Noch rollt und rockt die Sache, auch wenn der Kreistag des Landkreises Leipzig am 8. Juli das geplante ÖPNV-Konzept für Markkleeberg abgenickt hat. Nur zur Erinnerung: Darin enthalten ist auch die Streichung der Straßenbahnlinie 9 auf Markkleeberger Gebiet. Ein Thema, das damit freilich nicht abgegessen ist, denn der Ökolöwe sammelt noch Stimmen für eine Petition, die im Herbst in den Leipziger Stadtrat soll.

Denn bis zum Forsthaus Raschwitz fährt die Linie 9 nun einmal auf Leipziger Gebiet. Sie bindet den Südwesten von Connewitz an, den Wildpark und den Wolfswinkel. Und es hat schon einen gewissen Grad an Ignoranz, wenn Markkleeberg und der Landkreis beschließen, die Straßenbahn nach Markkleeberg-West für sich einfach zu kappen, ohne dazu ein Votum des Leipziger Stadtrats zu suchen.  Mit Leipzigs Verwaltung hat man in gewisser Weise geredet.

Die Leipziger Stadtverwaltung hat auch so ihre Meinung. Und sie hat jetzt auf einen Antrag der Linksfraktion reagiert, die im Mai schon einmal deutlich gemacht hat, dass die wilde Linienkürzerei im Süden überhaupt keinen Sinn ergibt, erst recht nicht vor dem Hintergrund, dass die Verfasser der “Charta Leipziger Neuseenland 2030” eben noch vollmundig versprachen, die ÖPNV-Verbindungen ins Neuseenland sollten verbessert werden. Stattdessen werden sie gerade für die Leipziger verschlechtert. Da stimmt einfach was nicht.

Warten auf den Leipziger Nahverkehrsplan?

“Im Rahmen der Überarbeitung des Nahverkehrsplans der Stadt Leipzig wird der Oberbürgermeister beauftragt zu prüfen, welche Möglichkeiten für eine attraktive schienengebundene ÖPNV-Anbindung des Cospudener Sees und des Markkleeberger Sees bestehen und unter welchen Rahmenbedingungen diese umsetzbar wären”, hatte die Linksfraktion beantragt. Und erläutert: “Leipzig wächst und braucht einen attraktiven Nahverkehr, sowohl innerstädtisch für den täglichen Berufs-, Schüler- und Einkaufsverkehr als auch in die Stadtrandbereiche hinein. Ganz besonders die sich entwickelnden Seen im Leipziger Umland ziehen mit ihrer Vervollkommnung immer mehr Menschen an. Ein hohes PKW-Aufkommen und große Parkplätze würden der Erholungsfunktion und der klimatischen Bedeutsamkeit dieser Bereiche für die Großstadt entgegenwirken. Das aktuell bestehende Schienennetz ist gut geeignet, um den Cospudener See und den Markkleeberger See an den ÖPNV anzubinden.”

Das wagte denn Leipzigs Verwaltung auch nicht einfach vom Tisch zu wischen. Das Dezernat Stadtentwicklung und Bau hat jetzt so etwas wie einen Alternativvorschlag vorgelegt, der aber die ganze heillose Situation im Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) und damit auch im Auftragsgebiet der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) beleuchtet.

Das geht bei der Linie 9 los, für deren Verlängerung bis zum Cospudener See die Befürworter viele einleuchtende Gründe vorgebracht haben. Jetzt erklärt Leipzigs Verwaltung, warum die Verkehrsplaner diese Variante gleich zu Anfang aus dem Rennen geworfen haben.

“Eine in der Öffentlichkeit diskutierte Verlegung der Straßenbahn über die Koburger Straße zum Hafen Zöbigker hat aus Sicht des MDV mehrere Nachteile, weshalb diese Variante bei der Entwicklung des ÖPNV-Konzepts Markkleeberg relativ früh ausgeschieden ist:

– keine Anbindung des Zentrums von Markkleeberg (Rathausstraße)

– keine Anbindung der Siedlung Eulenberg (inkl. Seniorenheim)

– keine Anbindung an die S-Bahn, insbesondere für Fahrgäste aus Richtung Süden.

– keine Verbesserung für die Schüler des Gymnasiums in Markkleeberg – diese müssten mehrfach umsteigen, da der vorgeschlagene Linienweg nur auf den direkten Linien Weg Leipzig – Zöbigker abzielt.

Um diese Nachteile zu vermeiden und alle genannten Gebiete zu erschließen, müsste zusätzlich zur Straßenbahnverbindung noch eine weitere Busverbindung angeboten werden. Diese würde die Kosten für die Aufgabenträger weiter erhöhen und keine herausragenden verkehrlichen Vorteile im Vergleich zum jetzt vorliegenden Konzept bedeuten.”

Diese zusätzliche Busverbindung muss auch mit dem neuen Markkleeberger ÖPNV-Konzept eingeführt werden, denn die Buslinien 70 und 107 decken ja die vier oben genannten Punkte ebenso wenig ab. Tatsächlich braucht das neue ÖPNV-Konzept in Markkleeberg mehr Fahrzeuge, nicht weniger.

Alles soll über die S-Bahn kommen

Aber seit Jahren ist in den Köpfen der Planer wie festgetackert die Grundannahme: Die Leipziger fahren mit der S-Bahn in den Süden. Oder mit den Marketing-Formulierungen des Verwaltungsstandpunktes: “Das neue ÖPNV-Konzept für Markkleeberg sieht hier einen Paradigmenwechsel zu Gunsten des öffentlichen Verkehrs vor.  – Die Hauptlast in Richtung Leipzig soll schienengebunden über die S-Bahn geführt werden. Die Anzahl der Fahrten werden dabei von 5 auf 6 Fahrten je Stunde/Richtung erweitert (Montag – Freitag). Samstag und Sonntag werden 4 vertaktete Fahrten je Stunde/Richtung angeboten. Die Feinverteilung übernimmt die geplante Stadtbuslinie ab dem S-Bahnhof Markkleeberg, über die der Cospudener See am Hafen Zöbigker und der Markkleeberger See in den Bereichen Seepromenade und Auenhain zukünftig direkt mit dem ÖPNV erreichbar sind. – Mit diesem Konzept wird eine neue Qualität im ÖPNV geschaffen, die deutlich über das bisherige Angebotsniveau hinaus geht und trotzdem den engen finanziellen Rahmen der Aufgabenträger berücksichtigt.”

Letzteres ist der eigentlich ausschlaggebende Punkt: Man versucht irgendwie zu sparen und dabei gleich noch die Leipziger mitzuerziehen, sie sollten doch jetzt bitte die S-Bahn benutzen und in die Busse umsteigen. Aber halt nicht direkt. Man fährt jetzt über Eck: “Deshalb erfolgt die Anbindung der touristischen Schwerpunkte im Bereich der Seen im ÖPNV-Konzept durch entsprechende Angebote im Busverkehr. So werden die Bereiche Hafen Zöbigker, Seepromenade und Auenhain ab dem 13.12.2015 direkt mit der geplanten Buslinie 106 erreicht werden können. Auch an Samstagen, Sonn- und Feiertagen werden diese touristischen Schwerpunkte mindestens im Stundentakt mit dem ÖPNV erreichbar sein.”

Linie 11 kommt irgendwann mal bis zum See

Dass zumindest Leipzigs Verwaltung wusste, was da in Markkleeberg gestrickt wurde, steht auch in der Vorlage: “Da einerseits im Rahmen des aktuellen Verkehrskonzeptes Markkleeberg, in dessen Bearbeitung auch die Stadt Leipzig einbezogen war, für den Landkreis Leipzig finanzierbare Verbesserungen in der Anbindung beider Seen vorgesehen sind und andererseits kostenintensive Schienenverkehrsmittel eher dort betrachtet werden sollten, wo ganzjährig mit einem hohen Verkehrsaufkommen zu rechnen ist, wird eine weiterführende Prüfung im Rahmen der Fortschreibung des Nahverkehrsplans als nicht erforderlich angesehen. Selbstverständlich werden aber die Ergebnisse des ÖPNV-Konzeptes Markkleeberg im Fortschreibungsprozess grundsätzlich mit berücksichtigt.”

Und da ist man jetzt bei der Frage: Was kann Leipzig noch tun?

So ein richtiger Alternativvorschlag ist es ja noch nicht, den das Planungsdezernat jetzt vorlegt hat. Es vertröstet eigentlich auch nur auf die Fortschreibung des Leipziger Nahverkehrsplans. Die hat noch nicht einmal begonnen, obwohl sie überfällig ist. Der aktuell gültige Nahverkehrsplan stammt von 2007.

Das Planungsdezernat: “In der Fortschreibung des Nahverkehrsplans der Stadt Leipzig werden die Ergebnisse des ÖPNV – Konzeptes Markkleeberg berücksichtigt. Im Rahmen dieses Konzeptes wurden bereits Varianten einer Straßenbahnverlängerung zu beiden Seen betrachtet. Das Konzept sieht langfristig die Verlängerung der Straßenbahnlinie 11 bis zum Markkleeberger See und kurzfristig eine verbesserte Busanbindung am Cospudener See und Markkleeberger See vor.”

Aber die Tarif- und Gemeindegrenzen sind in den Köpfen der Verantwortlichen wie festgemauert. Man fragt sich wirklich, warum sie alle im MDV zusammenhocken und dann doch wieder nur kleinteilige Nahverkehrspläne auf die Reihe kriegen.

Die Erklärung des Leipziger Planungsdezernats zum Markkleeberger Vorgehen klingt geradezu hilflos: “Die schienengebundene ÖPNV-Anbindung beider genannter Seen über die Straßenbahnlinien 9 und 11 betreffen das Gebiet des Landkreises Leipzig, Stadt Markkleeberg. Insofern kann der Nahverkehrsplan der Stadt Leipzig dazu allenfalls Empfehlungen abgeben. Die Voraussetzungen zur Realisierung müssen jedoch vom Landkreis Leipzig geschaffen werden, der auch die Investitions- und Betriebskosten zum größten Teil finanzieren müsste. Zudem wurde erst aktuell ein neues ÖPNV-Verkehrskonzept für Markkleeberg entwickelt, welches vom Landkreis Leipzig finanzierbare Verbesserungen zur Anbindung beider Seen mit untersucht hat.”

Dass die ganze Zeit über das Markkleeberger ÖPNV-Modell diskutiert wird, weiß aber die Linksfraktion. Und man wird es ganz bestimmt nicht als Alternativvorschlag auffassen, wenn Leipzig nun damit vertröstet, dass ja die Verlängerung der Linie 11 zum Markkleeberger See nicht ganz vom Tisch ist, eine Umsetzung aber erst zum Sankt Nimmerleinstag zu erwarten sei, oder mit den Worten des Planungsdezernates: “Die Verlängerung der Straßenbahnlinie 11 bis Markkleeberger See/ Seepromenade ist hingegen sowohl verkehrlich als auch wirtschaftlich sinnvoll und als optionaler Bestandteil im ÖPNV-Konzept berücksichtigt. Eine zeitnahe Realisierung ist jedoch wahrscheinlich nicht möglich.”

Dass aber das Thema Linie 9 nicht abgegessen ist, macht sogar eine Wortmeldung aus der Leipziger SPD-Fraktion deutlich.

„Mit dem Beschluss des Kreistages Leipzig vom 8. Juli 2015 fällt aller Wahrscheinlichkeit nach leider die direkte Anbindung des Wildparks vom Zentrum aus weg”, kommentiert SPD-Stadtrat Christopher Zenker den Beschluss, der für Leipzig eindeutig nachteilig ist. “Das macht die Nutzung des ÖPNVs, um zum Wildpark zum kommen, unattraktiver und die Verkehrssituation rings um den Wildpark wird sich, insbesondere an Wochenenden, weiter verschärfen. Wir begrüßen jedoch, dass als Ersatz zumindest eine Buslinie mit der gleichen Taktung ab Connewitzer Kreuz geschaffen wird.“

Aber im Herbst hat Leipzigs Stadtrat selbst die Chance, die Sache wieder in die Hand zu nehmen.

Die Stellungnahme der Leipziger Stadtverwaltung zum Antrag der Linksfraktion.

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Es gibt 2 Kommentare

>Die Hauptlast in Richtung Leipzig soll schienengebunden über die S-Bahn geführt werden. (…) Die Feinverteilung übernimmt die geplante Stadtbuslinie ab dem S-Bahnhof Markkleeberg,

Hier sieht man wieder sehr schön, dass die Leipziger Entscheider nach wie vor hinterm Mond leben.

Direkt(!) angrenzende Städte weiterhin “nur” mit S-Bahn anzubinden und auf eine Feinverteilung innerorts zu setzen, ist seit mindestens 20 Jahren wieder “out”. Diese S-Bahn-Anbindung kann man mit Städten im “übernächsten” Gürtel machen, aber nicht mit Nachbarstädten, die nur durch einen Stadtwald getrennt sind.

Wie gesagt, hier läuft alles nochmals wie im gebrauchten Westen vor 20-30 Jahren, und zwar in Echtzeit, nicht im Zeitraffer. Und in Leipzig versucht man stets immer wieder das Rad neu zu erfinden, auch wenn’s immer nur ein Sechseck wird. Halt bloß nicht auf gemachte Erfahrungen in anderen Metropolregionen zurückgreifen.

So langsam nervt das. Durch meine “Westreisen” und “Westaufenthalte” (darf man das alles überhaupt noch so sagen?) habe ich viele Vergleichsmöglichkeiten, und was hier im MDV angeboten wird, ist ungefähr der Zustand kurz nach Ende der Steinzeit. Faustkeile und Höhlenmalereien konnte man ja schon, das scheint hier den Autofahrerköpfen zu genügen.

Sieht so aus, als müsse Markkleeberg erst eingemeindet werden, ehe ein ganzheitliches Konzept im Leipziger Süden umgesetzt werden kann…

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