Arbeitet der Flughafen Leipzig/Halle mit einem falschen schallschutztechnischen Gutachten? - Der Verdacht verstärkt sich immer mehr. Neu ist er eigentlich nicht. Seit 2010 wissen zumindest die Bürgerinitiativen gegen Fluglärm, dass da mit den alten Schallschutzgutachten und dem uralten Versprechen "Niemand wird nachts aufwachen", etwas nicht stimmen kann. Der Versuch des Flughafens, die Triebwerksprobeläufe ins Freie zu verlegen, sorgt jetzt für Entsetzen.

In Schkeuditz war es schon greifbar. Der dortige Stadtrat hat das Ansinnen des Flughafens, einen Teil der Triebwerksprobeläufe wieder ins Freie zu verlegen, abgelehnt. In der sogenannten Fluglärmkommission wurde der Antrag dafür angenommen und soll geprüft werden. Das Hintertürchen, durch das der Lärm – mit Genehmigung dieser immer obskurer erscheinenden Kommission – ins nächtliche Erleben der Leipziger im Nordwesten kommt, ist ein sperrangelweit geöffnetes Tor.

Wenigstens von der Stadt Leipzig, die mit nur einem Stimmchen in diesem Gremium der Flughafenbetreiber sitzt, erhofft sich nun Lutz Weickert ein klares Nein zu diesem Vorstoß. Er hat sich am Donnerstag, 16. April, direkt an den zuständigen Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal gewandt:

Sehr geehrter Herr Rosenthal,

wie bekannt sind die Leipziger Ortsteile Wahren, Lindenthal, Lützschena-Stahmeln, Böhlitz-Ehrenberg, Burghausen, Rückmarsdorf u. a. einer extrem hohen nächtlichen Fluglärmbelastung ausgesetzt. Mit der vom Flughafen Leipzig-Halle geplanten Aufhebung des nächtlichen Verbotes von Triebwerksprobeläufen, insbesondere von der Außenposition „Alte Südbahn“ wird sich der nächtliche Fluglärm in diesen Ortsteilen und die damit verbundene gesundheitliche Gefährdung weiter erhöhen.

Die Stadtverwaltung von Schkeuditz lehnt diese Erhöhung des nächtlichen Fluglärms ab und wird dazu Widerspruch einlegen. (siehe LVZ vom 11.04. und 15.04.). Ich gehe davon aus, dass seitens der Stadt Leipzig, als „Träger öffentlicher Belange“ ebenfalls ein qualifizierter Widerspruch erfolgt. Anbei zu Ihrer Information mein Widerspruch gegen diese Planänderung.

Mit freundlichen Grüßen
L. Weickert

Mitgeschickt hat er ihm aber auch gleich noch seinen Widerspruch, den er zwei Tage vorher, am 14. April, an den hauptverantwortlichen Minister, den sächsischen Verkehrsminister Martin Dulig (SPD), geschickt hat, der beim Thema Flughafen Leipzig/Halle bisher die Deckung nicht verlassen will. Sein Ministerium hat die Prüfung des Flughafen-Antrags für Triebwerksprobeläufe im Freien schon zugesagt.

Weickert weist in seinem Brief darauf hin, dass wahrscheinlich alles, was rund um den Flughafen in den letzten Jahren an Schallschutzgutachten erstellt wurde, schlicht Murks ist, insbesondere das zehn Jahre alte Gutachten, in dem auch zu lesen steht, dass in Böhlitz-Ehrenberg kein Lärm auftreten würde.

Weickert wohnt in Böhlitz-Ehrenberg und kann ein Lied davon singen – nicht nur von den Klippern, die auf der Südabkurvung über den Ortsteil im Leipziger Westen dröhnen, sondern auch von den Starts und Landungen, von denen der Leipziger Nordwesten jede Menge zu hören bekommt. Und das augenscheinlich aus dem simplen Grund, weil der Flughafen rund 30 Meter über dem Niveau all dieser Ortsteile liegt. Er bedröhnt diese Ecke Leipzigs quasi aus der Höhe. Und viele Startrichtungen sind so ausgelegt, dass der Lärm der Triebwerke genau ins Stadtgebiet ausstrahlt.

„Der Lärm kann sich damit ungehindert vom Flughafen auf das nur 5000 m entfernte Leipziger Stadtgebiet ausbreiten. Auch der Leipziger Auenwald bietet keinen Lärmschutz, da dieser auch nur 100 m ü MSL liegt. Im Gegenteil, die Flora und Fauna ist von den Lärmpegeln und Emissionen ebenfalls betroffen“, schreibt Weickert. Und selbst die Triebwerksprobeläufe im Freien würden in Böhlitz-Ehrenberg mit bis zu 60 dBA zu hören sein.

So langsam muss auch Sachsens aktueller Verkehrsminister Flagge zeigen in Sachen Fluglärm in Leipzig.

Das Basner-Gutachten, das die Vorgehensweise der Planer am Flughafen Leipzig/Halle im Zusammenhang mit den Klagen gegen die „kurze Südabkurvung“ untersucht hat, hat Weickert gleich mitgeschickt. Kann ja sein, dass Rosenthal und Dulig es gar nicht kennen. Eindeutig kommt der renommierte Gutachter dabei zu der Erkenntnis, dass die Anwohner des Flughafens Leipzig/Halle mit Inbetriebnahme der neuen Start- und Landebahn Süd 2007 schlichtweg einem Langzeitfeldversuch ausgesetzt wurden, ohne dass die Planer wussten, mit welchen Lärmauswirkungen eigentlich zu rechnen war.

Zitat: „Gleichzeitig ist der Planfeststellungsbehörde bewusst, dass ‘es unklar ist, wie viele durch Fluglärm induzierte Aufwachreaktionen tolerabel sind, ohne dass es zu Einschränkungen der Gesundheit kommt.’ Das heißt im Umkehrschluss nichts anderes, als dass Leipzig/Halle ein Langzeit-Feldversuch ist.

Die Bezeichnung der Richter, allein wegen seiner Größe handele es sich um ein ‘besonders anwohnerfreundliches Schutzkonzept’, geht somit, in Verkennung der tatsächlichen Belastung, vollkommen fehl. – Die stattgefundene Abwägung ist als fehlerhaft zu rügen, weil sie aus den oben dargelegten Gründen auf unzutreffenden mathematischen Ansätzen und Schlussfolgerungen im zugrunde gelegten Gutachten basiert.“

Der Brief von Lutz Weickert an den sächsischen Verkehrsminister.

Das angehängte Basner-Gutachten zur Gesundheitsschädigung durch den Nachtflugbetrieb.

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