Die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor, aber es sieht ganz so aus, als hätte das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bautzen wieder einmal die Kurve gekriegt und eine Formulierung gefunden, mit der die Klage der Grünen Liga gegen die Kurze Südabkurvung in Leipzig abgeschmettert wird. Am Freitag, 23. September, wurde zumindest das Urteil bekannt.

Was nach drei Jahren Wartezeit nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Grüne Liga klagen darf, zumindest die Initiativen gegen Fluglärm überraschte. Denn der Verlauf der Verhandlung in Bautzen sah keineswegs nach einem solchen Urteil aus. Immerhin wurde in der Verhandlung am 16. September sehr ausführlich über die tatsächliche Belastung der Leipziger Auensysteme durch den Fluglärm der kurz mal abkurvenden Flugzeuge berichtet. Und viele dieser Flugzeuge fliegen deutlich unterhalb von 600 Metern über der Aue, der Grenze, die das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) als Untergrenze bestimmt hatte.

Tatsächlich erfolgten viele Überflüge bei Erreichen des Auenwaldes im Bereich von 362 und 636 Metern, wie die Grüne Liga messen konnte. Der Grund ist simpel: Die Flugzeuge befinden sich so kurz nach dem Start und der scharfen Kurve Richtung Süden noch in der Steigphase. Der Auwald wird schon nach sechs Kilometern erreicht. Entsprechend hoch ist die Lärmbelastung im betroffenen Gebiet, das sich bis nach Böhlitz-Ehrenberg erstreckt und damit einen Ortsteil ereicht, der im Planfeststellungsbeschluss von 2004 überhaupt nicht berücksichtigt wurde.

Also ist das Anliegen der Grünen Liga nur logisch, zu fordern, dass alle beabsichtigten Flugrouten in einem Planfeststellungsbeschluss verankert und naturschutzrechtlich geprüft werden müssen, was mit den diversen Nord- und Südabkurvungen vom Flughafen Leipzig/Halle schlicht nicht passiert ist.

Da aber die Begründung des OVG Bautzen für sein jetzt erfolgtes Urteil aussteht, bleibt auch Matthias Zimmermann, Pressesprecher der Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ nur die Ratlosigkeit.

„Obwohl das Bundesverwaltungsgericht im Dezember 2013 festgestellt hat, dass ‚Flugrouten vor ihrer Festlegung darauf geprüft werden (müssen), ob ihre Benutzung geeignet ist, Gebiete zum Schutz von Natur und Landschaft erheblich zu beeinträchtigen‘, entschied Sachsen anders. Die Klage der Grünen Liga Sachsen e.V. wurde abgewiesen und dies verwundert nach dem Prozessverlauf vor einer Woche doch sehr“, stellt er fest und vermutet nun, hier hätten Befürchtungen der deutschen Flughafenlobby letztlich den Ausschlag gegeben.

„Bei einer Entscheidung zugunsten der Klägerin hätten künftig deutschlandweit gegebenenfalls die Verbände und möglicherweise auch die betroffenen Anwohner im Verfahren zur Festlegung von Flugrouten beteiligt werden müssen, sofern durch Flugrouten negative Auswirkungen auf FFH-Gebiete und Europäische Vogelschutzgebiete möglich erscheinen. Dies durfte aber offensichtlich nicht sein“, vermutet Zimmermann. „Wie das OVG Bautzen die Kurve gekriegt hat, den Rüffel des Bundesverwaltungsgerichtes auszumerzen, bleibt der Analyse der noch nicht vorliegenden Urteilsbegründung vorbehalten. Aber damit nicht noch einmal so ein ‚Ausrutscher‘ wie 2013 passiert, lässt das höchste Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Freistaat Sachsen vorsorglich eine Revision nicht zu!“

Zimmermann sieht hier die Bundesrepublik Deutschland als Beklagte am Werk, um ein für sie ungünstiges Urteil abzuwenden. Denn in der Verantwortung für die Flugrouten steht das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF). Aber es scheint wie bei so vielen Fällen zu sein, wo Bundesbehörden eigentlich Aufsicht führen sollen darüber, dass Umweltstandards eingehalten werden – wenn es drauf ankommt, ist auf einmal das Gewicht „der Wirtschaft“ größer – man denke nur an die seltsam weiche Haltung der Bundesbehörden gegenüber Pharma- und Autokonzernen.

Zimmermann sieht in Sachen Flughafen und Flugsicherung eine ähnliche Interessenlage am Werk: „David hat gegen Goliath verloren, das Bibel-Gleichnis taugt halt nur für Idealisten. Ein ungleicher Kampf scheint zu Ende. Auf der einen Seite die um die Umwelt besorgten Bürger und Vereine, die im Glauben an eine der Grundprinzipien marktwirtschaftlicher Ordnung – Verlässlichkeit und Rechtstreue – aus ihrer Privatschatulle den Erhalt von Schöpfung und Natur sowie seinerzeit gemachte Zusagen einklagen. Auf der anderen Seite das Zusammenspiel Lobby infiltrierter Politik mit den von ihr kontrollierten Verwaltungs- und Behördenapparaten, die sich nicht nur anmaßen, die alleinige Deutungs- und Interpretationshoheit von Gesetzten, Verordnungen und Gutachten zu haben, sondern zugleich durch den Geldfluss des Steuerzahlers (bekanntlich tritt im Fall des Flughafens Leipzig/Halle das Land Sachsen als Genehmigungsbehörde und als Flughafenbesitzer in einer Person auf) solange prozessieren können, bis dem Gegner die Luft ausgeht.“

Er sieht es auch im Zusammenhang mit dem Agieren der Bundesregierung bei den beiden Freihandelsverträgen mit den USA und Kanada. Hier werde deutlich, welche Rolle Flughäfen künftig im Verständnis dieser Verträge spielen: „Das umstrittene TTIP will/soll sogenannte ‚nichttarifäre Handelshemmnisse‘, also wettbewerbsverzerrende Dienstleistungen, beseitigen. Die EU-Kommission hat im Bereich des Luftverkehrs operative Beschränkungen auf Flughäfen bereits als nichttarifäre Handelshindernisse ausgemacht.“

Für ihn ist die Entscheidung des OVG eine rein politische Entscheidung.

Seine Hoffnung setzt er nun auf die eher wankelmütige Leipziger Stadtverwaltung.

„Bekanntermaßen gibt es einen Stadtratsbeschluss, der die Stadtverwaltung auffordert, dass die kurze Südabkurvung komplett abgeschafft wird“, sagt Zimmermann. „Auch OBM Jung hat sich diesbezüglich mehrfach geäußert. Bisher hat sich die Stadt immer hinter der noch nicht entschiedenen Klage versteckt. Jetzt kann sie beweisen, wie ernst ihr das Votum der Stadträte ist. Insofern ist nach diesem Urteil die Stadt Leipzig gefordert. Wir werden jedenfalls diesbezüglich nicht locker lassen.“

Der Prozessbericht der Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ vom 16. September 2016.

Pressemitteilung der Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ zum Urteil vom 23. September 2016.

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