Wenn die Akteure im Leipziger Neuseenland ein großes "Ja" zu den Plänen, im Neuseenland nur Elektromotorboote zuzulassen, haben wollten, dann haben sie es mit ihrer Bürgerumfrage zur "Charta Leipziger Neuseenland" auch bekommen: 76 Prozent der Leipziger stimmen dieser Entwicklung zu.
Wobei die Auswertung der Bürgerumfrage ein wenig trickst: Dort wird so getan, also würde nur die Elektromobilität an sich als “sehr gut” und “gut” beurteilt. Aber die Frage, die den Leipzigern und den Bewohnern im Seengebiet in den Landkreisen tatsächlich gestellt wurde, war wesentlich konkreter: “Momentan wird diskutiert, auf den Gewässern im Leipziger Neuseenland aus ökologischen Gründen grundsätzlich auf Elektromobilität zu setzen, also Verbrennungsmotoren nur in Ausnahmefällen zuzulassen. Wie beurteilen Sie diese Idee?”
Da ist es schon etwas anderes, wenn 76 Prozent der Leipziger sagen “sehr gut” oder “gut”. Das ist nicht nur ein “Ja” zur Elektromobilität, sondern auch ein klares “Nein” zur allgemeinen Zulassung von Verbrennungsmotoren. Indirekt hat man also doch nach Verbrennungsmotoren gefragt. Nur die Antwort wollte man so wohl nicht hören. Denn eine Zustimmung zu Verbrennungsmotoren steckt hier eindeutig in den ablehnenden Antworten, bei denen, die die Idee “schlecht” und “sehr schlecht” finden. In Leipzig waren das zusammen ganze 7 Prozent.
In den Landkreisen war das Verhältnis nicht viel anders, auch wenn dort die “teils/teils”-Antworten etwas ausgeprägter waren als in Leipzig. Im Landkreis Leipzig stehen 67 Prozent der Befragten, die Elektroboote gut finden, 14 Prozent gegenüber, die die Idee einer generell geltenden Elektromobilität schlecht finden.
In Nordsachsen war das Verhältnis 68 zu 13.
Es wäre eindeutig die Chance, dem Neuseenland mit Beginn der Schiffbarkeitseklärung auch ein eigenes Profil zu geben und eben nicht erst (“Weil die Dinge nunmal so sind, wie sie sind”, Dr. Gehard Gey) erst mal die Verbrennungsmotoren auf die Seen zu lassen – mit allen Folgen. Denn die Befragten befürchten auch – und wohl zu Recht – dass die Seen bei zunehmendem Motorbootbetrieb nicht nur verlärmt werden, sondern auch ökologisch gefährdet sind. Die Zustimmung zu einer generell geltenden Elektromobilität ist übrigens über alle Alters- und Einkommensgruppen gleichermaßen hoch. Die Einstellung der Gutverdienenden (über 2.000 Euro Monatseinkommen) unterscheidet sich da kaum von der der Wenigverdienenden (unter 800 Euro).
Was ja auch bedeutet, dass sich die Befragten den gewünschten sanften Tourismus in Verbindung mit Elektrobooten durchaus vorstellen können. Wobei immer zu betonen ist: Für die Landkreise wie für die Stadt Leipzig gilt nach dieser Befragung eindeutig eine Prioritätenliste, die den Tourismus erst nachrangig sieht. Etwas, was in den Diskussionen meist aus dem Blick gerät: wie sehr die Bewohner des Neuseenlandes die Entwicklung der Seen erst einmal als eine Rückgabe an Lebensqualität an sie selbst verstehen. Da reagiert so Mancher zu Recht verstört, wenn ihm nun ausgerechnet die Entwicklung des Wassertourismus als Hauptziel verkündet wird.
Schaffung von Arbeitsplätzen taucht in der Prioritätenliste der Leipziger auf Rang 6 auf – noch hinter der Erreichbarkeit mit dem ÖPNV (die schlicht zu wünschen übrig lässt). Der “Tourismus als Wirtschaftsfaktor” taucht erst auf Rang 11 auf. Denn aus Leipziger Sicht ist das Neuseenland nicht notwendig, um die touristische Attraktivität Leipzigs zu erhöhen. Und die Arbeitsplätze sind in der Regel nur Saisonarbeitsplätze. Auch damit kann man die Leipziger nicht wirklich hinterm Ofen hervorlocken.
Sieht es im Landkreis Leipzig, der ja nun mal das größte Stück vom Seenland-Kuchen bekommen hat/wird, anders aus?
Ein wenig. Hier taucht die “Schaffung von Arbeitsplätzen” immerhin auf Rang 5 auf, dicht gefolgt von “Tourismus als Wirtschaftsfaktor”. Das ist logisch. Denn nach dem (teilweisen) Ende des Bergbaus bietet der Tourismus im Neuseenland natürlich die Chance, wenigstens zu einem Teil wieder tragfähige Arbeitsplätze zu schaffen, einige auch ganzjährig. In Nordsachsen sieht es ganz ähnlich aus. Wobei hier wichtig ist anzumerken, dass viele der im Neuseenland entstandenen (Saison-)Arbeitsplätze welche sind, die vor allem die Bedürfnisse der Region abdecken, vor allem der Großstädter, die die Angebote in der Seenplatte gern und weidlich nutzen – vom Kanupark über die Fahrgastschifffahrt bis hin zu Cafés, Restaurants und Bootsausleihen. Viel anders würde ein überregionaler Tourismus auch nicht aussehen.
Aber zumindest waren die Akteure der Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland so mutig, die Bürger auch mal zu fragen, wie sie ihre Einflussmöglichkeiten auf die Entwicklung im Neuseenland einschätzen. Die Antwort lautet: mau. Nur 13 Prozent der Leipziger beurteilen ihre Einflussmöglichkeiten als gut, im Landkreis Leipzig sind es 21 Prozent, im Landkreis Nordsachsen immerhin 26 Prozent.
Und dabei können wir es an dieser Stelle eigentlich belassen. Denn mit der Befragung hat die Steuerungsgruppe es in der Hand, den Bürgern das Gegenteil zu beweisen. Denn direkt daneben steht ja die Befragung zu den Elektrobooten, die (indirekt, aber deutlich) eine eindeutige Antwort der Befragten ergeben hat.
Wenn jetzt doch Verbrennungsmotoren zugelassen werden über die “Ausnahmen” hinaus, dürften die meisten Neuseenländer sich bestätigt sehen in der Ansicht, dass hier ein paar Leute auf die Wünsche der Mehrheit keine Rücksicht zu nehmen gedenken.
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