Das Thema Fluglärm am Flughafen Leipzig/Halle wird weiter Thema bleiben. Im Leipziger Stadtrat genauso wie im Landtag, auch wenn die CDU dort jetzt wieder mal stolz darauf ist, ein Nachtflugverbot verhindert zu haben. Die Grünen hatten das beantragt. Aber sie haben in einer bräsigen Regierungskoalition nicht mal ein Umdenken bewirkt. Und in Leipzig? Da gibt's dieselben Nebelbomben.
Die Dresdener Nebelwand klingt etwa so: Die Ablehnung des Nachtflugverbotes im Umweltausschuss sei unter anderem mit umfangreichen Lärmschutzmaßnahmen begründet worden. Was den Landtagsabgeordneten der CDU, Andreas Nowak, zu den Worten animierte: „Der Flughafen hat erheblich in den passiven Lärmschutz der betroffenen Anwohner investiert. DHL erneuert ständig seine Flotte. Bis 2020 soll umfangreich in leisere und sparsamere Triebwerke investiert werden, die auch weniger CO2 ausstoßen.“
Genau das war Thema in den vergangenen Stadtratssitzungen. Denn die Anwohner am Flughafen erleben es anders. Gerade einmal die Hälfte der Anträge auf Schallschutz ist nach über acht Jahren Betrieb der Startbahn Süd abgearbeitet. Mit immer neuen kurzen Abkurvungen geraten immer neue Wohngebiete in den Schalltrichter der startenden Flieger. Ruhmreich wird die Anpflanzung eines Lärmschutzwaldes verkündet, der frühestens in 20 Jahren zur Dämpfung der Lärmpegel beitragen wird.
Und noch immer fliegen die 50 Jahre alten und lauten Antonov-Maschinen.
In der letzten Stadtratssitzung am 24. Februar legten die Grünen eine kleine Frageliste zu all den Versprechungen vor. Und bekamen auch eine Antwort.
Der Wald ist natürlich kein Wald. Das wird er erst in zehn, 20 Jahren, wenn aus den Setzlingen mal Bäume geworden sind. Denn jetzt sind es auf den bepflanzten 28 Hektar erst einmal nur Setzlinge, wie Leipzigs Wirtschaftsbürgermeister in Antwort auf die Grünen-Anfrage erklärte. „Da es sich um eine Ackeraufforstung handelt, kann die Kulturbegrünung nur mit relativ kleinen Setzlingen erfolgen, um somit einen hohen Prozentsatz beim Anwuchs zu erzielen. Mit zunehmender Bewuchshöhe erwarten wir eine Abnahme der Lärmbelastungen aus flughafeninduziertem Bodenlärm, aber auch aus Schienen- und Straßenlärm. Zudem wirkt der Wald mit wachsender Höhe als Sichtschutz zwischen Flughafen und Betroffenen und ruft eine positive psychologische Wirkung hervor.“
Aber: Das wird dauern. Im Originaltext: „Es wird einige Zeit vergehen bis die Lärmminderung durch die Aufforstung wahrnehmbar ist, aber es ist eine Maßnahme des aktiven Lärmschutzes, die von allen Beteiligten positiv bewertet wird.“
Aber die Grünen haben nicht nur nach dem werbewirksam verkündeten Lärmschutzwald gefragt. Sie haben auch nach den alten, lauten Frachtmaschinen gefragt.
„Handelt es sich bei den von DHL angekündigten 33 ‚auszutauschenden‘ Flugzeugen um neue Maschinen oder umgerüstete gebrauchte Flugzeuge? Werden die Flugzeuge nach dem Tausch in absoluten Lärmwerten leiser sein oder sind diese nur ‚leiser‘ in Relationen zur Tonnage?“
Die Antwort des Wirtschaftsbürgermeisters: „Es sollen 33 Frachter des Typs 757 durch gebrauchte aber neuere Frachter des gleichen Typs ersetzt werden. Die gebrauchten neueren Flugzeuge werden von diversen Airlines abgekauft und umgerüstet. Eigner ist die DHL-Tochter EAT Leipzig. Fakt ist aber, dass sich die Tonnage pro Flugzeug erhöhen wird und somit eine höhere Frachtleistung erzielt werden kann ohne zusätzliche Flugzeuge einzusetzen. Die neuen Frachter sind trotz des höheren Startgewichtes während der Startphase leiser als die bisherigen.“
Aber ein Teil der Lärmproblematik ist auch, dass 98 bis 99 Prozent der nächtlichen Starts auf der Startbahn Süd erfolgen. Was logischerweise die stadtnahen Gebiete besonders verlärmt. Was auch im Planfeststellungsbeschluss so nicht steht. Da steht zwingend eine Gleichverteilung der Starts und Landungen auf beide Bahnen. An die sich der Flughafen seit 2007 nicht hält.
Und es ist wie mit den – nicht umgesetzten – Schallschutzmaßnahmen: Erst in letzter Zeit wurden die Verantwortlichen da beim Tricksen erwischt. Ein Thema, das Dr. Lutz Weickert nun seit Jahren umtreibt. Er lebt in Böhlitz-Ehrenberg. Und als der Planfeststellungsbeschluss 2004 diskutiert wurde, wurde immer wieder behauptet, Böhlitz-Ehrenberg würde von der neuen Fliegerei auf der Südbahn gar nicht berührt. Seitdem wird Weickert immer wütender, weil das schlicht und einfach gelogen war.
„Der Bau der Startbahn Süd war mit der Zusage verbunden, der Nordwesten von Leipzig wird vom Fluglärm entlastet. Die Stadt Leipzig hat mit Schreiben vom 10.12.2004 mir mitgeteilt: ‚Eine Belastung in Böhlitz-Ehrenberg durch nächtliche Flugbewegungen, auch im Zusammenhang mit DHL, wird es nicht geben‘“, schreibt er nun in einer Einwohneranfrage an den Leipziger Stadtrat. Er hat es also Schwarz auf Weiß. „Das Gegenteil ist seit Inbetriebnahme des DHL- Frachtdrehkreuzes der Fall. In den Leipziger Stadtteilen Lindenthal, Wahren, Möckern, Lützschena-Stahmeln, Böhlitz-Ehrenberg, Burghausen und Rückmarsdorf herrscht teilweise ein nächtlicher Dauerlärm von 60 Dezibel, mit Spitzen bis zu 70 Dezibel, verursacht durch bis zu 140 nächtliche Starts, die zu 99 % von der direkt an Leipzig angrenzenden SBL Süd erfolgen.“
Und dann kommt er auf die Trickserei mit der Bahnverteilung zu sprechen. Das steht so im Planfeststellungsbeschluss, ist damit rechtlich eigentlich bindend. So sah das in den ersten drei Jahren nach dem Betriebsbeginn der Startbahn Süd auch mal die Landesdirektion Leipzig, die damals noch die prozentgenaue Bahnverteilung prüfte und den Flughafen immer wieder mahnte, die 50:50 endlich einzuhalten. Aber das hat die Landesdirektion dann bald wieder eingestellt.
Woran das lag, weiß man seit kurzem. Und Lutz Weickert reibt es der Leipziger Stadtspitze unter die Nase: „Die über 500 Millionen Euro Steuersubventionen für den Bau der SLB Süd wurden u.a. mit dem Bau eines Parallelbahnsystems begründet. Davon ausgehend enthielt der Planfeststellungsbeschluss die Auflage ‚Die Starts und Landungen sind gleichmäßig auf beide Bahnen zu verteilen‘. – Zur Durchsetzung dieser Auflage gibt es den Stadtratsbeschluss RBV-650/11 ‚Verbesserung des aktiven Lärmschutzes am FLH‘ (mehrheitlich bei 1 Gegenstimme und 6 Stimmenthaltungen angenommen), der bis heute nicht umgesetzt ist.“
Sind ja nur fünf Jahre. Den Beschluss hängen wir unten mit dran.
Und dann gab es ja im November dieses Eingeständnis: Man hat zwar zwei Startbahnen, aber man hat die entsprechende Sicherheitstechnik nicht eingebaut, um den Parallelbetrieb zu gewährleisten. Das ist nach acht Jahren Schönmalerei ein recht frappierendes Eingeständnis, wie Weickert feststellt: „Im Dialogforum Flughafen Leipzig-Halle teilten die Vertreter des Flughafens und der Deutschen Flugsicherung im November 2015 mit, dass ein Parallelbetrieb am FLH auf Grund fehlender Sicherheitseinrichtungen nicht möglich ist und damit auch keine Bahnverteilung erfolgen kann.“
Und da hat der Böhlitz-Ehrenberger durchaus ein paar Fragen an Leipzigs Oberbürgermeister, der im Aufsichtsrat der Mitteldeutschen Flughafen AG (MFAG) sitzt und doch eigentlich wissen müsste, dass hier den Betroffenen etwas versprochen wurde, wofür man die technischen Voraussetzungen gar nicht eingekauft hatte.
Und genau diese Fragen will Weickert nun in der nächsten Ratsversammlung am 23. März beantwortet haben:
„1.Seit wann ist dem Mitglied des MFAG- Aufsichtsrates, OBM Herrn Jung bekannt, dass der im PFB (Planfeststellungsbeschluss, d. Red.) angenommen Parallelbahn- Betrieb nicht möglich ist?
2. Bis wann werden die fehlenden Sicherheitseinrichtungen am Flughafen Leipzig-Halle nachgerüstet.
3. Welche Kosten sind mit der Nachrüstung verbunden?“
Die Auskunft des Wirtschaftsdezernats zu Lärmschutzwald usw.
Der Ratsbeschluss „Verbesserung des aktiven Lärmschutzes am Flughafen Leipzig-Halle“ von 2011.
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