LeserclubEs ist erst einmal ein Schwälbchen, das am Mittwoch, 20. Mai, im Leipziger Stadtrat aufflatterte. Die Linksfraktion brachte ihren Antrag ein, mit dem der Leipziger Stadtrat beschließen soll, dass die Straßenbahnlinie 9 auch nach dem Fahrplanwechsel im Dezember 2015 auf dem Streckenabschnitt Connewitz Kreuz-Stadtgrenze weiter zu betreiben ist. Zunächst wurde ja erstmal beschlossen, welche Ausschüsse und Gremien sich mit den Anträgen zum Thema beschäftigen werden, im Stadtrat diskutiert wird dann später.
Hintergrund hierfür ist, dass die Stadt Markkleeberg die Linie 9 auf ihrem Gebiet ab Dezember nicht mehr weiterfahren lassen möchte. Die Straßenbahnlinie soll dann ab dem Connewitzer Kreuz durch einen Bus ersetzt werden. Neben der Linie 107, die jetzt schon fährt, soll die sowieso schon lange Buslinie 70 nach Markkleeberg verlängert werden.
Ein klarer Fall von Angebotsverschlechterung für Franziska Riekewald, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke: „Durch diese Maßnahme würde der öffentliche Nahverkehr im Süden deutlich an Attraktivität verlieren. Am stärksten betroffen wären der Wildpark und das Wohngebiet ‘Wolfswinkel’. Gerade diese Gebiete dürfen nicht vom Rest der Stadt abgeschnitten werden. Der Wildpark ist seit Jahren ein attraktives Ausflugsziel für Familien aus der gesamten Stadt. Auch die gute ÖPNV-Anbindung durch die Straßenbahn direkt aus dem Zentrum Leipzigs hat dazu ein Stück beigetragen.“
Aus Sicht der Linksfraktion könne der für Verspätungen sehr anfällige Bus Nr. 70 auch kein adäquater Ersatz für eine gute Straßenbahnanbindung sein. Gerade für Familien mit Kindern sei die Straßenbahn ein attraktives Verkehrsmittel, wo auch ausreichend Platz für Kinderwagen, Laufräder usw. bestehe. Diesen Platz könne ein Bus nicht im gleichen Umfang bieten.
“Für eine wachsende Stadt wie Leipzig ist ein gut ausgebautes und weitverzweigtes Straßenbahnnetz auch in die Stadtrandbereiche und zu den Erholungs- und Ausflugszielen zwingend notwendig”, benennt Franziska Riekewald das Grunddilemma. Denn seit Jahren wird in Leipzig heftig über eine Verbesserung des ÖPNV-Angebotes debattiert. “Nur so kann das Verkehrschaos in Grenzen gehalten und eine gesunde Umwelt gesichert werden. Außerdem würden die gemeinsamen Bemühungen von Stadtrat und Verwaltung der Stadt Leipzig um die Verlagerung des ein- und auspendelnden Individualverkehrs vom Auto auf den Umweltverbund mit einer Teilstilllegung der Linie 9 deutlich geschwächt.”
Leipziger zur Linie 9 bislang nicht gefragt
Das Problem der Linie 9 im Leipziger Süden ist: Die Stadt Leipzig ist in dieser Diskussion komplett außen vor. Ab Forsthaus Raschwitz verkehrt die Bahn auf Markkleeberger Gebiet. Die Kleinstadt gehört zum Landkreis Leipzig. Und Markkleeberg und Landkreis Leipzig haben die Entwicklung des neuen ÖPNV-Konzepts auch allein in Auftrag gegeben. Die Varianten-Ergebnisse fanden in Markkleeberg viel Zustimmung. Doch die übergreifende Betrachtung für die benachbarte Großstadt Leipzig fehlt, obwohl keine andere Kommune im Landkreis so enge Pendlerverflechtungen mit Leipzig hat wie Markkleeberg.
Beauftragt mit der Entwicklung des Konzepts war der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV), der auf Anfrage der L-IZ betont hat, dass er sich gänzlich auf den Auftrag von Markkleeberg und dem Landkreis Leipzig konzentriert hat. Ein anderer lag ihm nicht vor.
Was das Dilemma dieses Verkehrsverbundes zeigt, der eigentlich keiner ist, denn die Planungen sind nach wie vor alle auf die Verwaltungseinheiten der Kommunen begrenzt. Gerade die Diskussion um die Linie 9 zeigt, warum der MDV eigentlich nicht in der Lage ist, Synergieeffekte im Verkehrsraum zu heben: Die bestehenden Verwaltungsgrenzen hindern ihn daran.
Ein Ergebnis ist, dass die Stadt Leipzig bei der Linie 9 quasi am Katzentisch sitzt. Bei der Linie 11, bei der es ebenfalls der Markkleeberger Stadtrat war, der eine Verlängerung zum Markkleeberger See abgelehnt hat, ebenso. Beide Straßenbahnen bieten eigentlich genau das, was auch in der “Charta Leipziger Neuseenland 2030” als Absichtserklärung steht: die Schaffung von attraktiven ÖPNV-Verbindungen ins Neuseenland.
Leeres Versprechen: Charta Leipziger Neuseenland
Warum soll das Papier am 26. Mai eigentlich unterschrieben werden, wenn sich sowieso keiner dran halten will?
Doch wenn es tatsächlich um solche Verbindungen geht, dann gehen die Schotten zwischen den Kreisen und Kommunen herunter, dann zeigen die politisch Verantwortlichen, dass sie gar nicht bereit sind, in nachhaltig vernetzten Strukturen zu denken. Die Linie 9 wäre eindeutig ein gemeinsames Infrastrukturprojekt zwischen Markkleeberg und Leipzig. Sogar eins mit Potenzial. Denn eine andere Streckenführung könnte die Linie 9 über die Koburger Straße – wie es der Ökolöwe Leipzig vorgeschlagen hat – nicht nur zum direkten Zubringer zum Cospudener See machen, sondern auch den Westen Markkleebergs mit einer attraktiven Bahn erschließen, wie sie die alte Linienführung nicht ist.
Da aber auch wir uns irren können, wenn es um die Einschätzung so eines Projekts geht, fragen wir Sie, liebe Leser, einfach mal, für welche Variante Sie stimmen würden:
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