Ganz tief in die Geschichte um die Südstartbahn des Flughafens Leipzig/Halle führt die Antwort, die Dr. Lutz Weickert auf seine Bürgeranfrage nun vom Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht bekommt. Der erklärt ihm jetzt nämlich per Brief, dass Vorgaben aus Planfeststellungsbeschlüssen überhaupt nicht verbindlich sein müssen. Und das sei doch schon seit 2006 klar.

Weickert versucht nun schon seit Monaten herauszubekommen, warum die im Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der Start- und Landebahn Süd am Flughafen Leipzig/Halle 2004 festgeschriebene Gleichverteilung der Bahnnutzung in der Nacht nicht umgesetzt wurde. Seit Ende 2015 geistert ja die Information durch die Lande, dass vor allem fehlende Sicherheitstechnik verhindert, dass in der Nacht beide Start- und Landebahnen gleichmäßig genutzt werden können.

Bürger verlassen sich ja gern darauf, dass auch Gesetz ist, was in Planfeststellungsbeschlüssen steht. Dazu werden die Papiere ja öffentlich ausgelegt, die betroffenen Bürger können Stellung nehmen. Zumindest, wenn sie wissen, dass sie betroffen sind und ihre Gemeinde ebenfalls. Aber es stand natürlich keine der heute praktizierten „kurzen Abkurvungen“ im Plan, etwas, was die betroffenen Bürger auch im Leipziger Nordwesten wohl sogar zu Recht kritisieren. Nicht unbedingt aus den Gründen, die sie anführen – aber dafür können sie ja nichts. Denn sie können ja nicht nachträglich ändern, was im Planfeststellungsbeschluss falsch war. Und dass der Planfeststellungsbeschluss an einigen Stellen deutliche Schwächen hat, das monierte auch genau jenes Gerichtsurteil, mit dem Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht jetzt das Ansinnen von Dr. Lutz Weickert vom Tisch wischt.

Die Bahnverteilung könne nicht in einen Planfeststellungsbeschluss festgeschrieben werden, meint er, das sei allein Hoheit der Deutschen Flugsicherung GmbH. Der war die nächtliche Ruhestörung im Gebiet seit Aufnahme des Betriebs auf der Südbahn im Jahr 2007 herzlich egal. Dass sie – um die Starts und Landungen in der Nacht gleichmäßig verteilen zu können – noch extra Sicherheitstechnik braucht, hat sie dann auch erst 2015 zugegeben, nachdem das Thema gleichmäßige Bahnverteilung nun seit Jahren auch die Fluglärmkommission beschäftigt.

Vielleicht hat sie – wie Albrecht – einfach an das Gerichtsurteil vom 2006 gedacht, wo dann – unter Dutzenden anderer Punkte – nachzulesen steht: „Die Kläger können auch nicht beanspruchen, dass der Beklagte eine gleichmäßige Verteilung der Flugbewegungen auf beide Start- und Landebahnen sowie An- und Abflugverfahren mit möglichst steilem An- und Abflugwinkel vorschreibt. Der Beklagte ist für den Erlass solcher Anordnungen nicht zuständig. Die Verteilung des Flugverkehrs ist nach § 27c Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1a und b LuftVG Aufgabe der Flugsicherung, d.h. der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS), die Festlegung von Flugverfahren nach § 27a Abs. 2 Satz 1 LuftVO (Luftverkehrs-Ordnung) Sache des Luftfahrt-Bundesamtes. Mehr als einen Appell an die DFS, bei ihren Ermessensentscheidungen aus Gründen des Lärmschutzes den Grundsatz der hälftigen Verteilung der Flugbewegungen anzustreben (PFB A II. 4.7.6., S. 34), und die Verpflichtung der Beigeladenen, der Fluglärmkommission halbjährlich über die Einhaltung der Auflage A II. 4.7.7. zu berichten (PFB A II. 4.7.7., S. 34), kann der Beklagte nicht aussprechen. Die Sorge der Kläger, der nächtliche Expressfrachtverkehr werde wegen der Situierung der Anlagen zum Umschlag des Frachtguts die Start- und Landebahn Süd bevorzugen, wird durch den Vorbehalt der Anordnung weiterer Auflagen zum Nachtschutz (PFB A II. 4.9.2., S. 35) abgefedert. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung angekündigt, von diesem Vorbehalt im Bedarfsfall Gebrauch zu machen.“ (Absatz 80)

Die Klage, die da 2006 am Bundesverwaltungsgericht verhandelt wurde, war gründlich vorbereitet worden und hat so ungefähr alles zumindest angetippt, was bis heute für Ärger sorgt – von der fehlenden Naturschutzprüfung bis zur Frage nach den überflogenen Siedlungsgebieten.

Und auch da machte der Planfeststellungsbeschluss Versprechungen – nicht nur was Flugrouten betrifft, sondern sehr eindeutig auch, was nicht überflogene Siedlungsgebiete betrifft. Darauf wies das Gericht in seinem Urteil explizit hin: „Die Verschwenkung der Start- und Landebahn Süd beseitigt im Übrigen nicht nur einen vorausgesagten Kapazitätsengpass, sondern kann auch für sich in Anspruch nehmen, dass sie – erstens – den sicherheitsrelevanten Missstand behebt, dass sich in der Hauptbetriebsrichtung West die Abflugwege und in der Betriebsrichtung Ost die Anfluggrundlinien der beiden Bahnen in geringer Entfernung zum Flughafen schneiden, – zweitens – dafür sorgt, dass beim geradlinigen Endanflug der dicht besiedelte Norden der Stadt Leipzig und geschlossen bebaute Gebiete im Süden der Stadt Halle nicht mehr überflogen werden (PFB S. 165).“ (Abschnitt 48)

Das konnten und mussten alle Betroffenen genau so lesen: Die Verschwenkung der Südbahn sorgt dafür, dass die An- und Abflugrouten der nächtlichen Expressflieger weder den „dicht besiedelte Norden der Stadt Leipzig“ noch „geschlossen bebaute Gebiete im Süden der Stadt Halle“ überfliegen.

Ein Thema, dass dann die Flugsicherung völlig anders sah und beide Gebiete mit kreativen Flugrouten („kurze Abkurvungen“) überfliegen ließ. Die Stadt Halle hat sich diese Unverfrorenheit mittlerweile verbeten – die Stadt Leipzig noch nicht.

Das Gericht interpretierte die Verschwenkung der Südbahn also eindeutig als eine bauliche Festlegung, die das Überfliegen dicht besiedelter Gebiete verhindern sollte.

Das Bundesverwaltungsgericht wies die Klage zwar seinerzeit ab, verpflichtete die Flughafenbetreiber aber, den „Nachtflugbetrieb, soweit es nicht um Frachtflüge zum Transport von Expressgut geht“, deutlicher zu beschränken. Was natürlich schwierig ist, wenn fast alles, was da nachts bewegt wird, Expressgut ist.

Der Mangel lag also – so das Bundesverwaltungsgericht – schon in der Planung.

„Die Abwägungsfehler sind nicht nach § 10 Abs. 8 Satz 1 LuftVG unbeachtlich. Sie sind offensichtlich, weil sie sich aus dem Planfeststellungsbeschluss selbst ergeben. Sie sind auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Da nichts dafür spricht, dass für sämtliche Verkehrsarten ein unbeschränkter Nachtflugbetrieb zugelassen werden kann, ist es nicht nur konkret möglich, sondern sogar überwiegend wahrscheinlich, dass ohne den Mangel die Planung anders hätte ausfallen und ein beschränktes Nachtflugverbot hätte verhängt werden müssen“, stellte das Gericht fest. (Absatz 77)

Die Stadt Leipzig – so Uwe Albrecht – wolle sich in der Fluglärmkommission weiter für eine gleichmäßige Bahnverteilung einsetzen. Ein Ergebnis aber sei „zeitnah nicht zu erwarten“, weil erst „alle am Nachtflug Beteiligten“ sich auf eine Variante verständigen müssten. Dann könne man die Kosten beziffern und entsprechend handeln.

Die Antwort an Dr. Lutz Weickert.

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