Irgendetwas klemmt da im Leipziger Neuseenland. Am 10. Mai soll mit dem großen Hafenfest in Zwenkau nicht nur der Zwenkauer See in Betrieb gehen, sondern auch der Störmthaler See. Bis dahin will die Landesdirektion auch die Verfügung für die Erklärung der Schiffbarkeit fertig haben. Nur: dürfen Schiffe dann auch einfach so fahren?

Die entsprechenden Entwürfe sind jetzt zur Stellungnahme in den beteiligten Kommunen und bei den Vereinen und Verbänden. Aber ein Detail fehlt und droht, den Starttermin zu gefährden.

Ob das Wirtschaftsministerium daran schuld ist, weiß niemand so recht, auch wenn Dr. Gerhard Gey, Landrat des Landkreises Leipzig und Sprecher der Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland, recht frustriert ist: Zwei Mal hat er dem neuen sächsischen Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) schon einen Brief geschrieben und dringendst um ein Gespräch gebeten. Denn die Allgemeinverfügung zur Schiffbarkeit kann erst umgesetzt werden, wenn geklärt ist, wer künftig die Haftung auf den Seen übernimmt.

Das war bislang noch kein K.o.-Kriterium, auch nicht bei der derzeit gültigen Allgemeinverfügung für den Cospudener und den Markkleeberger See, für die das 2013 verabschiedete Wassergesetz die Schiffbarkeit erklärt. Was eigentlich bedeutet, dass jeder drauf fahren kann – auch mit Motorbooten.

Aber durch Allgemeinverfügungen für jeden einzelnen See wird dieses “jeder kann” eingeschränkt. Gefährdete Uferbereiche können von der Nutzung genauso ausgeschlossen werden wie bestimmte Schiffs- oder Motortypen. Die Gemeinden, die jetzt Stellung nehmen können, dürfen dabei mitreden, sagt Gey. Sollen sie sogar. Denn damit bestimmen sie am Ende, was vor ihrer Haustür passiert. Oder stromauf. Denn da die Seen über Fließgewässer auch mit dem Gewässerknoten Leipzig verbunden sind, hat auch die Stadt Leipzig ein Wörtchen mitzureden, was da künftig auf den Seen im Südraum passiert und vor allem fährt.

“Wir sind schon frühzeitig in diesen Beteiligungsprozess gegangen, um bis zur Saisoneröffnung damit fertig zu sein”, sagt Dr. Michael Feist, Vizepräsident der Landesdirektion Sachsen. “Ich denke, das schaffen wir auch.”

Nur bleibt die Allgemeinverfügung dann trotzdem in der Schublade, wenn ein anderer Vertrag bis dahin nicht unterschrieben ist: der zwischen der Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) und dem Freistaat Sachsen. Eine Rahmenvereinbarung ist überfällig.

Denn alle Seen im Leipziger Südraum gehören heute noch immer der LMBV. Das ist den meisten Besuchern des Wasserparadieses gar nicht bekannt. Die LMBV hat die Hoheit, hat auch in den vergangenen Jahren alle Projekte zur Revitalisierung der Bergbaulandschaft gemanagt. Und das wird sie auch weiterhin tun. Bis zu dem Tag, an dem sie für jeden einzelnen See feststellen kann, dass er bergbautechnisch fertig ist. Erst mit dieser Fertigstellungserklärung wechselt der See in den Besitz des Freistaates Sachsen. Das wird für die etwas älteren Seen im Südraum vielleicht in fünf Jahren der Fall sein, für die anderen auf jeden Fall noch viel später. Nämlich erst dann, wenn die LMBV die Fertigstellung feststellen kann, ohne noch gravierende Probleme erwarten zu müssen.

“Dass wir heute schon diese Seen bespielen, ist ganz allein unser Verdienst”, sagt Gerhard Gey stellvertretend für die Steuerungsgruppe Neuseenland. “Wir sind hier – so betrachtet – als Kommunen ins Risiko gegangen, indem wir Badebetrieb und Bootsbetrieb schon möglich gemacht haben.”

Die jetzt geltende Allgemeinverfügung hat dafür den Rahmen geschaffen – auch für die Ausnahmegenehmigungen für die Fahrgastschiffe, die jetzt schon auf den Seen fahren. Das finanzielle Risiko ist dabei noch nicht so hoch. Für alle bergbaurechtlichen Probleme ist nach wie vor die LMBV zuständig. Der Motorbootsverkehr ist überschaubar.

Mit der Schiffbarkeitserklärung aber ändert sich das. Dann erhöht sich das Risiko, dass es zu einer starken Beeinträchtigung der Wasserqualität kommt, rapide. Ein havarierendes Boot und eine Lache von ausgetretenem Öl genügen, und schon steht die Frage: Wer kommt dafür auf? Wer beseitigt die Schäden? Wessen Versicherung muss angezapft werden?

“Für solche Beeinträchtigungen des Gewässerzustands wären dann wir zuständig”, sagt Gey. “Zumindest, wenn es nach der Staatsregierung geht. Das Risiko können wir als Kommunen aber nicht tragen. Das ist unmöglich.”

Nach einem Besitzerwechsel von der LMBV zum Freistaat Sachsen wäre das kein Problem. Dann stünde der Freistaat in der Haftung und müsste versicherungstechnisch gerade stehen, wenn es irgendwo zu einer Schädigung der Gewässer käme. Das kann aber noch viele Jahre dauern, bis es so weit ist.

“Die LMBV will dieses Risiko aber nicht übernehmen. Was ich verstehe”, meint Gey.

Der einzige Spieler aber, der die breiten Schultern hätte, dieses Haftungsrisiko zu übernehmen, ist der Freistaat Sachsen. “Und darauf habe ich Wirtschaftsminister Dulig auch schon zwei Mal persönlich angesprochen”, sagt Gey. Zur Sitzung der Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland am Freitag, 20. März, hatte man den Staatsminister persönlich eingeladen. “Aber am Vortag bekamen wir dann die Absage. Ohne Begründung”, sagt der Sprecher der Gruppe.

Aber auch Gey weiß nicht so recht, woran das liegt. Ob sich der Wirtschaftsminister einfach nicht traut, zum Thema Stellung zu nehmen, oder ob er gar keine Position hat oder ob er mit den anderen Ministerien keine Lösung findet. Denn Fakt ist auch: Tatsächlich müssten drei Dresdner Ministerien mit am Tisch sitzen, wenn es zu einer Rahmenvereinbarung mit der LMBV kommen soll: Neben dem Wirtschaftsministerium natürlich auch das CDU-geführte Umweltministerium und – der wohl wichtigste Partner – das ebenso CDU-geführte Finanzministerium. Denn hier geht es um Geld und ein finanzielles Haftungsrisiko. Da geht nichts ohne den Finanzminister.

Da aber auch Duligs Ministerium nicht kommuniziert, ist für die Akteure im Leipziger Neuseenland völlig unklar, ob es bis zum Saisonstart überhaupt so eine Rahmenvereinbarung geben wird.

“Wir von unserer Seite haben alles vorbereitet”, sagt Gey. “Wir haben auch die Beschilderung und die Betonnung bezahlt aus Paragraph-4-Mitteln, obwohl das überhaupt nicht unsere Aufgabe ist.” Aber man will am 10. Mai auf den beiden “neuen” Seen, dem Störmthaler und dem Zwenkauer unbedingt loslegen. Und zwar auch mit Motorbootsverkehr. Dazu braucht es Orientierungsmarken und Absperrungen.

Der Motorbootsverkehr ist ein Streitfall im Neuseenland. Aber auch unter den Mitgliedern in der Steuerungsgruppe gehen die Meinungen dazu weit auseinander. Es gibt zwar die starke Gruppe um Gerhard Gey, die gern den elektrobetriebenen Motorbootsbetrieb hätte. “Aber dazu fehlen uns noch sämtliche Voraussetzungen”, geht er auf den technischen Teil ein. Einige kleinere Kommunen wünschen sich eher freie Fahrt für spritbetriebene Motorboote. Aber ohne eine Rahmenvereinbarung zwischen LMBV und dem Freistaat Sachsen wird ab 10. Mai völlig offen sein, wer dann die Haftung übernimmt, wenn  doch einmal etwas passiert. “Die Kommunen können das nicht stemmen”, macht Gey klar.

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Wer ist die sogenannte “Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland”, die sich als Behörde geriert und auch so dargestellt wird?! Mithin, welche rechtliche Grundlagen gibt es für deren Existenz?! Diese rechtlichen Grundlagen wiederum zwingende Voraussetzung für deren Existenz wären.

Eine nicht nur theoretische, sondern ganz praktische Frage, weil sich aus deren Beantwortung nicht nur ergibt, ob und inwieweit sich die Entwicklung in einem demokratisch legitimierten und rechtsstaatlichen Rahmen vollzieht, sondern auch, was, warum und wie an den Tagebaurestlöchern, für die zunächst Bergrecht und unter dessen Berücksichtigung auch Wasserrecht gilt, umgesetzt werden kann!

Dummerweise wird diese Frage überhaupt nicht gestellt! Auch hier nicht! Vielmehr wird die Existenz dieser Steuerungsgruppe als konstitutionell vorausgesetzt.Ein logischer Zirkelschluß, der fast die gesamte Entwicklung der Tagebaustrestlöcher bestimmt.

Dieselbe Frage ist nach der sogenannten “Charta 2030” zu stellen.
Ein vermeintlicher Beteiligungsprozess, in dem dem Bürger Beteiligung vorgegaukelt, in Wahrheit jedoch der fast schon abgeschlossenen Entwicklung, wesentlich geprägt durch ein sogenanntes „Wassertouristisches Nutzungskonzept“, aufgehübscht durch Potential- und Machbarkeitsstudien und nunmehr aufgeblasen zu einem Wassertouristischen Gesamtkonzept, aus dem allerdings lediglich hervorgeht, daß es Wassertourismus gar nicht gibt, nachträglich ein scheindemokratsiches Deckmäntelchen umgehangen wird.
Wie aktuell bei den Allgemeinverfügungen zur Nutzung der Tagebaurestlöcher (Störmthaler und Zwenkauer See) betrachtet werden kann.
Die Schiffbarkeit ist für die meisten Tagebaurestlöcher mit der Novellierung des Wassergesetzes schon per Gesetz erklärt. Lediglich der Zeitpunbkt blieb offen. Das ist der der sogenannten „Fertigstellung“. Die Schiffbarkeit wurde gesetzlich u.a. auf Wunsch der Kommunen geregelt, obwohl es eine wohl überwiegende Mehrheit gegen diese Schiffbarkeitserklärung gab.
Den von der LDS empfohlenen und einzig gangbaren Weg, die Motorisierung auf elektrisch angetriebene Boote durch eine Änderung des geltenden Regionalplanes zu beschränken, wurde durch die kommunalen Vertreter verhindert! Mit der Folge, daß die LDS gar nicht anders kann, als die Schiffbarkeit für alle Motortypen zu erklären.
Denn Fakt ist: Die Tagebaurestlöcher wurden zu Straßen erklärt. Völlig unsinnig und vermutlich auch rechtswidrig. Für diese Straßen (Seen) wird jetzt eine Straßenverkehrsordnung (Schiffahrtsordnung) erlassen. Und in dieser ist eine Beschränkung auf eine bestimmte Antriebsart unzulässig! Die Kommunen und die gewerblichen Nutzer wollten Straßen. Nun haben sie sie. Und wir auch! Auch, weil keine Fragen gestellt wurden.

Jetzt wird sich nur noch darum gestritten, wer bezahlt, wenn die Straßen Löcher bekommen. So what?!
(Bild: Beispiel für die Straßennutzung Störmthaler See)

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