Die Stadt Markkleeberg hat seit der Wende eine erstaunliche Entwicklung hingelegt - seit 1. November 2013 ist Karsten Schütze Oberbürgermeister von Markkleeberg. Ein Amt, um das ihn so manches andere Stadtoberhaupt weniger prosperierender Orte beneiden würde. Denn Markkleeberg hat sich im Sog der Boomtown Leipzig zu so was wie ein Boomtown-Vorort des Südens gemausert, ist quasi das Filetstück im Speckgürtel der Messestadt.
Eine Entwicklung, die nicht zuletzt dem blühenden Tourismus, den attraktiven Seenlandschaften und einer rekultivierten Natur zu schulden ist, die immer mehr Erholungssuchende anlockt. Und die wiederum bringen Wohlstand, sorgen für Zukunftsperspektiven, aber auch für Probleme, die einmal mehr zeigen, dass jede Medaille zwei Seiten hat. Klingt, wie jede Floskel abgedroschen, birgt aber immer auch eine innere und sehr konkrete Wahrheit. Die L-IZ hat sich mit Schütze getroffen, um über all das zu reden, was ein Stadtoberhaupt, seine Bürger und alle, die Markkleeberg aufsuchen, um dort ihren Urlaub zu verbringen, beschäftigt.
Herr Schütze, Sie sind seit November 2013 Oberbürgermeister einer Stadt, die sich einer mehr als günstigen Entwicklung gegenüber sieht.
Also, wenn ich da mal persönlich eine Bilanz ziehe, finde ich das noch zu früh. Man sollte da schon mal die Legislaturperiode von Sachsen berücksichtigen, die sieben Jahre betrifft. Danach könnte man sicher Ergebnisse vorlegen, sagen, was gelungen ist, was nicht. Was noch gemacht werden müsste.
Aber sicher hat sich seit Ihrem Amtsantritt das eine oder andere getan.
Das kann man so sagen. Da möchte ich sagen, dass man in Markkleeberg im Rathaus harte Arbeit leistet. Dazu zählen zahlreiche Projekte und Bauvorhaben. Alleine im Juli hatten wir hier 50 Vergabeverfahren. Und hinter den meisten dieser Verfahren steckte dann auch eine Investition, ein Vorhaben, was demnächst realisiert werden soll.
Worauf sind Sie persönlich stolz?
Im Vorjahr haben wir neue Wege hinsichtlich der Bürgerbeteiligung beschritten. Da sind zwei Beispiele zu nennen. Einmal die Erarbeitung der ÖPNV-Konzeption und zum Zweiten die Bürgerbeteiligung zum Wettbewerb „Neue Stadtmitte in Markkleeberg“. Was wir dort gemacht haben, hat überregional für Beachtung gesorgt. Gerade der Wettbewerb „Stadtmitte“, zu dem ich im Juni bei der sächsischen Architektenkammer einen Vortrag halten durfte, weil das Interesse wirklich groß war, auch wie wir diesen Wettbewerb angegangen sind. Wir haben nämlich erstmal Ideen eingesammelt und dann dem Stadtrat vorgelegt.
Seit der Wende hat Markkleeberg eine rasante Entwicklung hingelegt. Wie hat sich das auf die Einwohnerzahl niedergeschlagen?
Wir gehören auch zu den Kommunen mit steigender Einwohnerzahl und haben jedes Jahr Zuwächse zu verzeichnen. Wir haben die 24.000er Marke überschritten und müssen uns Gedanken machen, wie es in Zukunft weitergehen soll. Deshalb haben wir das Konzept „Markkleeberg 2030“ ins Leben gerufen. Damit wollen wir inklusive Bürgerbeteiligung ein Leitbild erstellen. Wo gehen wir hin, wie viele Einwohner soll die Stadt im Jahr 2030 mal haben? Wie und wo könnten wir gegebenenfalls noch Wohn- und Gewerbegebiete entwickeln. Oder stellen wir fest, dass die Entwicklung auf sagen wir 26.000 Einwohner begrenzt ist. Auch das kann durchaus passieren.
Das Thema Touristik spielt eine immer größere Rolle. Dabei ist die Entwicklung im Leipziger Neuseenland nicht unwichtig. Wie hat sich die Entstehung dieser neuen Kulturlandschaft auf das Stadtbild und die Entwicklung Markkleebergs ausgewirkt?
Vor 25 Jahren wäre eine solche Entwicklung unvorstellbar gewesen. Auch die Vorstellung, dass hier in diese Region, in den Südraum Leipzig, einmal Touristen kommen würden, war nicht für möglich gehalten worden. Aus einer Industrie- und Bergbauregion mit erheblichen Umweltschäden und Luftverschmutzung sowie großer Schadstoffbelastung ist ein Naherholungsgebiet geworden. Und das innerhalb eines relativ gesehen sehr kurzen Zeitraums von 25 Jahren. Es ist wirklich faszinierend, was sich hier getan hat und immer wieder auch unglaublich.
Nicht zuletzt wegen der beiden Seen.
Ja, Markkleeberg war in der glücklichen Lage, dass die beiden Seen zuerst entwickelt wurden. Der Cospudener See ist im Jahr 2000 in Betrieb gegangen und der Markkleeberger See im Jahr 2007. Und rund um diese Seen ist eine Naherholungslandschaft entstanden, die eine Anziehungskraft besitzt. Zum einen für die Markkleeberger selbst, aber auch für Menschen aus der Region sowie auf Gäste von weit außerhalb.
Nicht zuletzt wegen der Infrastruktur rund um die beiden Seen.
Das ist richtig. Das Übernachtungsgewerbe sowie die Gastronomie haben sich enorm entwickelt. Im Bereich Sport und Freizeit sind Dinge wie der Kanupark, ein Kletterpark und zahlreiche Angebote rund um den Wassersport entstanden. Verleihstationen für Boote und Kanus sowie eine Fahrgastschiffahrt haben sich entwickelt. Und das alles in relativ kurzer Zeit, so dass wir feststellen können, dass der Tourismus ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor ist.
Wie hat sich das auf die Übernachtungszahlen ausgewirkt?
Sehr positiv. Wir haben permanent steigende Übernachtungszahlen, so dass wir momentan gar nicht hinterherkommen. Alleine auf dem Gebiet der Stadt Markkleeberg hatten wir im letzten Jahr 140.000 Übernachtungen. Das ist schon bemerkenswert, wenn man das mal mit anderen Regionen vergleicht. Das ist eine beachtliche Zahl. Das Übernachtungsgewerbe in Markkleeberg hat dabei eine extrem hohe, überdurchschnittliche Auslastung. Gerade in den Sommermonaten ist es schwierig, hier in der Stadt und der Umgebung eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden. Die Hotels und Pensionen sind mitunter komplett ausgebucht.
Das klingt ganz nach Mehrbedarf.
So ist es. Wobei wir hier keine Bettenburgen bauen wollen, was auch gar nicht herpassen würde. Aber ich denke, der Weg, den wir eingeschlagen haben, sollte weiter gegangen werden. Also Hotels beziehungsweise Pensionen mit einer überschaubaren Zahl an Übernachtungsmöglichkeiten. So könnte ich mir eine kleinere Pension mit etwa 150 Betten am Cospudener See vorstellen, sowie ein Hotel am Markkleeberger See oder eine Erweiterung der dortigen Ferienhaus-Siedlung. Das werden wir in Angriff nehmen müssen, weil der Bedarf wirklich da ist.
Die Anbindung an den Zwenkauer See ist in Arbeit, obwohl noch nicht ganz abzusehen ist, wann das genau sein wird.
Also, was die jetzige Entwicklung betrifft, so glaube ich nicht, dass die Anbindung vor dem Jahre 2021 geschehen wird. Da gibt es zu viele Unwägbarkeiten aufgrund der Bodenbeschaffenheit. Das ist immerhin ehemaliges Bergbaugelände. Ein bautechnisch schwieriges Unterfangen. Das ist eben Kippengelände. Das zeigen auch gerade jetzt die Wassereinbrüche, die es da gibt. Es war von Anfang an klar, dass das teuer wird und lange dauern kann.
Wo wir gerade von den Seen sprechen. Wie hat sich die Wassertouristik auf Markkleeberg ausgewirkt?
Rund um die Markkleeberger Seenlandschaften sind viele Betriebe entstanden, die auch maßgeblich vom Tourismus leben. Auch von Freizeittouristen. Und wenn ich mir mal die Fahrgastschifffahrt betrachte, sind auf dem Markkeeberger See zwei nagelneue Fahrgastschiffe zu Wasser gelassen worden. Dabei handelt es sich um eine reine Privatinvestition. Dort hat ein Privatmann Millionen in den Aufbau einer Personenschifffahrt investiert. Und das in einer Tagebaufolgelandschaft, was für mich damals ein enormes unternehmerisches Risiko darstellte. Umso erfreulicher ist es zu sehen, dass die Personenschifffahrt unwahrscheinlich gut angenommen wird.
Neu ist auch, dass Sie eine Touristinformation in der Stadt für das gesamte Leipziger Neuseenland eröffnet haben?
Das ist richtig. Hier haben wir schon einen Anspruch und wollen Qualität bieten. Das ist ein Dienstleistungsbetrieb, der sich sehen lassen kann, mit einer Vielzahl von Angeboten. Das bedeutet auch eine Belebung für das Markkleeberger Stadtleben. Weil es schwierig ist, den Innenraum von Kleinstädten mit Leben zu erfüllen. Gerade, wenn man eine Stadt wie Leipzig quasi vor der Haustüre hat.
Auch an Markkleeberg ist die Thematik Motorboot nicht vorbei gegangen.
Da haben wir in Markkleeberg eine klare Position. Wir wollen an unseren Seen keinen privat betriebenen Motorbootverkehr. Punkt. Das wurde auch so vom Stadtrat beschlossen.
Das ist ja nicht gerade kongruent zur Strategie, die in Zwenkau gefahren wird. Das sieht nach Gesprächsbedarf aus, wenn erst einmal die Anbindung an den Zwenkauer See fertig ist.
Wenn ich mal auf die Entwicklung der letzten 25 Jahre der Seenlandschaft zurückschaue, stand immer im Vordergrund, dass jeder See sein eigenes Gesicht haben sollte. Also fanden auch an verschiedenen Seen verschiedene Entwicklungen statt. Es gibt Seen, die sind rein der Natur vorbehalten, wo man auch keine Bebauung oder andere Erschließungen vorfindet. Woanders gibt es eben touristische und sportliche Angebote, andere wiederum, wie der Hainersee, ermöglichen Wohnen am Wasser und Zwenkau hat schon alleine wegen seiner Größe von Anfang an beschlossen, Motorboote zuzulassen. Aus meiner Sicht will ich mich da auch nicht in die Zwenkauer Belange einmischen. Weil jede Anrainerkommune muss auch für sich selber bestimmen können, wo die Reise hingeht. Dennoch finde ich es gut, dass die Diskussion um die Charta Leipziger Neuseenland stattgefunden hat. Es gibt in dieser Charta eine eindeutige Formulierung, was generell das Neuseenland anbelangt. Das betrifft den Vorrang der Elektromobilität.
Was bekanntermaßen nicht so leicht umsetzbar ist.
Richtig, dennoch stehe ich dazu, wohl wissend, dass 100 Prozent E-Mobilität noch nicht umsetzbar sind. Aber es sollte ein klar definiertes Ziel sein, was wir in der Region auch weiter verfolgen. Es wird also ganz entscheidend sein, ob diese Zielsetzung der Charta Leipziger Neuseenland aufgenommen wird in den Regionalplan Leipzig, Westsachsen, weil dieser dann rechtsverbindlich ist. Weil die Charta ja selbst keinen Gesetzescharakter hat. Und wenn dann ein Unternehmer sagt, dass er lieber Benzin getriebene Boote einsetzen will, weil er sich die teureren E-Boote nicht leisten kann, mag das am Anfang funktionieren. Aber die Zielsetzung sollte schon sein, dass das Verleihsystem auf E-Boote umgestellt wird. Denn die technische Entwicklung auf diesem Gebiet geht sehr schnell voran, was Leistung, Reichweite und Batteriekapazität betrifft. Was wir auf unseren Tagebauseen brauchen, sind klare Regelungen bezüglich der Anzahl der Boote, bezüglich der Geschwindigkeit, der Abgasnormen beziehungsweise der Umweltfreundlichkeit, Mindestabstände zum Ufer müssen geregelt werden, Fahrverbotszonen müssen beachtet werden.
Denken Sie wirklich, dass sich die E-Boote durchsetzen werden?
Es gibt Seen, wo ausschließlich E-Boote unterwegs sind, zum Beispiel der Chiemsee in Bayern. Das funktioniert schon.
Markkleebergs wirtschaftliche Entwicklung ist bekanntermaßen positiv. Welche Folgen hat das für die Beschäftigung?
Nach der Wende hatten wir hier in der Region über 20 Prozent Arbeitslosigkeit, jeder Fünfte war ohne Job. Es gab einen Umbruch. Deshalb hat man hier auf die Entwicklung von Gewerbegebieten gesetzt, mit Erfolg. Wir sind zu nahezu 100 Prozent ausgelastet, haben eine Vielfalt an Unternehmen, die sich hier niedergelassen haben. Wir haben auch eine eigene Abteilung zur Wirtschaftsförderung mit zwei Mitarbeiterinnen. Das ist eher die Ausnahme für eine Kommune dieser Größenordnung. All das hat sich auch auf die Arbeitslosenzahl ausgewirkt, die zur Zeit mit 5 Prozent sehr gut ist.
Welche Auswirkung hat diese Entwicklung für die Gewerbesteuer, bekanntermaßen eine wichtige Einnahmequelle für Kommunen?
Die Gewerbesteuer ist in diesem Jahr der größte Einnahmefaktor. Wir haben im Plan ca. 9,5 Millionen Euro bei einem Haushalt von 40 Millionen. Im Vergleich zu westlichen Kommunen vielleicht nicht so viel, aber für unsere Verhältnisse schon beachtlich. Dadurch können wir auch in Kitas und Schulen investieren. Heißt aber auch, dass wir weitere Flächen für Gewerbe bereitstellen müssen. Unsere Kapazitäten sind begrenzt.
Apropos Kitas, wie sieht es da mit der Versorgungslage aus?
Das ist zur Zeit mein größtes Problem. Wir werden sozusagen überrollt von der Zahl der Kinder, die in die Einrichtungen sollen. Trotz aller Planungen und Schätzungen haben wir durch den bestehenden Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ein Problem. Statt der vorher erwarteten 80 Prozent sind es nun rund 95 Prozent der Kinder, die einen Platz brauchen. Das führt zu einem größeren Platzbedarf, den wir momentan nicht decken können. Und das trotz der Tatsache, dass wir vor zwei Jahren zwei neue Einrichtungen in Betrieb genommen und eine erweitert haben. Noch in diesem Jahr werden wir eine Interim-Tagesstätte aus Containern errichten und weiter geplant ist eine Einrichtung unter der Ägide der städtischen Wohnungsbaugesellschaft in Gaschwitz und eine weitere ist in Zöbiger in Planung. Damit hätten wir dann insgesamt 17 Einrichtungen.
Die Flüchtlingsproblematik macht derzeit vielen Kommunen zu schaffen. Wie sieht es in Markkleeberg aus?
Für die Unterbringung ist die Landkreisverwaltung zuständig, mit der es einen engen Kontakt und eine gute Zusammenarbeit gibt. Wir haben im Vorjahr verfügbare und geeignete Wohnungen bzw. Unterkünfte gemeldet, wie andere Kommunen auch. Derzeit sind in Markkleeberg 44 Asylbewerber dezentral in Wohnungen untergebracht. Die Zahl ergibt sich zwangsläufig, da wir nur begrenzt Wohnraum zur Verfügung haben. Wir haben hier den geringsten Wohnungsleerstand in ganz Sachsen.
Wo bewegen sich die Miet- und Grundstückspreise?
Die Mieten sind vergleichbar mit denen von Leipzig. Das schwankt so zwischen sechs bis zehn Euro kalt pro Quadratmeter, teilweise noch darüber. Das bedeutet auch für die städtische Wohnungsbaugesellschaft eine Verantwortung, weil wir als Stadt auch Menschen mit nicht so hohem Einkommen Wohnraum zur Verfügung stellen müssen. Die wirtschaftliche Entwicklung hat sich auch auf die Grundstückspreise ausgewirkt. Es hat die letzten zwei, drei Jahre eine rasante Entwicklung gegeben. Inzwischen liegen die Quadratmeterpreise hier über 250 Euro pro Quadratmeter. Das geht im Seenbereich bis hin zu über 600 Euro.
Vielen Dank für das Interview.
Keine Kommentare bisher
Statt “Filetstück” im Speckgürtel könnte man auch etwas weniger wohlwollend von der “Made im Speck” sprechen. Alles, wessen sich Markkleeberg im Vergleich zu anderen Städten vergleichbarer Größenordnung rühmt, ist nur – und zwar im Sinne von: ausschließlich – seiner Lage am Stadtrand von Leipzig, oder genauer: zwischen Leipzig und dem Leipziger Neuseenland geschuldet. Gefühlte 90% der Besucher an den Seen sind Leipziger und geschätzte 90% der Markkleeberger arbeiten – wie auch der Bewohner anderer Gemeinden im Leipziger Umland – bei Arbeitgebern, die es nur gibt, weil es Leipzig gibt (wenn sie nicht sowieso in Leipzig arbeiten). Da muss man als Bürgermeister schon viel falsch machen, wenn es der Gemeinde nicht gut gehen soll…