Dass die Akteure im Leipziger Neuseenland so einig nicht sind, wie sie sich immer geben, wurde am 7. Mai sichtbar, als der Landkreis Leipzig auf Antrag der Stadt Zwenkau einfach mal die wasserrechtliche Genehmigung für 320 Sportboote ausreichte. Motto: See fertig, dann können wir auch viele Motorboote fahren lassen. Ein Vorgang, der den Umweltverband Leipziger Ökolöwe am 3. Juni veranlasste, Widerspruch einzulegen.
Der Widerspruch gilt bis heute. Und er macht sichtbar, dass im ganzen Diskussionsprozess um die “Charta Leipziger Neuseenland 2030” nie wirklich gemeint war, was gesagt wurde. Eine echte Schein-Bürgerbeteiligung, die am Ende ein Ergebnis hat, das nichts und niemanden im Leipziger Neuseenland an irgendetwas bindet. Schon gar nicht an das Versprechen, den Willen der Bürger im Neuseenland zu berücksichtigen.
Schon zur Mittagszeit versuchte der Landkreis Leipzig am Donnerstag, 2. Juli, den Widerspruch des Ökolöwen als eine dreiste Bremse darzustellen. Am Wochenende, 4. und 5. Juli, soll das “10. Fun- und Trendsportwochenende” am Zwenkauer See stattfinden. Aber die Mastergenehmigung für die 320 Motorboote ist blockiert. Also tat man sogar noch wehleidig: “Die Jubiläumsveranstaltung 10 Jahre ‘Fun- und Trendsportwochenende im Landkreis Leipzig’ bringt unter anderem am Austragungsort, Zwenkauer See mit sich, dass der Veranstalter besonders in Augenschein genommen wird. Der dem Landratsamt Landkreis Leipzig vorliegende Widerspruch zur Mastergenehmigung bezüglich der Nutzung der Wasserflächen des Zwenkauer Sees lässt aktuell keine motorisierten Wassersportaktivitäten zu. Wir bitten diesbezüglich um Verständnis.”
Der Widerspruch gilt aber nur für die Mastergenehmigung. Die Untere Wasserbehörde im Landkreis könnte die Genehmigungen genauso ausführen wie am Cospudener See. Das verschweigt diese Nachricht. Jeder einzelne Bootsbesitzer könnte eine Genehmigung beantragen. Dann wäre auch die Prüfung für jedes einzelne Boot gewährleistet.
Aber weder im Landkreis Leipzig noch in Zwenkau will man kleine Brötchen backen. Eher wollte man mit der Mastergenehmigung zeigen, dass man von all den Diskussionen um spritbetriebene Motorboote im Neuseenland gar nichts hält.
Und daran hat sich auch bis Donnerstag, 2. Juli, nichts geändert.
Dafür versucht die Stadtverwaltung von Zwenkau, den Widerspruch des Ökolöwen zu banalisieren.
“Durch das Landratsamt Landkreis Leipzig wurde der Stadt Zwenkau mit Datum vom 07. Mai 2015 eine wasserrechtliche Gestattung erteilt, welche die Nutzung des Gewässers mit 320 Sportbooten zu Erholungszwecken, davon max. 100 reine Motorboote mit Verbrennungsmotor, zulässt”, versucht die Zwenkauer Stadtverwaltung nun ihre Sicht der Sache darzulegen. “Hiergegen hat der Ökolöwe Umweltbund Leipzig e.V. mit Schreiben vom 03. Juni 2015 Widerspruch eingelegt. Der Verein macht geltend, durch den Betrieb von Motorbooten könnten sowohl Schutzgebiete als auch geschützte Arten stark beeinträchtigt werden. – Wir teilen diese Auffassung nicht. Mögliche Auswirkungen des Betriebes von Motorbooten sind vor Erteilung der Gestattung gutachterlich untersucht worden. Die Gutachter haben etwaige Beeinträchtigungen verneint. Die Forderung des ‘Ökolöwen’ nach neuen Gutachten lehnen wir ab.”
Die Anführungszeichen für den Ökolöwen stammen aus Zwenkau.
Läuft der Streit wirklich auf der Ebene Ökolöwe/Zwenkau? Das könnte ein Trugschluss sein, auch wenn man im Zwenkauer Rathaus felsenfest der Ansicht ist, der Landkreis könne den Widerspruch am 8. Juli einfach vom Tisch wischen.
Oder in der Zwenkauer Formulierung: “Da eine Verständigung mit dem ‘Ökolöwe’ trotz intensiver Bemühungen nicht gefunden werden konnte, muss nunmehr über den Widerspruch behördlich entschieden werden. Nach der rechtlichen Auffassung der Stadt Zwenkau ist der Widerspruch selbst bereits unzulässig. Abgesehen davon ist er auch in der Sache nicht begründet. – Nach Rücksprache mit dem Verfahrensführer, Umweltamt des Landkreises Leipzig, endet die Anhörungsfrist für den Widerspruch am Mittwoch, den 08. Juli 2015. Nach Ablauf dieser Frist wird das Umweltamt des Landkreises Leipzig unverzüglich über den Widerspruch entscheiden. – Die Stadt Zwenkau wird auch weiterhin alles Mögliche unternehmen, um schnell eine Nutzung des Zwenkauer Sees auch mit Motorbooten wieder zu ermöglichen.”
Tatsächlich liegt der Streit gar nicht auf Kreisebene. Längst ist die Landesdirektion Leipzig eingeschaltet. Involviert war sie auch schon vorher. Denn seit Monaten läuft das Verfahren zur Schiffbarkeitserklärung der Gewässer im Neuseenland. Dazu waren alle Akteure im Neuseenland aufgefordert, ihre Stellungnahmen einzureichen, denn wenn es eine Schiffbarkeitserklärung gibt, dann mit einheitlichen Regeln für alle vier Seen und alle Verbindungsgewässer. Und es werden auch alle Grenzwerte drin aufgeführt, die zum Beispiel für Boote gelten. Im Rahmen dieses Verfahrens hat der Ökolöwe übrigens beantragt, ein Gutachten über die Grenzen der Belastbarkeit durch (Motor-)Boote erstellen zu lassen. Es gibt nämlich noch keines. Schon gar nicht für 100 spritbetriebene Motorboote auf einem einzelnen See.
Was es gibt, sind Untersuchungen zur Belastung etwa des Cospudener Sees durch die dort fahrenden Boote mit Motor. Die Wasserbelastung ist bislang nicht auffällig. Das System der Einzelgenehmigungen, das hier nun seit 15 Jahren praktiziert wird, scheint also ganz gut zu funktionieren.
Auch die Ausweisung von Uferzonen (zum Beispiel mindestens 50 Meter für Badestrände – denkt man in Zwenkau überhaupt an Badende?) oder Schutzgebieten (Brut- und Vogelschutzgebiete gibt es auch am Zwenkauer See) wird dafür sorgen, dass eine “Mastergenehmigung” für 320 Motorboote sich als illusorisch erweist. Damit signalisiert Zwenkau zwar, dass man alle Motorbootbesitzer einlädt, auf dem See zu fahren. Aber die Zahl ist durch kein Gutachten untermauert und wahrscheinlich auch nicht mit den Belastungsgrenzen des Sees vereinbar.
Es geht am Ende schlicht darum, eine Genehmigungspraxis zu finden, die die Belastungsgrenzen des Sees akzeptiert und nicht via Medien suggeriert, in Zwenkau wäre möglich, was auf den anderen Seen schon von vornherein nicht ging. Dass man dabei die eigentliche Idee des Neuseenlandes, nämlich den Respekt vor allen anderen Nutzern, unterläuft, ist eher der tragische Aspekt dabei. Vertrauen baut man damit nicht auf. Und gegen den Ökolöwen, der ein anerkannter Umweltverein mit in 25 Jahren gewachsenen Kompetenzen ist, zu schießen, als sei das nur ein Spielverderber, wirkt auch aus einem Rathaus kleinlich – aber nicht kompetent.
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Um mir bei dem schönen Wetter möglichst wenige bzw. keine Kritiken zu dieser Thematik einzuhandeln, noch folgende kurze Hinweise.
Der Widerspruch des Ökölöwen hat aufschiebende Wirkung bezüglich der erteilten Genehmigung. Die Genehmigung kann also durchaus nicht wirksam werden. Wesentliche Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Ökolöwe nachweisen kann, dass durch Motorboote tatsächlich eine Verschmutzung – hier des Zwenkauer See – erfolgt. Bei der ersten Anhörung in der Rechtsaufsichtsbehörde war vom Ökolöwen kein Vertreter erschienen (laut Informationen in der LVZ wegen Krankheit).
Sollte der Ökolöwe jedoch nicht in der Lage sein (z.B. durch ein Gutachten) den Nachweis zu erbringen, dass ein Verschmutzung des Gewässers durch Motorboote erfolgt, dann sind die Chancen des Widerspruchs äußerst gering. Kann er jedoch andererseits ein solches Gutachten vorlegen (aber nicht erst in ein paar Wochen), dann ist die Nutzung durch Motorboote hinfällig bzw. ein derartiger Einsatz rechtlich nicht gestattet.
Ich findet übrigens eine Mastergenehmigung durchaus sinnvoll, weil dadurch für ein solches Verwaltungsverfahren der Aufwand wesentlich reduziert werden kann.