Die Frage war so zu erwarten. Die Antwort wohl auch. „Partizipiert die Stadt Leipzig an dieser Steigerung des DHL-Frachtvolumens und der damit verbundenen Gewinne?“, fragte Dr. Lutz Weickert in einer Einwohneranfrage die Stadt Leipzig. Das Wirtschaftsdezernat hat geantwortet. Motto: „Irgendwie schon. Nur nicht direkt.“

Denn wenn der Flughafen und seine Nutzer irgendwo Steuern zahlen, dann am Ort ihrer Ansiedlung. Das ist Schkeuditz im Landkreis Nordsachsen. Die Stadt Leipzig partizipiert an diesen Steuereinnahmen nicht, wie das Wirtschaftsdezernat erläutert: „Gemäß § 4 Gewerbesteuergesetz (GewStG) ist die Gemeinde hebeberechtigt, in der der Gewerbebetrieb ausgeübt wird. Das Unternehmen DHL hat seine Betriebsstätte auf dem Territorium der Stadt Schkeuditz. Somit wird das Unternehmen von der Stadt Schkeuditz zur Gewerbesteuer veranlagt. Folglich partizipiert die Stadt Leipzig nicht unmittelbar an der Steigerung des Frachtvolumens und der damit möglicherweise verbundenen zusätzlichen Gewinne.“

Aber irgendwie hat Leipzig doch irgendwas davon, dass der Flughafen funktioniert.

„Für die Stadt Leipzig ergeben sich indirekte Erträge“, betont das Wirtschaftsdezernat und führt die Wirtschaftsbedeutung des Flughafens im Bereich Logistik an: „Mit dem DHL-Hub ist die Region Leipzig/Halle als Logistikdrehkreuz und Wirtschaftsstandort mit einem europaweitem Alleinstellungsmerkmal vertreten. Direkt arbeiten über 4.400 Mitarbeiter am DHL-Hub, 800 neue Jobs erfolgten durch die Erweiterung. Im Nordraum Leipzig sind etwa 25.000 neue Jobs entstanden. Leipzig ist derzeit die deutsche Großstadt mit dem höchsten Beschäftigungswachstum.“

Das sind zwar lauter Äpfel und Birnen durcheinander. Aber 4.400 Arbeitsplätze bei DHL haben in der Region schon ein Gewicht. Auch wenn die kärgliche Antwort des Wirtschaftsdezernats im Grunde darauf hindeutet, dass niemand sich wirklich mit den finanziellen Effekten des Flughafens beschäftigt. Man gibt sich mit den oberflächlichen Zahlen zufrieden.

Auch bei der Leipziger Flughafenbeteiligung. Aber da wird es ganz burschikos, denn zum ersten Mal erklärt eine kommunale Instanz, dass der Frachtflugverkehr am Flughafen den Personenverkehr mit durchfüttert.

Fracht füttert Passagiere mit durch

„Als anteiliger Eigentümer profitiert die Stadt Leipzig von der Auslastung und Nutzung der Infrastruktur“, so das Leipziger Wirtschaftsdezernat. „Ohne DHL und Frachtflugverkehr wäre keine positive Umsatzrendite zu erwirtschaften. Indirekt sichert der Frachtverkehr den Personenflugverkehr.“

Was zum ersten Mal auch eine klare Ansage ist, was die Flughafenpolitik des Freistaats Sachsen betrifft. Mit dem Ausbau des Flughafens Dresden zum internationalen Passagierflughafen hat er dem Passagierflugbetrieb in Leipzig die notwendige Grundauslastung entzogen. Der Ausbau des Frachtbetriebs war augenscheinlich die notwendige Option, um den Leipziger Flughafen davor zu bewahren, dauerhaft nur noch rote Zahlen zu produzieren. Da wird das ganze Elend der mitteldeutschen  Kleinstaaterei sichtbar: Statt sich in den drei Bundesländern auf einen einzigen, attraktiven Flughafenstandort zu verständigen und die Gelder in dessen gute Vernetzung zu investieren, hat man seit 20 Jahren mit Mittel-, Klein- und Kleinstflughäfen gegeneinander konkurriert und am Ende zweieinhalb Flughäfen, von denen keiner die Puste hat, eine wirklich tragende Rolle für die ganze Region zu spielen.

Das kann man wirklich wirtschaftlichen Unverstand nennen.

Weickert hatte auch noch nach den zu erwartenden Mehreinnahmen für das Jahr 2016 für die Stadt Leipzig gefragt, die sich ja in der Flughafendiskussion meist so benimmt, als würden jedes Jahr große Millionenbeträge aus Richtung Flughafen in die Stadtkasse fließen.

Arbeitsplatzbeschaffungsprogramm im Norden

Aber das ist nicht der Fall, erklärt das Leipziger Wirtschaftsdezernat: „Da der Flughafen und auch DHL auf Gemarkung der Nachbarkommune Schkeuditz angesiedelt sind, entsteht in Leipzig vorrangig ein Mehrwert durch die luftfrachtnutzenden Unternehmen. Viel bedeutender dürften aber die deutlich verminderten Ausgaben bei Arbeitslosengeld, Sozialhilfe und der minder beanspruchten Kosten der Unterkunft (KDU-Leistung) ausfallen. Die Arbeitslosenquote befindet sich auf dem niedrigsten Stand seit 1991, erstmals unter 8 %. Vor den Ansiedlungsentscheidungen DHL, Amazon, Porsche & BMW hatte Leipzig über 20 % Arbeitslosigkeit, Bevölkerungsabwanderung, Schließung von Schulen und Abriss von Gebäuden zu verzeichnen. Unser Anliegen ist eine wirtschaftsfreundliche Stadtverwaltung, um diesen Weg weiter zu beschreiten.“

Womit Leipzigs Verwaltung ihre ganze Philosophie beim Umgang mit dem Thema dargelegt hat. Und vor allem die städtische Fixierung auf den Nordraum, wo man die großen Ansiedlungen gefeiert hat. Aber auch hier werden Äpfel und Birnen munter durcheinandergeworfen. Als die erwähnten Unternehmen ab 2005 ihren Betrieb aufnahmen, war in Leipzig von „Bevölkerungsabwanderung, Schließung von Schulen und Abriss von Gebäuden“ keine Rede mehr. Über den „Abriss von Gebäuden“ wurde diskutiert – aber nicht, weil noch welche abgerissen werden mussten, sondern weil die staatlichen Abreißer einfach nicht zu bremsen waren, obwohl die Bevölkerungszahl längst wieder anzog.

Was Weickert also bekommt, ist ein hübscher Einblick in ein Verwaltungsdenken, in dem die Märchen und Wissensstände munter durcheinandergehen, ohne dass auch nur eine einzige belastbare Zahl sichtbar wird, wie sich der Flughafen tatsächlich in die Leipziger Wirtschaftsstrategie einordnet. Die gibt’s wirklich. „Leipzig setzt mit seiner Wirtschaftsstrategie auf ausgewählte Zukunftsbranchen“, heißt es dazu auf der Homepage des Dezernats. „Arbeitsteilig verflochtene Unternehmen mit kurzen Wegen zu Ideenfabriken in Forschung und Entwicklung bilden die Knotenpunkte in einer Reihe von Netzwerken.“ Und der Flughafen gehört mit ins „Cluster Mobilität“. Da ist er einer der Big Player, auch wenn Bahn und Lkw noch viel mehr Frachtumschlag transportieren im Jahr.

Aber was da alles rollt und fliegt und was davon nur durchfließt oder wirklich in der Region produziert wird, keiner weiß es. So bleiben alle Zahlen schön unverbindlich. Und weil keiner die Zahlen hat oder auch nur haben will, bleibt die ganze Diskussion um den Flughafen im Diffusen und Wolkigen. Irgendwas bringt er ja. Irgendwie. Irgendwem.

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