Es war quasi das Sahnebonbon, oder wohl doch eher die Sahnetorte, die den Bรผrgern aus dem Leipziger Nordwesten 2005 hingehalten wurde, als man nicht nur den Bau der zweiten Startbahn am Flughafen Leipzig/Halle durchdrรผckte, sondern auch gleich noch eine Flugerlaubnis rund um die Uhr obendrauf packte als Lockmittel fรผr die Frachtflugunternehmen. Doch die Torte fiel dann viel kleiner aus als versprochen.

Und sie ist auch nach acht Jahren noch nicht fertig, wie eine etwas deutlichere Nachfrage der Lรคrmschutzaktivisten beim Flughafenchef Dierk Nรคther Anfang des Jahres ergab. Erst knapp die Hรคlfte des versprochenen Schallschutzprogramms ist abgearbeitet.

Und von dem, was abgearbeitet wurde, ist Vieles รผberhaupt kein Lรคrmschutz, wie jetzt der BUND Leipzig kritisiert.

โ€žEs bestehen Zweifel, dass das dem passiven Schallschutz zugrunde liegende DLR-Konzept fรผr eine akzeptable Schalldรคmmung der Schlafrรคume sorgt. Das Schutzgebiet ist zwar groรŸ, aber viele Betroffene innerhalb des Gebietes haben nur Lรผfter oder Rollladenkรคsten erhalten, hingegen keine Schallschutzfenster oder Dรคmmung an den Wรคndenโ€œ, benennt Martin Hilbrecht, Vorsitzender des BUND Leipzig, ein Thema, das รผberhaupt noch nicht diskutiert wurde. Aber seit acht Jahren wird den Bewohnern des โ€žSchallschutzgebietesโ€œ immerfort die schiere GrรถรŸe des Gebietes als Errungenschaft angepriesen.

Aber was nutzt es, wenn fรผr wirklichen Schallschutz in diesem Gebiet gar kein Geld da ist?

Hilbrecht: โ€žEin Teil der Betroffenen hat trotz Antragstellung noch gar keinen Schallschutz erhalten, da es offenbar Schwierigkeiten bei der Abwicklung der Schallschutzantrรคge gibt. รœber das Bรผndnis der Bรผrgerinitiativen fรผr eine lebenswerte Zukunft am Flughafen Leipzig/Halle, das der BUND aktiv unterstรผtzt, erfahren wir von zahlreichen Missstรคnden. Nachdem nun der zustรคndige Landtagsausschuss einen Antrag auf Verbot nรคchtlicher Triebwerksprobelรคufe abgelehnt hat, rechnen wir in den nรคchsten Monaten mit einer Genehmigung der Probelรคufe im Freien. Unabhรคngig davon, dass wir eine solche Genehmigung fรผr inakzeptabel halten, verschรคrft sie die Dringlichkeit der Verbesserung des Schallschutzes.โ€œ

Eine Ablehnung รผbrigens, die bei den Bรผrgerinitiativen auf vรถlliges Unverstรคndnis gestoรŸen ist. Denn selbst das Planfeststellungsverfahren verbietet die nรคchtlichen Probelรคufe im Freien. Mit dem Antrag, doch wieder solche Probelรคufe zu genehmigen, ist die Flughafengesellschaft genau in dem Moment in die ร–ffentlichkeit geprescht, als bekannt wurde, dass das viel gerรผhmte Schallschutzprogramm noch immer nicht abgewickelt ist.

Und Leipzig, die Stadt mit den meisten Lรคrmbetroffenen?

Duckt sich weg. Auch Oberbรผrgermeister Burkhard Jung verschanzt sich hinter seiner Sorge um die Arbeitsplรคtze am Flughafen und hรคlt sich in Schallschutzfragen nobel zurรผck, obwohl ein โ€“ wie 2007 versprochen โ€“ konsequenter Schallschutz die Arbeitsplรคtze รผberhaupt nicht gefรคhrdet. Es geht lรคngst darum, dass der Flughafen mit allen Mitteln das Frachtgeschรคft noch weiter ausbauen will. Und das geht nur, indem er die wenigen Zusagen, die den Anwohnern 2007 noch gemacht wurden, gรคnzlich aushรถhlt.

Der BUND Leipzig fordert die Stadt Leipzig jetzt auf, sich stรคrker als bisher fรผr einen guten baulichen Schallschutz an den Wohngebรคuden der lรคrmbetroffenen Flughafenanwohner einzusetzen. Ihre Situation erachtet er als prekรคr, da entgegen den Empfehlungen des Sachverstรคndigenrats fรผr Umweltfragen der Flughafen auch noch fรผr Flรผge in der Nacht ausgebaut wurde.

Der BUND Leipzig sieht es als moralische Verpflichtung der Flughafengesellschaft und deren Anteilseigner, aber auch der Hauptnutzer des Flughafens, die betroffenen Menschen mit den bestmรถglichen baulichen SchallschutzmaรŸnahmen zu versorgen. Und er sieht sie und die Aufsichtsbehรถrden verpflichtet, fรผr rasche Abhilfe zu sorgen. Auch die Stadt Leipzig und die Gemeinden haben eine Verantwortung gegenรผber ihren Bรผrgern.

โ€žDas Fazit der betroffenen Anwohner zehn Jahre nach der Planfeststellung des Flughafens ist eindeutig. Das Versprechen, dass alle Betroffenen so mit Schallschutz versorgt werden, dass sie nicht nachts durch Fluglรคrm aufwachen, wurde gebrochenโ€œ, stellt Franziska HeรŸ, Stellvertretende Vorsitzende des BUND Leipzig, nรผchtern fest. โ€žAngesichts des den Schutzbestimmungen zugrunde liegenden DLR-Konzepts, das fรผr alle quasi ein groรŸ angelegter Feldversuch war, besteht hier dringender Anlass zur รœberprรผfung. Die Stadt Leipzig und die Gemeinden sollten an Musterobjekten prรผfen, wie hoch die nรคchtliche Lรคrmbelastung in den Innenrรคumen bei den schallgeschรผtzten Objekten tatsรคchlich ist.

Das wieder aufgenommene Dialogforum sollte genutzt werden, um insbesondere bei der Dimensionierung der baulichen SchutzmaรŸnahmen erheblich nachzubessern. Das Beispiel des Flughafens Berlin zeigt, dass anspruchsvoller Schutz mรถglich und einem Flughafenbetreiber auch zumutbar ist. Hierfรผr kรถnnten sich die Stadt Leipzig und die betroffenen Gemeinden gemeinsam einsetzen, da allen Hochbelasteten geholfen werden kann, ohne Betroffenheiten an anderen Stellen zu verursachen. Die hiermit verbundenen Kosten wรคren im Verhรคltnis zu den Bau- und Betriebskosten des Flughafens gering, der Beitrag zur Akzeptanz des Flughafens in der Region hingegen erheblich. Deshalb fordern wir die Politik auf, sich fรผr einen bestmรถglichen Schallschutz der Anwohner einzusetzen.โ€œ

Diese Verantwortung liegt tatsรคchlich bei der Stadt Leipzig.

Das Ziel, den Nachtschlaf der Anwohner trotz Nachtflugs nicht zu stรถren, kรถnne nur erreicht werden, wenn die bisher fรผr die Innenrรคume geltenden Schutzziele verbessert werden, stellt der BUND fest.

Das bisher geltende Konzept aber beruhe auf dem Stand der Lรคrmwirkungsforschung von vor รผber zehn Jahren.

Die neueren Studien belegen, dass vor allem nรคchtlicher Fluglรคrm gesundheitsgefรคhrdend ist und dies zudem bei geringeren Lรคrmwerten als bisher angenommen, benennt der BUND das ganz spezielle Leipziger Problem, denn es gibt weit und breit keinen anderen Flughafen, auf dem sich der Hauptflugbetrieb in der Nacht abspielt.

Die hohe Nachtflugintensitรคt am Flughafen Leipzig unterscheidet die Belastungssituation der Anwohner deutlich von der an anderen Flughรคfen, so dass hier auch besondere Anstrengungen zu fordern sind, appelliert der BUND Leipzig. Dies beinhalte auch die Notwendigkeit, das geltende System zu รผberprรผfen, die Schutzziele fรผr die Innenrรคume strenger zu fassen und Schallschutz groรŸzรผgiger zu dimensionieren.

Und wer soll das bezahlen? Ist Lรคrmschutz in der ausreichenden Qualitรคt eigentlich mit eingepreist worden ins Geschรคftsmodell des Flughafens?

Ist er nicht. Sonst wรคre das versprochene Schallschutzprogramm tatsรคchlich schon wie versprochen bis 2013 abgearbeitet gewesen. Tatsรคchlich aber haben auch die politisch Verantwortlichen vollkommen unterschรคtzt, was es bedeutet, fรผr einen groรŸstadtnahen Flughafen eine Rund-um-die-Uhr-Betriebserlaubnis fรผr Frachtflรผge zu genehmigen. Das hat zwangslรคufig Folgen fรผr den gesetzlich zwingenden Schallschutz.

Die Kosten sollten โ€“ so schlรคgt der BUND Leipzig vor โ€“ von der Flughafengesellschaft und den Hauptnutzern des Flughafens durch einen freiwilligen Fonds getragen werden. โ€žSind diese hierzu nicht bereit, sollte die Landesdirektion von Amts wegen von den diesbezรผglich laut Planfeststellungsbeschluss bestehenden Handlungsmรถglichkeiten Gebrauch machen und im Wege des Teilwiderrufes des Planfeststellungsbeschlusses die Schutzauflagen verschรคrfenโ€, fordert der BUND.

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Es gibt 3 Kommentare

Korrektur:
โ€œDas ist definitiv anders.โ€
ist beim Editieren รผbriggeblieben, einfach lรถschen.

Genauer gesagt gefรคllt es der Masse hier in Leipzig und Umgebung. Mir fรคllt immer wieder auf, wie lรคrmaffin die Leute hier sind. Das ist definitiv anders.

Im โ€œSรผdraumโ€ von Frankfurt am Main wird wegen der (bereits in Betrieb befindlichen) dritten Landebahn und der fortdauernden รœbertritte des Nachtflugverbots immer noch heftig demonstriert. Gar kein Vergleich mit hier. Und noch die Erinnerung, dass in den 1990er Jahren die Kritiker von LEJ noch ausgebuht wurden, weil die lรคrmaffinen Leipziger sich am Traum โ€œWeltflughafenโ€ besoffen machten.

Mittlerweile ist eine Stadt (Kursdorf) geradezu massakriert worden, und keinen der โ€œMasseโ€ hats gestรถrt. Kennt man eigentlich so nur aus China. Aber bitte: die Kรคlber wรคhlen sich ihre Metzger selber.

Bissel scheinheilig ist man hier schon.

Wenn also in unserem Rechtsstaat die Spielregeln nicht eingehalten und trotz Engagement der Bevรถlkerung keine Korrekturen vorgenommen werden, um den Betroffenen zu ihrem Recht zu verhelfen โ€“
wen wundert es noch, dass die Politikverdrossenheit immer grรถรŸer wird??
Diesbezรผglich kann man das Wort โ€œVolksvertreterโ€ getrost abschaffen.
Die vom zunehmenden Lรคrm Geschรคdigten tun mir leid; werden doch auf ihre Kosten die Interessen der Wirtschaft und machtbesessenen Parteien umgesetzt, die Interessen der Betroffenen aber mit FรผรŸen getreten!

Ich schรคme mich fรผr diese verstetigten Auswรผchse in dieser Demokratie โ€“ scheinbar gefรคllt es aber der Masse, wie fast jede Wahl beweist.

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