LeserclubDie heutige Sitzung des Markkleeberger Stadtrates hat eines gezeigt: Die Werte und daraus abgeleiteten Prognosen von vor einem halben Jahr sind nicht das Papier wert, auf dem sie stehen. Im Februar ging man für den Herbst 2015 noch von "nur" 41 fehlenden Plätzen im Krippenbereich aus. Plötzlich sind es doppelt so viele. Der Landkreis Leipzig fordert von der Stadt Markkleeberg, "zeitnah" mindestens 80 neue Krippenplätze bereitzustellen. 70 Kindergartenplätze fehlen plötzlich auch. Was ist passiert? Die Verunsicherung bei den Stadträten ist groß - die Diskussion war lang.
Als die Stadträte im Februar über die Bedarfsplanung der kommenden Jahre für die Stadt Markkleeberg sprachen, war allen klar, dass da eine große Herausforderung auf die Stadt zukommen würde. Die Stadt wächst, die Geburtenzahlen steigen. Die Stadtverwaltung legte eine tabellarische Aufstellung vor, die klar zeigte, welchen Platzbedarf man in den Kindertageseinrichtungen erwarte. Die Verwaltung meldete 323 Krippen- und 860 Kindergartenplätze. Die Zahlen zeigten aber auch, dass in einigen Bereichen die Betreuungsplätze schon knapp werden.
Aus unserem Artikel vom 19. Februar 2015: “Im Sommer 2015, wenn die Vorschulkinder den Kindergarten in Richtung Schule verlassen werden, warten viele Eltern drauf, einen der begehrten frei werdenden Plätze zu bekommen. Doch Markkleeberg wächst. 214 Kinder waren zum Stichtag 30.06.2014 unter einem Jahr alt, 434 Kinder waren zwischen einem und drei Jahren alt, 936 Kinder gehörten zur Altersgruppe der 3- bis 6-Jährigen. Bei einem von der Stadtverwaltung zugrunde gelegten Betreuungsbedarf von 90 Prozent im Kinderkrippen- und 98 Prozent im Kindergartenbereich ergibt sich für den Sommer/Herbst 2015 ein Bedarf von 330 Krippen- und 860 Kindergartenplätzen.
Davon werden nochmals die Kinder abgezogen, die zwar in Markkleeberg wohnen, aber nicht hier einen Kita-Platz in Krippe oder Kindergarten in Anspruch nehmen (25 + 65 Kinder), und die Kinder hinzugerechnet, die außerhalb der Stadt wohnen, aber hier in einer Kita betreut werden (5 + 15 Kinder). Im Ergebnis fehlen im Sommer 2015 41 Plätze in der Kinderkrippe und 7 Plätze für die Kindergartenbetreuung.
Markkleebergs OBM Karsten Schütze kündigte in der Stadtratssitzung an, dass man – mit seinen Worten – nun zum Handeln gezwungen sei und alle Maßnahmen prüfe, wie man kurzfristig Engpässe abdecken könne.”
Dass dieser im Februar geäußerte Abschlusssatz doch weitreichendere Folgen haben würde, das war wohl selbst dem Markkleeberger OBM damals noch nicht klar.
Ein OBM in Erklärungsnot
Und so musste Karsten Schütze heute weit ausholen, um den Stadträten den zeitlichen Hergang dieser Forderung des Landkreises zu erklären: Als Basis für die Prognosen im Februar 2015 dienten die ermittelten Werte aus dem Juni 2014. Eine schlechte, weil zu alte Datenbasis, wie sich nun zeigt. Die Stadtverwaltung meldete die Planzahlen zu den Betreuungsplätzen an das zuständige Jugendamt des Landkreises Leipzig. Dort prüfte man und kam zu dem Ergebnis: Das reicht so nicht. Und das Jugendamt forderte die schnellstmögliche Schaffung von weiteren 80 Krippen- und 70 Kindergartenplätzen, um den Bedarf abzudecken.
So wurden im Markkleeberger Amt die aktuellen Zahlen aus dem Einwohnermelderegister geholt. Mit dem gleichen Ergebnis: Das Defizit bei den Krippenkapazitäten für den Schuljahresbeginn 2015 ist von 41 fehlenden Plätzen auf nunmehr 72 angewachsen. Zudem sei man bei bisherigen Hochrechnungen bei den Kinderkrippen immer von einem Betreuungsschlüssel von 80 bis 90 Prozent ausgegangen, was aber wohl immer noch nicht reiche. Schon kleine Abweichungen in der Prozentzahl nach oben erhöhen den Bedarf enorm. Aktuell gehe man nun eher von 94 Prozent der Kinder im Alter von 1 bis 3 Jahren aus. Der OBM wird nicht müde zu betonen, dass so eine Planung eben auch viel von einem Blick in die Glaskugel hat, da man Planungen für noch nicht geborene Kinder machen müsse.
Und während OBM Karsten Schütze noch im Februar im L-IZ-Interview äußerte, dass es aufgrund des Rechtsanspruchs bisher keine Klagen von Eltern auf einen Kita-Platz gab, so klang heute doch die Befürchtung durch, dass auch Markkleeberg damit rechnen müsse, dass Eltern ihren Anspruch einklagen. Und wenn er seinen Taschenrechner rausnehme und das mal ausrechne, was ein halbes Jahr Schadenersatz für entgangenen Lohn bei 72 Kindern kosten würde …
Und so legte die Markkleeberger Stadtverwaltung den Stadträten in der heutigen Stadtratssitzung eine Beschlussvorlage auf den Tisch, mit der kurzfristig Kinderkrippenplätze bereitgestellt werden sollen: eine Interims-Kita in Container-Bauweise. Standort: Raschwitzer Straße 35. Darin sollen – den aktuellen Planungen und Vorgaben des Landkreises folgend – mindestens 72 Krippenkinder untergebracht werden. Die Voraussetzungen seien gut, da das Grundstück vorher bereits als Aufstellfläche für Container genutzt wurde und alle notwendigen Anschlüsse vorhanden sind. Auch eine Freifläche für die Spielmöglichkeiten im Außenbereich stehe zur Verfügung. Wenn man straff plane, sei das – so Schütze – bis zum Herbst zu schaffen.
Die Fragen der Markkleeberger Stadträte
Dementsprechend verwundert zeigten sich auch die Markkleeberger Stadträte. Hatten sie doch gerade vor einem halben Jahr, im Februar 2015, über die Kita-Bedarfsplanung beraten und abgestimmt. Der Bau der Kita am Sonnenweg wurde um ein Jahr vorgezogen.
Prof. Dieter Bormann (Die Linke) meldete sich als Erster. Für ihn sei das alles hier zu undurchsichtig. “Wo kommen plötzlich die Kinder her?” Er vermutet sogar, dass der Landkreis Leipzig dies der Stadt Markkleeberg aufs Auge drücken will und deswegen solche Vorgaben macht. Auf dieser Grundlage könne er nicht entscheiden. Auch Stadtrat Andreas Hesse (CDU) fragte, wer denn nun eigentlich die Planungen macht, Markkleeberg oder der Landkreis? OBM Karsten Schütze versucht zu beruhigen und beschreibt nochmals die prozentualen Hochrechnungen. “Es werden nicht 80 Prozent der Kinder betreut, sondern 94 Prozent.” Andreas Hesse fragt nach, ob denn sichergestellt sei, dass wirklich nur Kinder aus Markkleeberg dort betreut werden. Markkleebergs Verwaltungschef betont, dass das Jugendamt des Landkreises die Stadt Markkleeberg nicht mit dieser aktuellen Forderung nach weiteren Kapazitäten belastet, um Kinder aus anderen Städten oder umliegenden Gemeinden zu betreuen. Es gehe nur um Markkleeberger Kinder.
Volker Matting (FDP, CDU-Fraktion) will wissen, wie lange das Interim denn gebraucht werde und im Einsatz sein wird. Karsten Schütze erklärt, dass “die Container im Herbst stehen könnten” und dass diese Interimslösung mindestens bis zur Eröffnung der neu zu bauenden Kita am Sonnenweg benötigt werde. Die zweite Frage Volker Mattings, ob denn so kurzfristig überhaupt genug Personal vorhanden sei, um eine so große Kita zu eröffnen, beantwortet der OBM wie folgt: Er habe Gespräche mit dem DRK, dem zukünftigen Träger der Kita Sonnenweg, geführt. Die Geschäftsführung habe auf Anfrage zugesichert, dass man genügend Personal bereitstellen könne. Schütze weiter zu den Plänen: “Und wenn die neue Kita am Sonnenweg fertig ist, dann könnten die Kinder zusammen mit dem Personal vom Interim in das neue Gebäude wechseln.”
Annett Zange aus der CDU-Fraktion bringt mit ihrer Frage die Befürchtungen der Stadträte auf den Punkt: “Wer hat seine Hausaufgaben nicht gemacht? Wo kommen jetzt so plötzlich 72 Kinder her?” Und kopfschüttelnd fügt sie hinzu: “Sind es dann in einigen Monaten schon 100?” FDP-Mann Matting unterstreicht diese kritischen Fragen mit seiner Forderung an die Stadtverwaltung, in Zukunft aktuellere Zahlen für die Planungen zu nutzen und nicht welche, die dann schon anderthalb Jahre alt sind.
Sebastian Bothe (SPD) ergänzt zum Ende der Diskussion noch ein paar eigene Eindrücke, die er als Vater zweier Kinder in den Kitas gewonnen hat. Mittlerweile seien in den Kitas soviele Anmeldungen für jüngere Geschwisterkinder vorhanden, dass kaum noch Platz bleibe für das erste Kind einer Familie oder für zugezogene Neu-Markkleeberger. Man brauche also dringend weitere Kita-Plätze, da komme man nicht drumherum.
Die Abstimmung im Stadtrat
Dass man nicht wirklich drumherum kommt, weitere Betreuungsangebote zu schaffen, war natürlich auch den anderen Stadträten klar. Die Diskussion zeigte nur sehr klar, dass das Problem der Kinderbetreuung nicht gelöst ist, weil man vor einem halben Jahr einer Bedarfsplanung und dem um ein Jahr vorgezogenen Bau einer Kita zugestimmt hat. Das Thema wird die Stadträte auch weiter begleiten und die zuständigen Mitarbeiter der Stadtverwaltung behalten jetzt vielleicht die Entwicklung der Bevölkerungszahlen etwas besser im Auge, um schneller auf Abweichungen reagieren zu können.
17 Stadträte stimmten für den Bau der Interims-Kita in der Raschwitzer Straße, einer dagegen, zwei enthielten sich der Stimme.
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