Für viele Bewohner des Landkreises Nordsachsen geht dieser Tage ein Albtraum zu Ende. Aus einem Schreiben der Landesdirektion Leipzig erfahren die Beteiligten am Raumordnungsverfahren für die neue B 87 (B87n), dass dieses Verfahren eingestellt wurde. Es wird keinen autobahnähnlichen Neubau durch die Tauchaer Endmoränenlandschaft geben. Mehrere Bürgervereine hatten sich seit Jahren gegen dieses unbezahlbare Projekt gesträubt.
Die Stadt Leipzig hatte vor den unabsehbaren Folgen für ihr eigenes Straßenetz im Nordosten gewarnt. Der regionale Planungsverband Westsachsen hatte sich nach einem langen Ringen darauf verständigt, den Aus- und Neubau der Bundesstraße auf das Notwendige zu reduzieren und vor allem keine neue Trasse durch die unversehrte Parthenaue zu bauen.
Doch dann kassierte der damalige sächsische Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) den Konsens einfach und ließ die ursprünglichen Planungen wieder aufnehmen – auch wieder mit Fahrzeugprognosen aus einer Zeit, als im deutschen Osten alles ins Gigantische zu wachsen schien. Doch alle jüngeren Zählungen und Prognosen zu dieser Verbindung zwischen Westsachsen und Südbrandenburg hatten keinen solchen Zuwachs mehr gesehen.
Eingebracht worden war das Ausbauprojekt in den Bedarfsplan für Bundesfernstraßen 2004, 2009 war es dann in das Raumordnungsverfahren gegangen. Wenn so ein Verfahren eröffnet wird, dürfen alle Betroffenen auch mit Stellungnahmen zu Wort kommen – auch die Umweltverbände wie der NABU, die sich engagiert an der Seite der Bürgerinitiativen gegen dieses überdimensionierte Projekt aussprachen.
Ursprünglich sollte die vierspurige Trasse mitten durch die Parthenaue und die Taucha-Eilenburger Endmoränenlandschaft führen. Der NABU Sachsen, allen voran die NABU-Regionalgruppe Partheland, hatte seit Jahren – unterstützt von Bürgerinitiativen – gegen die Straßenplanungen gekämpft.
„Das Engagement hat sich gelohnt“, erklärt jetzt Joachim Schruth, der die Verfahren seit sieben Jahren begleitet hat. „Die neue Straße hätte wertvolle und unverbaute Bereiche des Landschaftsschutzgebietes ‘Partheaue’, der Tauchaer Endmoränenlandschaft, der Mulde- und Elbaue wie auch Randbereiche der Dübener Heide zerschnitten. Für die hier in der Region lebenden Bürger hätte der Straßenneubau zu einem bedeutenden Verlust ihrer Lebensqualität geführt, Lebensräume für eine Vielzahl seltener Tier- und Pflanzenarten wären unwiederbringlich verloren gegangen und regionale Landwirtschaftsbetriebe stark beeinträchtigt worden.”
Die DEGES (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH), die vom sächsischen Verkehrsministerium mit der Planung der Trasse beauftragt worden war, hatte der Landesdirektion sogar schon am 15. März mitgeteilt, dass sie den Antrag auf Durchführung eines Raumordnungsverfahrens zurückzieht. Dabei wurde auch all den Beteuerungen der B87n-Befürworter der Boden entzogen. Denn in der Begründung heißt es: “Für einen autobahnähnlichen Neubau, wie bisher im Bedarfsplan für Bundesfernstraßen 2004 zwischen Leipzig und der Landesgrenze SN/BB vorgesehen und 2009 in das Raumordnungsverfahrten eingebracht, sind die wesentlichen Rahmenbedingungen nicht mehr gegeben. Die vorliegenden Planunterlagen sind für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht geeignet.”
Zu den Rahmenbedingungen gehören nun einmal die Verkehrsprognosen, die einfach einen Ausbau der Strecke nicht rechtfertigen. Außerdem ist die Erneuerung der Trasse völlig blockiert gewesen, weil es auch keine Chance gab, im Bundesverkehrswegeplan eine Priorität zu erlangen. Tatsächlich hat der Versuch, die Trasse vierspurig zu beplanen, zu einem jahrzehntelangen Stau in den notwendigen Sanierungen und Verbesserungen der Durchlassfähigkeit geführt.
Mit zahlreichen Protestaktionen hatte die NABU-Regionalgruppe Partheland von Anfang an auf das unsinnige Vorhaben aufmerksam gemacht. Gemeinsam mit ihrem Vorsitzenden Heiko Thonig organisierte die Regionalgruppe unter anderem Baumpflanzaktionen entlang des geplanten Trassenverlaufs, unternahmen Protest-Wanderungen gemeinsam mit betroffenen Anwohnern, beteiligten sich am Protestcamp und meldeten sich immer wieder in der Presse zu Wort. 2012 fand dann eine echte Januar-Demo in Leipzig statt.
Seit 2010 hatte das Raumordnungsverfahren im Prinzip geruht, “weil sich das raumplanerische Konzept und damit die wesentlichen Rahmenbedingungen grundlegend geändert haben”. Das war das Konzept des Planungsverbands Westsachsen, das dem damaligen sächsischen Verkehrsminister nicht gefiel. Die Entscheidung der DEGES und die nachfolgende Zustimmung der Landesdirektion waren also überfällig.
„Nun gibt es einen Grund zum gemeinsamen Feiern, mit unserem Saft von Streuobstbeständen aus der Parthenaue stoßen wir auf den Erhalt unserer Parthelandschaft an“, sagt Heiko Thonig.
Und frisch am 26. Juni als Meldung der Landesdirektion Leipzig:
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Für den Bau einer Straße auf dem Land gibt es notwendigerweise Verkehrsprognosen. Lassen diese den Bau einer Straße nicht zu, wird diese nicht gebaut.
Man wünscht sich diese Einsicht, auch und insbesondere, beim Bau von Wasserstraßen! Dort wird auf dieses rechtlich und wirtschaftliche Erfordernis eines maßgeblichen Güter- und Personentransportes gleich ganz verzichtet – und baut und widmet die Gewässer ohne diese rechtlichen Grundlagen…