Die Fluglärmkommission des Flughafens Leipzig/Halle ist eine Black Box. Per Gesetz kann sie zwar einzelne Diskussionspunkte unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandeln. Aber sie hat sich eine Geschäftsordnung zugelegt, die jegliche Öffentlichkeit ausschließt: „Die Sitzungen der Kommission sind nicht öffentlich.“ Ein Geheimkabinett, das eindeutig nicht tut, wozu es eigentlich berufen ist.

Denn laut Luftverkehrsgesetz ist die Kommission vor allem „berechtigt, der Genehmigungsbehörde, dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung sowie der Flugsicherungsorganisation Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung gegen Fluglärm oder zur Verringerung der Luftverunreinigung durch Luftfahrzeuge in der Umgebung des Flugplatzes vorzuschlagen.“

Nicht mehr und nicht weniger.

Das erwarten logischerweise die Fluglärmbetroffenen von ihr. Und sie sind entsprechend entsetzt, wenn die Kommission wieder das Gegenteil beschließt und die Anträge der Fluglärmbetroffenen so behandelt, als wäre sie die Instanz, die zu bewerten hat, ob Fluglärmminderungen berechtigt sind oder nicht.

Zuletzt wieder in der Sitzung der Fluglärmkommission am 26. April, als auch die von der Stadt Leipzig beantragte Einführung von Lärmpausen behandelt wurde. Augenscheinlich kontrovers.

Im Protokoll aber heißt es lapidar: „Die konkreten Variantenvorschläge zur Genehmigungsänderung bezüglich der Einführung von Lärmpausen wurden kontrovers diskutiert und im Ergebnis mehrheitlich abgelehnt. Die mit den Varianten verbundenen Kapazitätseinschränkungen wurden im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Luftfrachtdrehkreuzes als nicht vertretbar eingeschätzt. Die vorgeschlagenen Varianten konnten im Hinblick auf wirksame Verbesserungspotentiale bezüglich der Fluglärmbelästigung nicht hinreichend bewertet werden. Eine unabhängige Studie zum Probebetrieb der Lärmpausen in Frankfurt zeigte, dass diese Pausen von der Bevölkerung im Nahbereich des Flughafens nur marginal wahrgenommen wurden. Eine tatsächliche Wirksamkeit ist somit nicht hinreichend erwiesen.“

Ein Passus, der möglicherweise rechtliche Folgen hat.

Denn eine Ablehnung von Lärmminderungsvorschlägen aus wirtschaftlichen Gründen steht der Kommission nicht zu.

Auch in der Geschäftsordnung der Kommission heißt es dazu eindeutig: „Zu diesem Zweck lässt sich die Kommission über die beabsichtigten und die getroffenen Maßnahmen, die sich auf den Fluglärm auswirken, unterrichten und schlägt der Genehmigungsbehörde sowie dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung und der Flugsicherungsorganisation Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung gegen Fluglärm und gegen Luftverunreinigungen durch Luftfahrzeuge in der Umgebung des Verkehrsflughafens Leipzig/Halle vor.“

Aber diese Aufgabe erfüllt die Kommission schon lange nicht mehr. Was an den Mehrheiten in dieser Kommission liegt. Die Fluglärmbetroffenen sind mit 10 zu 12 Mitgliedern in der Kommission gegenüber den Flughafenvertretern und Flughafennutzern in der Minderheit. Wobei völlig undurchsichtig ist, ob die Flughafenlobby nicht mit noch mehr Mitgliedern in den Sitzungen sitzt.

Darüber geben die Protokolle, die nicht den simpelsten Protokollstandards genügen, keine Auskunft. Schon dafür wäre eine sofortige Abberufung des langjährigen Kommissionsvorsitzenden Manfred Heumos überfällig.

Weder wird die Anwesen- oder Abwesenheit der Kommissionsmitglieder vermerkt, noch gibt es die simpelsten Informationen zu Abstimmungsergebnissen, außer dass mal „mit Mehrheit“, mal auch ohne die Anträge abgelehnt wurde. Denn schon Stimmengleichheit genügt, um Anträge scheitern zu lassen.

Nur: Reden darf darüber niemand. Die Kommission tagt nicht nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit, die Mitglieder sind auch noch zu Verschwiegenheit verpflichtet. Deutlicher kann man gar nicht machen, dass man gar nicht gewillt ist, öffentlich zu machen, wie sehr man gegen das eigene Statut verstößt.

Aber mit der Begründung zum Leipziger Antrag hat man eindeutig gegen die eigene Geschäftsordnung verstoßen. Wirtschaftliche Gründe dürfen nicht als Grund für Ablehnungen genutzt werden. Aber genau das wurde getan und als Ablehnungsgrund genannt: „Die mit den Varianten verbundenen Kapazitätseinschränkungen wurden im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Luftfrachtdrehkreuzes als nicht vertretbar eingeschätzt.“

Von wem eigentlich?

Während man die Entlastung der Lärmbetroffenen einfach vom Tisch wischte: „Die vorgeschlagenen Varianten konnten im Hinblick auf wirksame Verbesserungspotentiale bezüglich der Fluglärmbelästigung nicht hinreichend bewertet  werden. Eine unabhängige Studie zum Probebetrieb der Lärmpausen in Frankfurt zeigte, dass diese Pausen von der Bevölkerung im Nahbereich des Flughafens nur marginal wahrgenommen wurden. Eine tatsächliche Wirksamkeit ist somit nicht hinreichend erwiesen.“

Welche „unabhängige Studie“ da zurate gezogen wurde, wurde ebenfalls nicht vermerkt. Das grenzt schon an Irreführung.

Die Hessische Regierung zu den Lärmpausen in Frankfurt zitiert: „Die Lärmpausen sind ein Erfolg. Sie kamen praktisch seit dem ersten Tag mit einer sehr hohen Verlässlichkeit zur Anwendung. Der Lärm in der Stunde vor und nach dem Nachtflugverbot ist messbar weniger geworden. Und eine deutliche Mehrheit in der Region will, dass wir die Lärmpausen beibehalten. Genau das setzen wir jetzt um“, stellte die hessische Regierung nach dem ersten Praxistest der Lärmpausen fest.

Man wirft also Nebelbomben und lässt die Flughafennutzer mit ihrer seltsam hergestellten Mehrheit bestimmen, ob Lärmminderungsmaßnahmen am Flughafen nun genehm sind oder irgendwie den Profit schmälern. Mindestens einer, so stellt Matthias Zimmermann, Pressesprecher der Bürgerinitiativen „Gegen die neue Flugroute“ und „Gegen Flug- und Bodenlärm“ fest, hat also gegen seine Pflicht verstoßen: Manfred Heumos, der Vorsitzende der Kommission. Zimmermann hat beim Sächsischen Verkehrsministerium Anzeige gegen Heumos erstattet.

„Herr Heumos als Vorsitzender der FLK hätte, auch bei gegensätzlichen Meinungen von Mitgliedern der FLK zur Thematik, darauf hinwirken müssen, dieses auch an anderen Flughäfen/in anderen Ländern praktizierte Lärmpausenmodell der obersten luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsbehörde des Freistaates Sachsen für den Flughafen Leipzig vorzustellen“, stellt er in seiner Anzeige fest. Ob das Verkehrsministerium endlich reagiert, ist offen. Man duldet augenscheinlich lieber eine Kommission, die sich als ideales Instrument erwiesen hat, alle Anträge auf Lärmminderung abzublocken. Die Mehrheiten dazu hat man.

Nur in leidtragenden Städten wie Leipzig kommt dieses Gebaren immer schlechter an.

Die Kommission informiert nicht, erklärt nichts, macht nicht mal Alternativvorschläge. Und auch die Leipziger Vertreter in diesem Gremium (mutmaßlich ja nur eine Vertreterin) lässt nichts aus dieser Black Box verlauten.

Also wollen die Grünen im Leipziger Stadtrat jetzt wenigstens erfahren, wie Leipzig in diesem Gremium überhaupt argumentiert hat. Denn es kann ja nicht sein, dass die größte betroffene Stadt Anträge in dieser dubiosen Kommission stellt – und die werden von Leuten, die niemand kennt, einfach abgelehnt.

„In der letzten Sitzung der Fluglärmkommission am 26.04.2017 wurden alle Anträge der vom Fluglärm betroffenen Städte Leipzig und Schkeuditz in Bezug auf die Einführung von Lärmpausen und gleichmäßiger Bahnverteilung abgelehnt. Damit wurde am Flughafen Leipzig-Halle nicht einmal der Anfang gemacht, um in einem ergebnisoffenen und transparenten Prozess die Einführung von Lärmpausen zu prüfen“, stellen die Grünen dazu fest. Sie könnten auch die berechtigte Frage stellen, warum es so eine intransparente Kommission überhaupt gibt und ob sie in der jetzigen Form nicht längst abgeschafft gehört. Sie deuten das zumindest an. Denn mit rechtlichen Dingen kann das alles in der Fluglärmkommission nicht mehr zugehen. Sie wirkt wie ein Geheimkabinett aus den Tagen August des Allmächtigen.

Die Fragen der Grünen lauten ein bisschen anders. Man kann gespannt sein, ob sie wenigstens in der Leipziger Ratsversammlung einigermaßen substanziell beantwortet werden:

„Wie ist die Position der Stadtverwaltung zur Möglichkeit der Einführung von Lärmpausen am Flughafen Leipzig-Halle? Wie wird der Prozess der Einführung der Lärmpausen am Flughafen Frankfurt/Main bewertet?

Da der Weg über die Fluglärmkommission (FLK) keinen Erfolg gebracht hat, wird die Stadt sich an anderer Stelle, z. B. gegenüber dem Freistaat Sachsen und dem zuständigen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit für die Einführung der verschiedenen Varianten von Lärmpausen einsetzen?

Da es bisher wenig Erfolg gebracht hat, die Interessen der Fluglärmbetroffenen in Leipzig in der Fluglärmkommission zu vertreten und vorzubringen, welche anderen Möglichkeiten sieht die Stadtverwaltung außer der Fluglärmkommission?“

Die Anzeige gegen Manfred Heumos.

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