Nachdem die Bürgermeister einiger Gemeinden rund um den Werbeliner See in der vergangenen Woche medienwirksam aktiv geworden sind, um für mehr Betrieb und Investition am Tagebausee zwischen Leipzig und Delitzsch zu werben, geht jetzt der Landkreis Nordsachsen selbst in die Offensive, um zu erklären, wie wichtig der See als Landschaftsschutzgebiet ist.
Beginnend am Samstag, 23. Juli, startet der Landkreis Nordsachsen an den kommenden drei Wochenenden eine Informations-Aktion direkt am Werbeliner See. Auf Initiative von Landrat Kai Emanuel wird durch einen eigens entwickelten Flyer vermittelt, welche Nutzungsmöglichkeiten der Werbeliner See – als Naturschutzgebiet und Tagebaufolgelandschaft – für die Besucher zur naturnahen Erholung bietet.
„Unter dem Motto ‚Mensch und Tier im Miteinander‘ wollen wir unsere erholungssuchenden Gäste über die aktuell bestehenden Freizeit-Angebote im Rahmen des Naturschutzes am Werbeliner See informieren“, erklärt Landrat Kai Emanuel.
Mit der Aktion soll die eigenverantwortliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Mensch und Natur“ angeregt werden. Denn diskutiert wurde ja bei den neu entstandenen Seen im Leipziger Neuseenland immer nur über menschliche und – immer stärker – touristische Nutzung. Wie wichtig geschützte Landschaftsbereiche dabei als Rückzugsraum für Tiere sind, geht immer wieder unter. Manche Zeitgenossen schreiben den Naturschutzverbänden sogar eine unheimliche Macht zu, ihre Interessen dort durchsetzen zu können.
Doch wer sich gerade die Seen im Leipziger Südraum anschaut, sieht, dass die Schutzräume für Flora und Fauna denkbar begrenzt sind. Tatsächlich war schon bei Beginn der Flutungen klar, dass man gar nicht alle Seen in ein Bade- und Segelparadies verwandeln darf. Denn mit dem gewaltigen Landfraß durch den Kohleabbau sind auch viele große einstige Rückzugsräume für Tiere aus der Landschaft verschwunden – nicht nur Dörfer. Auch Seen, Teiche, Bäche, Wälder und naturnah bewirtschaftete Auen und Wiesen.
Dass der Werbeliner See sich dabei zu einem neuen Rückzugsraum gerade für Wasservögel entwickeln würde, zeichnete sich schon früh ab. Und die Vielzahl der dort festgestellten Vogelarten hat die Prognose bestätigt. Nur wie das im Neuseenland oft der Fall ist: Man kommuniziert solche Dinge nicht frühzeitig und nimmt deshalb die Bevölkerung auch nicht mit, gerade dann, wenn auf einmal auch noch unternehmerische Interessen ihren Weg an die Ufer und in die Verwaltungen suchen.
So fehlt bei vielen Bewohnern der Region auch das Wissen darum, wie wertvoll ein wirklich naturbelassener See in dieser Beziehung ist.
Nachdem das Landratsamt Nordsachen die Unterschutzstellung des Sees jetzt gesichert hat, geht es quasi endlich auch auf Werbetour für dieses Vogelparadies.
Der Flyer zeigt übersichtlich auf einer Seekarte die wichtigsten interessanten Punkte, wie bspw. Rad- und Wanderwege, Aussichtspunkte, Angler- und Rastplätze. Außerdem gibt er Auskunft über die besondere Pflanzen- und Tierwelt des Sees. Man kann also – auch wenn das oft anders klingt – eine ganze Menge erleben an dem See, muss aber auch lernen, das geschützte Gebiet zu respektieren und schonend zu behandeln. Was ja bekanntlich manchem Zeitgenossen schwer fällt.
Auch die Geschichte des Sees wird erzählt, die in ihrem Beginn auch eine Geschichte der Verluste war: „1975 begann im Gebiet des heutigen Werbeliner Sees die Braunkohleförderung. In der Folgezeit mussten dadurch die Orte Kattersnaundorf, Grabschütz und Werbelin weichen. An den Standorten der ehemaligen Ortslagen Werbelin und Kattersnaundorf gibt es Gedenksteine. Die Kohle wurde auf einer extra gebauten Bahnstrecke nach Bitterfeld und von dort in die Energieerzeugung und Chemieindustrie transportiert. Der Werbeliner See ist aus dem Hauptrestloch des 1993 stillgelegten Tagebaus Delitzsch-Südwest hervorgegangen und wurde von 1998 bis 2010 aus der Neuen Luppe geflutet. Das Flutungsmanagement erfolgte unter der Regie der Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH. Die LMBV ist Eigentümer des Sees und des umliegenden Gebietes. Seit 2006 wurde die Fläche Werbeliner See als Teil des europäischen Vogelschutzgebietes festgelegt.“
Heute leben etwa 150 verschiedene seltene Vogelarten und viele Amphibien, Reptilien und Fischarten am, im und auf dem See. Viele Vögel nutzen die sensiblen Uferbereiche zum Brüten. Und der Flyer erklärt auch, dass die Unterschutzstellung nicht bedeutet, dass hier nie mehr gebadet werden darf, auch wenn man vor allem den nahe gelegenen Schladitzer See als Badesee entwickeln möchte: „Neben dem Naturleben gibt es am westlichen Ufer ‚Zwochau‘ einen kleinen Bereich, der zukünftig als lokale Badestelle genutzt werden kann.“ Gerade das jetzt so heiß diskutierte Nord- und Ostufer ist fürs Baden freilich nicht vorgesehen.
Einen Naturlehrpfad gibt es und mehrere Beobachtungspunkte für Ornithologen.
Der Flyer ist für Interessenten kostenfrei und auf Anfrage unter der Telefonnummer (03423) 7097-4101 erhältlich.
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