vorgesehen“, aber Boote mit Elektromotoren dürfen bereits jetzt darauf fahren und diese werden auch an dieser Stelle der Pleiße dort entlangfahren, um in Zukunft über die geplante Mönchereischleuse vom See in die Pleiße zu kommen.

Leider haben auch Boote mit Elektromotoren einen entsprechenden Tiefgang, auch das so hochgelobte Leipzig-Boot,  „das speziell zum Schutz der flachen Leipziger Gewässer entwickelt wurde und wegen seiner leichten Bauart nur geringe Bugwellen entwickelt – um die Flora und Fauna der Uferbereiche zu schonen“. Jeder kann sich davon überzeugen dass dieses Boot zwar tatsächlich keine Bugwelle hat, aber irgendwohin muss das verdrängte Wasser dennoch und drückt so nach unten, wo der Druck die Sohle der Gewässer zerstört, damit wichtigen Lebensraum schädigt und einer Vertiefung der Sohle Vorschub leistet.

Das Gravierende daran: je tiefer die Leipziger Flüsse liegen, desto mehr trocknet der Boden aus, verschwinden Feuchtwiesen, kleine stehende Gewässer u. a. Lebensräume geschützter Arten, die auf Orte mit Grundwasserschwankungen und Hochwasser angewiesen sind. Und umso wahrscheinlicher wird es, dass der europaweit so einmalige Leipziger Auwald in wenigen Jahren, kein Auwald mehr sein wird, sofern die wasserbaulichen Pläne weiter verfolgt werden. Und dies bedeutet für viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten, die bereits jetzt schon vom Aussterben bedroht sind, dass es sie hier bald nicht mehr geben wird.

Aber damit das Leipzig-Boot bis zur Mönchereischleuse kommt (die noch gar nicht existiert), werden jetzt schon einmal die sogenannten „Störstellen“ beseitigt, die sich gebildet haben, weil die südlich von Leipzig verlaufende Pleiße begradigt wurde: damit erhöht sich die Fließgeschwindigkeit und es bilden sich Stufen. Diese Stufen müssen für ein Befahren mit Booten entfernt werden. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum einen den Bau einer Schleuse: der Höhenunterschied, der durch die Begradigung entstanden ist und den das Gewässer durch die Ausbildung kleinerer Stufen überwand, wird mit einer großen „Stufe“ bewältigt.

Zum anderen kann man die „Störstellen“ ohne eine teure Schleuse beseitigen. Sie würden sich jedoch mit der Zeit wieder bilden, also muss man den Grund des Gewässers befestigen (zubetonieren), damit das fließende Wassers gehindert wird, das zu tun, was ihm ureigen ist. Man könnte auch genau das nutzen, was dem Wasser ureigen ist: Selbst im nicht sehr breiten Umfeld der südlich von Leipzig gelegenen Pleiße könnte man dem Fluss Raum geben, damit er Mäander bilden kann, die den Weg für das Wasser verlängern und damit zu einer langsameren Fließgeschwindigkeit führen, also zur natürlichen Auflösung der „Störstellen“. Revitalisieren statt Einbetonieren!

Im Zeitalter der Wasserrahmenrichtlinien, die umzusetzen längst überfällig ist, sollten die bisher veranschlagten 1,7 Millionen Euro Steuergeld für eine Renaturierung der Pleiße in diesem Bereich eingesetzt werden, statt ihren Zustand durch die geplante Armierung noch mal massiv zu verschlechtern.

Und: die „Störstellen“ sind bewohnt. Auch wenn die Pleiße im entsprechenden Bereich den „Charme“ eines Kanals neben einer vielbefahrenen Bundesstraße hat, wurde dort in mehreren Monitorings in den Vorjahren die Grüne Flussjungfer nachgewiesen, eine Libellenart, die aufgrund der Schadstoffbelastung der Fließgewässer aus Mitteleuropa schon fast ganz verschwunden ist und auf der Roten Liste steht. Sie ist streng geschützt nach dem Bundesnaturschutzgesetz.

Die Grüne Flussjungfer legt ihre Eier an flachen Stellen im Fluss mit klarem Wasser ab (z. B. an „Störstellen“) und die Larven leben auf dem Boden im Flussbett, das jetzt ausgebaggert und danach befestigt werden soll. Die Grüne Flussjungfer wird es dann dort nicht mehr geben.

Laut Antwort des Sächsischen Ministeriums für Umwelt und Landwirtschaft am 19.02.2015 auf die kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfram Günther wurde darauf hingewiesen, dass der Ökolöwe (der Verein hatte 2014 das Vorkommen der Grünen Flussjungfer angezeigt) gebeten wurde, Unterlagen vorzulegen, inwiefern diese Art durch die „Durchführung weitergehender Arbeiten im Gewässerbett beeinträchtigt werden könnten“.

Dies wäre die richtige Gelegenheit gewesen, naturschützerische Einwände gegen die Störstellenbeseitigung vorzutragen und ggf. juristische Schritte in Erwägung zu ziehen. Ob und wie dies geschehen ist, ist uns nicht bekannt, zumindest wird nun gebaut wie geplant. In einer Antwort auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfram Günther vom 30.03.15 im Leipziger Stadtrat gibt man dies auch offen zu: „Hinsichtlich der Grünen Keileckjungfer“ äußerte die untere Naturschutzbehörde, „dass es zur Tötung von Larven kommen könne, was für das individuenbezogene Tötungsverbot gemäß §44 Abs. 1 Nr. 1 Bundesnaturschutzgesetz relevant sein könne. Auch das Schädigungsverbot von Fortpflanzungs- und Ruhestätten gemäß §44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG könne relevant sein.“

Die Behörde ist sich also bewusst, dass der Bauträger mit der „Störstellenbeseitigung“ (eventuell) gegen das Bundesnaturschutzgesetz verstoßen und den Lebensraum einer bedrohten Tierart komplett zerstören wird; sie weist sogar schriftlich darauf hin!

NuKLA geht es jedoch nicht nur um die Grüne Flussjungfer.

Im Rahmen dieser Baumaßnahmen soll die Pleiße vertieft werden, was bedeutet, dass das umliegende Gelände trockener fallen und die Fließgeschwindigkeit zunehmen werden. Auch stromabwärts wird sich deshalb als Folge die Pleiße weiter vertiefen. Die zu erwartende Bootsnutzung tut ein Übriges, um den Gewässerzustand zu verschlechtern. Aber auch dies nimmt man offenbar in Kauf.

Erste Landtagsanfrage von Wolfram Günther (Grüne) vom Januar 2015. Drs. 820

Zweite Landtagsanfrage von Wolfram Günther (Grüne) vom März 2015. Drs. 1104

NuKLA-Dokumentation zum Pleiße-Ausbau.

In eigener Sache: Abo-Sommerauktion & Spendenaktion „Zahl doch, was Du willst“

Abo-Sommerauktion & Spendenaktion „Zahl doch, was Du willst“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Es gibt immer wieder welche, die meinen, daß alles nicht so schlimm sei.
Es gibt auch immer wieder welche, die die Entwicklung ganz toll finden.
Abgesehen davon, daß die Kanalisierung der Pleiße nicht nur vermutlich rechtswidrig ist (die Larven der Libelle leben im Wasser und im Boden. Mit dem Boden werden auch die Larven beseitigt, so daß vielleicht die aktuelle Population den Eingriff überlebt. Der Nachwuchs aber getötet wird.)
Mit der Kanalisierung werden auch Nutzungen, wie die am Störmthaler See (natürlich auch rechtswidrig, vor allem ganz bewußt gegen den Willen der Menschen organisiert) irgendwann in der Pleiße fortgesetzt werden.

Schreiben Sie einen Kommentar