Irgendwie haben es die meisten Stadtratsfraktionen nach Jahren des Nachfragens, Insistierens, Beantragens aufgegeben, die Leipziger Verwaltung noch mit dem Thema Flughafen zu behelligen. Das GroรŸprojekt im Leipziger Norden ist wohl das beste Beispiel dafรผr, wie sich staatliche Behรถrden in Sachsen gegenseitig den Ball zuspielen, Bรผrgerbeteiligung komplett aushebeln und jegliche Verantwortung im Nebel verschwinden lassen.

Natรผrlich bleiben die Bรผrgerinitiativen im Leipziger Norden dran am Thema. Was sollen sie auch tun, wenn sich einfach nichts รคndert? Matthias Zimmermann,  Pressesprecher der Bรผrgerinitiativen โ€œGegen die neue Flugrouteโ€ und โ€œGegen Flug- und Bodenlรคrmโ€ schreibt jeden Monat seinen Report, in dem er mit Zahlen belegt, wie der Planfeststellungsbeschluss missachtet wird, die Fluglรคrmkommission ihre Arbeit vertagt und kein einziger Akteur aus dem politischen Umfeld des Flughafens sich bemรผรŸigt fรผhlt, die Sache zu รคndern.

Klar, Leipzig hat ja was gemacht. Leipzig war ja ganz stolz, dass es in der Fluglรคrmkommission irgendwas mit der berรผchtigten โ€œkurzen Sรผdabkurvungโ€ erreicht hat. Aber was eigentlich?

Danach hat im November mal die AfD-Fraktion im Leipziger Stadtrat gefragt. Sie hat auch ein paar Anliegen im Stadtrat in petto, die sich tatsรคchlich ernsthaft mit den Sorgen der Bรผrger beschรคftigen. Dies war so eins. Und herausgekommen ist natรผrlich eine Bestรคtigung dafรผr, dass eigentlich nichts passiert.

Ein zentraler Punkt war die alte Frage nach der Abschaffung der โ€œkurzen Sรผdabkรผrvungโ€.

Seit 2012 ist das Thema ja vor Gericht anhรคngig. Nachdem die sรคchsischen Verwaltungsrichter die Klage der Grรผnen Liga anfangs abgewiesen hatten, hat das Bundesverwaltungsgericht 2014 zugestanden, dass die Grรผne Liga sehr wohl klagen darf. Aber seitdem steckt auch das wieder fest โ€“ das Oberverwaltungsgericht in Bautzen prรผfe noch immer die โ€œZulรคssigkeit des Klagebegehrens der Stadt Leipzigโ€, heiรŸt es in der Antwort des Leipziger Umweltdezernats an die AfD.

Schon in der Vergangenheit gab es immer wieder Eiertรคnze um die Frage, ob die Stadt nun klagen wรผrde oder nicht. Aber dazu scheinen in der Stadtverwaltung selbst die Widerstรคnde zu groรŸ.

Da hat man lieber รผber Jahre in immer neuen Vertagungen der Fluglรคrmkommission versucht, die Nutzung der Sรผdabkurvung zu รคndern. Das Ergebnis, wie Zimmermann feststellt: โ€œDas Interessante an dieser Antwort, zum ersten Mal ist dokumentiert, dass die Stadt Leipzig der Initiator der alternativen kurzen Sรผdabkurvung ist. Jener Abkurvung also, die durch steileren Abflug letztlich รผber Lindenthal, Wahren, Lรผtzschena-Stahmeln, Bรถhlitz-Ehrenberg und Burghausen noch mehr Lรคrmemissionen und Abgase verursacht. Der Skandal dabei: Vor der Inbetriebnahme dieser alternativen kurzen Sรผdabkurvung gab es den von allen Stadtratsfraktionen unterstรผtzten Antrag, mit der Forderung: โ€œDie Stadtverwaltung wird beauftragt, sich in der Fluglรคrmkommission dafรผr einzusetzen, dass 1. die Inbetriebnahme der alternativen kurzen Sรผdabkurvung, die bei Ostwindwetterlage geflogen wird, ausgesetzt wird โ€ฆโ€

Wobei mittlerweile ja auch die kurze Nordabkurvung fรผr neuen ร„rger und neuen Lรคrm im Norden sorgt, denn wenn die Flieger bei Ostwind von der Startbahn Sรผd sofort nach Norden abdrehen, ist ihr Dรผsenstrahl natรผrlich direkt auf den Leipziger Norden mit Wiederitzsch, Lindenthal und Gohlis gerichtet โ€“ der Lรคrm entsprechend auch.

Und Fakt ist auch, dass sich die Bรผrgerinitiativen auch im von der Stadt gegrรผndeten Dialogforum nicht mehr ganz so wohl fรผhlen. Denn das tut sich schwer, fรผr die Flughafenpolitik die richtigen Worte zu finden.

Am 26. November meldete es, man diskutiere fรผr den Flughafen derzeit eine gleichmรครŸige Verteilung der nรคchtlichen Starts und Landungen der Flugzeuge auf die Sรผd- und auf die Nordbahn. โ€œMit einer solchen Neuordnung kรถnnte eine deutliche Lรคrmreduzierung fรผr die Bewohner um die bisher hauptsรคchlich genutzte Sรผdbahn erreicht werden.โ€ Die Gleichvereilung war รผbrigens Teil des Planfeststellungsbeschlusses. Nur unter dieser Voraussetzung hรคtte die sรผdliche Startbahn nachts รผberhaupt genutzt werden dรผrfen. Aber die jรคhrlichen Prรผfungen der Landesdirektion zeigen: Die Festlegung wird รผberhaupt nicht beachtet.

Und auch Zimmermann legt fรผr November wieder Zahlen vor, die zeigen: In der Nachtkernzeit von 0 bis 5 Uhr starten und landen alle Flugzeuge auf der Sรผdbahn. Zu 100 Prozent.

โ€œDie Bahnverteilung ist eine von der Planfeststellungsbehรถrde im Zulassungsverfahren zu รผberprรผfende Prognose. Wir appellieren auch weiterhin, eine 50:50-Verteilung vorzusehen, sofern diese sicherheitstechnisch vertretbar istโ€œ, erlรคutert Claus-Peter Susok, Leiter des Referates Planfeststellung der Landesdirektion Sachsen, das Gesprรคchsergebnis aus dem Dialogforum.

Ein Appell, eine gesetzliche Festlegung einzuhalten?

Noch deftiger war die offizielle Stellungnahme von Uwe Liebscher, Tower-Chef Deutsche Flugsicherung am Flughafen Leipzig/Halle: โ€œDurch vermehrte Bahnkreuzungen entstehen Sicherheitsrisiken, welche wir mit der Deutschen Flugsicherung bewerten und darstellen.โ€œ Um die Risiken zu minimieren, sind eine Reihe von MaรŸnahmen notwendig, die kรผnftig gemeinsam mit dem Flughafen und der DHL eruiert werden sollen.

Das Problem gรคbe es gar nicht, wenn die Flugsicherung alle Starts und Landungen in der Nachtkernzeit auf die Nordbahn umlenken wรผrde. Da wรผrde sich nichts kreuzen. Aber den Logistikunternehmen geht es ja nicht um Sicherheit, sondern um Zeitersparnis (die Sรผdbahn ist nun einmal direkt vor den Frachthallen) und auch ein bisschen um Spritersparnis. Es geht eigentlich nur um Minuten und Liter โ€“ aber jede Diskussion darรผber, ob es das aufgrund der Nachtruhe von rund 30.000 Leipzigern wert wรคre, wird unterbunden.

Matthias Zimmermann wird aus dem Dialogforum mit den Worten zitiert. โ€œWir Bรผrgerinitiativen fordern eine Aufklรคrung der politischen Hintergrรผnde und Differenzen zur Bahnverteilung.โ€ Aber das klang fรผr viele Betroffene irgendwie unverstรคndlich. Am 27. November musste er eine Erlรคuterung hinter schicken.

โ€œFรผr die vom nรคchtlichen Fluglรคrm Betroffenen ist die nun seit รผber 8 Jahren dauernde Diskussion zur ursprรผnglich versprochenen gleichmรครŸigen Bahnverteilung ein Skandal. Die in letzter Zeit neu vorgebrachten Argumente der DSF und des Flughafens, wie etwa fehlende Sicherheitsvorrichtungen, sind bis heute konkret nicht genannt und sind anscheinend einzig dem Zugestรคndnis an DHL geschuldet, ausschlieรŸlich die stadtnahe Sรผdbahn nutzen zu dรผrfenโ€, heiรŸt es darin. โ€œDie Bรผrgerinitiativen hatten herausgearbeitet, dass seinerzeit, zeitgleich mit der im Planfeststellungsbeschluss enthaltenen Auflage zur 50/50 โ€“ Bahnverteilung, der DHL durch den Freistaat Sachsen in einer Patronatserklรคrung die Mรถglichkeit der uneingeschrรคnkten Nutzung der stadtnahen Sรผdbahn zugesichert wurde. Fรผr die Aufklรคrung dieses Betruges am Bรผrger sehen die Bรผrgerinitiativen die Politik in der Verantwortung. Die Leipziger Stadtrรคte/Fraktionen sollten, allein schon um der Glaubwรผrdigkeit unseres Demokratiewesens wegen, รผber ihre Landtagsabgeordneten eine Aufklรคrung zur Schuldfrage herbeifรผhren.โ€

Der Eiertanz geht also weiter.

Auch in der Fluglรคrmkommission, die am 4. November wieder mal getagt hat, aber auch vier Wochen spรคter kein Protokoll verรถffentlicht hat. Zimmermann kann sich also nur auf eine Pressemeldung berufen.

Aber da muss er nur zwei Meldungen aus der Fluglรคrmkommission nebeneinander stellen, um die ganze Ohnmacht der Bรผrger deutlich zu machen.

Aus dem offiziellen Bericht รผber die 43. Sitzung am 07.11.2012 zitiert er: โ€œDer Flughafen berichtete รผber die Verkehrsentwicklung und die Umsetzung des Schallschutzprogramms. Von 7.650 eingegangenen Antrรคgen auf Schallschutz sind 6.500 abgeschlossen.โ€

Und im Bericht รผber die 49. Sitzung am 4. November 2015 war dann zu lesen: โ€œVon den 7.176 fristgerecht eingegangenen anerkannten Antrรคgen auf passiven Schallschutz wurden bisher 3.298 komplett realisiert.โ€

Nicht mal die Hรคlfte also.

Da wirken dann natรผrlich Nachrichten, dass der Frachtflughafen Leipzig/Halle seinen Frachtumschlag wieder um 10 Prozent gesteigert habe, ganz und gar nicht ermunternd. Wahrscheinlich genauso wie der Satz des Leipziger Umweltbรผrgermeisters: โ€œDie Aktivitรคten der Stadt Leipzig zur Abschaffung der kurzen Sรผdabkurvung waren bereits Inhalt zahlreicher Stadtratsanfragen in den letzten Jahren. Ich verweise auf meine ausfรผhrliche Antwort auf die Einwohneranfrage 286 in der Ratsversammlung am 22.01.2014.โ€

Denn als Fazit heiรŸt das ja: Es sind schon wieder fast zwei Jahre ins Land gegangen โ€“ und nichts ist passiert.

Die Antwort auf die AfD-Anfrage.

Der neue Fluglรคrmreport fรผr November 2015.

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Es gibt 2 Kommentare

Fรผr die Fracht in der Nacht opfern wir die Gesundheit der Menschen. Wenn nur die Nordnahn in der Nacht genutzt werden wรผrde, gรคbe es auch keine Bahnkreuzungen und somit keine Sicherheitsrisiken. Und es gab auch Zeiten, da durfte die kurze Sรผdabkurvung nicht geflogen werden, die Erde hat sich trotzdem weiter gedreht. Vielen Menschen wรคre damit wirklich geholfen. Doch dazu fehlt wahrscheinlich der gestalterische Wille der Verantwortlichen.

Ich stelle immer wieder fest bei diesem Thema:
โ€“ offensichtlicher Betrug am Bรผrger und seinen Rechten
โ€“ null Verantwortungsbewusstsein aller Politiker
โ€“ Beteilgte der Wirtschaftslobby hรถrig.

Wir fliegen zu Kometen โ€“ aber kรถnnen keine Flugzeuge auf dem Erdboden aufgrund Sicherheitsbedenken rangieren lassen? Welch hanebรผchene Erklรคrungโ€ฆ

Es ist ein unglaublicher Skandal, dass es scheinbar keine rechtliche Handhabe fรผr die Bรผrger gibt.
Kann man nicht eine Klage โ€œVerbot Nachtnutzung der sรผdlichen Landebahnโ€ stellen, da die Vorraussetzungen nachweislich nicht eingehalten werden?

Politikerhaftung โ€“ wann muss endlich mal jemand fรผr Entscheidungen gerade stehen?

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