Manchmal muss man auch als Oberbürgermeister ein bisschen Werbung für seine Stadt und ihre spannende historische Umgebung machen. Auch bei den eigenen Stadträten. Für Grimma gilt in diesem Fall praktisch dasselbe wie etwa für Leipzig: Die Stadt liegt mitten in einer seit Jahrtausenden besiedelten Kulturlandschaft. Einige der Funde sind diesmal 4.000 Jahre alt.
Im Juli lud Grimmas Oberbürgermeister Matthias Berger die Mitglieder des Stadtrates und die Ortsvorsteher auf eine Reise in die nähere Grimmaer Umgebung ein. Mit der Kleinbahn Schlendrian ging die Fahrt entlang bedeutender archäologischer Ausgrabungsstätten zwischen Nauberg, Mutzschen und Wermsdorf. Die Vertreter des Landesamtes für Archäologie, Dr. Thomas Westphalen, Dr. Wolfgang Ender und Dr. Sven Conrad, präsentierten die Ergebnisse der Grabungen und standen fachlich Rede und Antwort.
Mehrere Jahre gruben die Landesarchäologen rund um das Jagdschloss Wermsdorf im Vorfeld der Umgehungsstrecke der S 38. Dabei haben sie mehrere vielversprechende Grabungsstellen eingekreist.
Im Bereich der südlich und östlich der Schlossanlage Wermsdorf verlaufenden Umgehungsstrecke gab es einige spätmittelalterliche sowie neuzeitliche Befunde, wie eine hölzerne Wasserleitung, welche einen Teich und vermutlich auch die Fontänen im Schlosspark speisten. Unter dem Horstseedamm konnten alte Ablassbauwerke freigelegt werden. Im Seegrund gefundene Bohlen verwiesen in die Zeit des Siebenjährigen Krieges.
Was ja noch kein großer Sprung in die Geschichte ist.
In den Wäldern des Lindigt sind noch Grabhügel aus der Bronzezeit (um 1.000 v. Chr.) zu sehen.
Großflächige archäologische Ausgrabungen gab es in Göttwitz und am Mutzschener Berg im Zusammenhang mit dem Ausbau der S38 zwischen Mutzschen und Wermsdorf, und dem Bau des neuen Kreisverkehrs südlich der ehemaligen Pappelschänke in den Jahren 2012/2013 durch das Landesamt für Archäologie. Siedlungsgruben mit Scherben aus der mittleren Jungsteinzeit (um 4000 v. Chr.), Vorratsgruben aus der frühen Bronzezeit (um 2000 v.Chr.), Gruben, Werkplätze und Pfostengruben der jüngeren Bronzezeit (um 1000 v.Chr.) sprechen dafür, dass die Gegend aufgrund der fruchtbaren Lössböden immer wieder besiedelt gewesen sein muss.
Und Sachsen hat sogar sein eigenes Sonnenobservatorium, auch wenn es nie so eine Furore gemacht hat wie das Sonnenobservatorium Goseck in Sachsen-Anhalt.
Von solcher herausragenden Bedeutung ist nämlich die gefundene hölzerne Pfostenanlage am Mutzschener Berg. Es ist eine ringförmige Anlage aus vier dicht gestellten Pfostenkreisen, die möglicherweise für astronomische Beobachtungen um 4.000 v. Chr. genutzt wurde.
2012 und 2013 war hier gegraben worden. 81 Pfostengruben hat man gefunden. Von über 1.000 geht man aus. Eine Palisadenanlage war es eher nicht. Dazu standen die Pfosten in zu großen Abständen.
Auch eine Siedlung von diesem Alter gab es. Aber den Bau der geplanten Staatsstraße S 38 an der Stelle konnte es nicht verhindern, nur aufhalten.
Diese Funde gaben dann den Anlass zu der Archäologischen Erkundungstour der Grimmaer Obrigkeit. In Köllmichen wurde zu den Ergebnissen der Grabungen am Sächsischen Burgwall vom Landesamt für Archäologie berichtet. Hier war der Mittelpunkt einer Herrschaft unbekannten Namens im 10./11. Jahrhunderts. Auch auf die Geschichte des Nauberger Ringwalls wurde aufmerksam gemacht, bei dem es sich um einen Jungslawischen Ringwall handelt, der später von einer dörflichen Siedlung überbaut wurde.
In Mutzschen ging es für die Teilnehmer zum Schloss, dessen Grund und Boden eine reiche Geschichte zu erzählen hat. Hierbei handelt es sich vermutlich um eine befestigte slawische Anlage des 10./11. Jahrhunderts. Auf dem Schlossberg wurde frühbronzezeitliche Keramik gefunden. Hier war also immer Leben auf einem der fruchtbarsten Böden Sachsens. Wer einfach nur eilig durchfährt, sieht von diesen frühen Spuren der Besiedlung nichts.
Die Landesarchäologen tun sich eh schwer, mit ihrer Berichterstattung über alle aktuellen Grabungsstellen hinterherzukommen. Denn überall, wo gebaut wird, kommen in der Regel auch frühere Siedlungsschichten ans Licht. Wie bei der Grabung auf dem Zittauer Markt, wo die Reste des Alten Rathauses auftauchten, oder wie jüngst bei Canitz in Nordsachsen, wo die Archäologen auf einen „außergewöhnlich gut erhaltenen Bestattungsplatz mit Gräbern aus der Jungsteinzeit (3.000 v.Chr.) und frühen Bronzezeit (2.000 v. Chr.)“ stießen. „Zur Überraschung der Forscher entpuppten sich die anfangs nur verstreut vorgefundenen Bestattungen als Teil eines Gräberfeldes mit tausendjähriger Tradition. Bereits in der Jungsteinzeit wurde hier anscheinend eine mit Steinen beschwerte, hölzerne Grabkammer unter einem massiven Grabhügel errichtet, in der Brandbestattungen der Kugelamphoren-Kultur niedergelegt wurden.“
Aber wie zeigt man das der eigenen Bevölkerung und den möglichen Kulturreisenden, die es – zum Beispiel über den Mulderadweg – in diese Region verschlägt?
Dr. Günter Herbst machte die Anregung für einen künftigen Informationspunkt, der auf bedeutsame Ausgrabungsstätten der Region aufmerksam machen sollte.
Ein Museum, das die jahrtausendealte Kulturgeschichte der Region einmal gebündelt zeigt, gibt es ja noch nicht. Und auch wer ins SMAC nach Chemnitz fährt, erfährt speziell über die westsächsische Ecke nur Weniges im Vergleich mit der Vielzahl der Funde, die mittlerweile in den Archiven der Landesarchäologie ruhen.
Informationsblatt des Landesamtes für Archäologie zu den Funden bei Wermsdorf und Mutzschen.
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