Muss man eigentlich die ganzen kleinen Städte rings um Leipzig in irgendeiner Weise ernst nehmen? Läuft da was? Läuft da was über? - Tatsache ist, dass auch Großstädte wie Leipzig nicht allein wachsen. So wie die Umlandgemeinden vom Wachstum Leipzigs profitieren, gewinnt Leipzig durch sein Umland. Beispiel Markranstädt, seit Kurzem ebenfalls auf dem Wachstumspfad.

Das war vor ein paar Monaten noch ganz anders, erinnert sich Bürgermeister Jens Spiske. Da ging der Stadt im Westen Leipzigs ein ganzer mittelständischer Betrieb der Automobilindustrie verloren – 150 Arbeitsplätze futsch. In Leipzig hätte das Wellen geschlagen, wäre aber nicht als Katastrophe empfunden worden. In Markranstädt schon.

“Doch wir haben zwischenzeitlich 166 neue Arbeitsplätze hinzugewonnen, haben das also kompensieren können”, freut sich Spiske. Und ärgert sich. Weil er sich dafür auch vom Land wieder Klagen über die niedrigeren Gewerbesteuersätze anhören muss. “Dabei sind die Gewerbesteuersätze genau der Vorteil, mit dem wir gegen das große Leipzig konkurrieren können”, sagte Spiske. “Wem das Pflaster in Leipzig zu teuer wird, der sucht nach Alternativen.”

Und unausgesprochen: Wenn er sie direkt vor den Toren Leipzigs findet, hilft das der ganzen Region. Die Firmen wandern nicht wirklich ab. Und die Arbeitskräfte müssen meist nicht mal umziehen. “Wer die besseren Infrastrukturen in Leipzig braucht, der geht sowieso in die Stadt”, weiß Spiske. Und weiß auch, dass kleine Kommunen damit nicht konkurrieren können. Und auch nicht müssen. Nicht jede Firma sucht dieselben Rahmenbedingungen. Ein Thema für die Wirtschaftsförderung der Region, in der es noch immer knirscht, weil die große Stadt die Bedürfnisse der beiden Landkreise nicht mitdenkt. “Invest Region Leipzig”, das zielt auf die große Metropole, nicht auf die Bedürfnisse der kleinen und mittelständischen Unternehmen, die meist zwar eine gute Anbindung brauchen, oft genug aber auch Baufreiheit und möglichst niedrige Kosten.

Den Platz hat Markranstädt. “Demnächst noch mehr”, freut sich der Bürgermeister. Denn in der Ranstädter Mark, wo vor 20 Jahren eines der Nachwende-Gewerbezentren entstehen sollte, tut sich wieder was. Der Privatinvestor blieb damals in der Entwicklung des Gebietes stecken – rundum waren zu viele Gewerbegebiete auf einmal aus dem Boden gestampft worden. Doch jetzt merkt selbst die kleine Stadt Markkleeberg, wie die Nachfrage nach Gewerbestandorten anzieht.

“Infrastrukturell liegen wir günstig”, so Spiske. Auch über die ÖPNV-Anbindungen will er nicht meckern, obwohl er sich eine Verlängerung der S 1 von Grünau nach Markkleeberg gewünscht hätte. Es sollte nicht sein. “Aber die Busverbindung nach Leipzig ist gut”, sagt er. “Und demnächst übernimmt auch Abelio wieder die Zugverbindung nach Leipzig.”

So ein kleines Noch klingt mit. Denn Markranstädt hat sich – wie zuvor schon Markkleeberg – zu einem Wohnziel der Leipziger entwickelt, die zwar gern in der Großstadt arbeiten, aber lieber draußen näher an Grün und Wasser leben. Schon am 2. April konnte die kleine Stadt eine Meldung verschicken, wie man sie vorher eher aus Markkleeberg kannte: Für den 30. Juni 2014 hatte das Statistische Landesamt einen Bevölkerungszuwachs von 52 Markranstädtern seit Januar 2014 gezählt.

Zu dem der Bürgermeister stolz erklärte: “Wir freuen uns über die für Markranstädt sehr positiven Zahlen und werden alles dafür tun, damit dieser Trend anhält. Dazu gehört es natürlich, die Bürger eines jeden Lebensalters zu unterstützen – das fängt bei den jungen Familien mit kleinen Kindern an und geht bis hin zu unseren Senioren. Gleichwohl möchten wir die mittelständische Wirtschaft, das Gewerbe und den Einzelhandel weiterhin stärken. Denn nur alle gemeinsam können wir daran arbeiten, dass die Attraktivität Markranstädts als eine lebens- und auch liebenswerte Stadt unaufhörlich steigt.”

Das “alle gemeinsam” war extra für die Bürger gesagt. Denn noch haben viele die heftigen Fehden in Erinnerung, die entbrannten, als Jens Spiske, getragen von einem ganzen Wahlbündnis, Bürgermeister wurde und die langjährige CDU-Bürgermeisterin aus dem Amt drängte.

Leipziger Straße in Markranstädt. Foto: Ralf Julke
Foto: Ralf Julke

Und heute? – “Heute macht die CDU als größte Fraktion im Stadtrat konstruktive Arbeit. Mancher sagt ja schon, ich würde ja bald in die CDU eintreten. Was ich aber ganz bestimmt nicht tun werde”, sagt Spiske. Denn der Wechsel im Amt war überfällig. “Für Markranstädt”, sagt er. Etliche Probleme hatten sich zu einem Gordischen Knoten verfitzt. Etwa die Zusammenarbeit im Zweckverband Kulkwitzer See, den sich Markranstädt und Leipzig ja bekanntlich teilen. Vorwärts kommt man dort aber nur, wenn man miteinander klar kommt. “Da haben wir inzwischen die größten Steine aus dem Weg geräumt”, sagt Spiske.

Die Bevölkerungszahl sieht inzwischen noch ganz anders aus:

Von 14.772 im Dezember 2013 ist sie bis November 2014 auf 14.889 gestiegen. Was wohl bedeutet, dass Markranstädt mittlerweile die 15.000 feiern dürfte. Die entsprechenden Wachstumsschmerzen hat es schon. Denn die Kindertagesstätte platzt aus allen Nähten. Da glaubten selbst einige Stadträte nicht dran, als Spiske die Notwendigkeit bekannt gab, die Platzzahl zu erhöhen. Aber das kennt man ja aus Leipzig: Manchmal dauert es Jahre, bis auch die gewählten Volksvertreter glauben, was in der Statistik steht. Und da steht eben auch, dass auch die Geburtenrate steigt: 2013 wurden 105 Babys geboren, 2014 waren es 113.

Und als Gewerbestandort im Leipziger Westen hat sich Markranstädt auch platziert: Mit Stand 31. Dezember 2014 waren insgesamt 1.448 Gewerbe angemeldet, davon 1.070 als Einzelunternehmen und 378 als Personengesellschaften. 122 Gewerbeanmeldungen im Jahr 2014 standen 135 Abmeldungen gegenüber. Ein Jahr zuvor machten 1.069 Einzelunternehmen und 366 Personengesellschaften die 1.435 Gewerbe aus. 95 Gewerbe wurden an-, 149 abgemeldet.

Ein positiver Trend, der sich auch im Erreichen der Fünf-Millionen-Euro-Marke beim Gewerbesteueraufkommen 2014 niederschlug. “Zu der investitionsfreundlichen Atmosphäre beigetragen hat sicherlich zum Teil auch der seit Jahren stabile Gewerbesteuerhebesatz mit 382,5 v.H., der deutlich unter dem Durchschnitt der Nachbarkommunen liegt”, ließ das Rathaus bei dieser Meldung betonen.

Und wie schlägt sich das im Haushalt nieder? – “Unser Haushalt ist ausgeglichen. Damit können wir uns sehen lassen”, sagt der Bürgermeister. Nur eins wird jetzt auch schon so dicht vor den Toren Leipzigs zum Problem: Der Breitbandausbau kommt in Sachsen außerhalb der Großstädte einfach nicht voran. “Für den normalen Nutzer ist das kein Problem”, sagt Spiske. “Die meisten haben eine Flatrate fürs Handy. Aber für die Unternehmen wird es ein Problem. Denn die brauchen ein richtiges, glasfasergestütztes Breitband-Internet. Und da zuckt die Telefongesellschaft einfach mit den Schultern. Das interessiert die gar nicht. Und das wird bei Gewerbeansiedlung so langsam ein richtiges Problem.”

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