Es hilft alles nichts: Es werden die Leipziger sein müssen, die um eine neue attraktive Straßenbahnlinie 9 in Markkleeberg kämpfen. Wahrscheinlich mit den Markkleebergern zusammen - aber gegen die etablierte Politik, die auch im Jahr 2015 an Ortsgrenzen scheitert als wären es Gummiwände. Auch Leipzigs Grüne fordern jetzt, den Stadtgrenzen überschreitenden ÖPNV auch endlich so zu betrachten und die Linie 9 zum Cospudener See neu zu denken.
Das Konzept, das der Ökolöwe in der vergangenen Woche – wieder einmal – vorgestellt hat, plädiert für eine Neutrassierung der Linie 9 zum Cospudener See.
Das sollte nach Meinung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dringend weiter geprüft werden. Daniel von der Heide, verkehrspolitischer Sprecher erklärt hierzu: „Es ist erfreulich, dass nach den Monaten der Debatten über den Stadtentwicklungsplan Verkehr, der Ökolöwe nun mit einem konkreten Vorschlag vorangeht, wie die Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs gestärkt werden kann. Die Neutrassierung der Linie 9 ist natürlich kein schnell umzusetzendes Konzept, aber es ist eine Vision, die bei der Fortschreibung der entsprechenden Fachpläne und in den anstehenden Diskussionen über moderne Mobilität für Leipzig mit berücksichtigt werden muss. Daher ist der Zeitpunkt für den Vorschlag gut gewählt.“
Das Konzept sieht vor, dass die Linie 9 ab der Haltestelle Forsthaus Raschwitz über Markkleeberg-West bis zum Hafen Zöbigker geführt wird. „Es ist erst einmal gar nicht so wichtig, ob die vorgeschlagene Trasse die einzig richtige oder beste ist, wichtig ist, dass die Idee einer Straßenbahnanbindung des Cospudener Sees diskutiert wird. Damit würden die Freizeit- und Naherholungsangebote des Neuseenlands von Leipzig aus um einiges besser erreichbar“, erklärt von der Heide.
Das Problem bei Betrachtung der Linienführung für die 9 ist: Der Streckenast wird von den Verkehrsplanern fast nur aus Markkleeberger Sicht betrachtet.
Im März 2014 gab es dazu in Markkleeberg eine Einwohnerumfrage zur Nutzung des ÖPNV – insbesondere zur Linie 9 und zu den Buslinien 107 und 108. Die 107 fährt vom Connewitzer Kreuz aus in etwa auf der Strecke, die der Ökolöwe für die Linie 9 vorgeschlagen hat (die zwei Schlenker der Busroute, um den S-Bahnhof Markkleeberg und das Wohngebiet Eulenberg anzubinden, mal ausgenommen). Doch sie fährt nicht im 10-Minuten-Takt der Straßenbahn (am Wochenende 15 Minuten), sondern nur halbstündlich (am Wochenende nur alle zwei Stunden).
Die 108 ist – aus Probstheida kommend – zu einer Querverbindung innerhalb Markkleebergs ausgebaut worden, die Ost- und West-Markkleeberg miteinander verbindet. Auf dem Leipziger Stadtgebiet fährt der Bus alle 30 Minuten zwischen Probstheida und Gewerbegebiet Wachau hin und her. Die Markkleeberger müssen sich mit einem 60-Minuten-Takt zufrieden geben.
Was die grundsätzlichen Verkehrsprobleme Markkleebergs nicht löst – auch nicht die zu den eigenen Einkaufszentren. In das Einkaufs-UFO Wachau fahren auch 86 Prozent der Markkleeberger mit dem Pkw. Zum Cospudener See fahren hingegen 62 Prozent mit dem Rad.
Dabei war eine wesentliche Erkenntnis der Befragung, dass die Markkleeberger den 10-Minuten-Takt der Linie 9 sehr schätzen: “Ca. 91 Prozent der Befragten wünschen sich im Stadtgebiet von Markleeberg einen 10 bzw. 20-Minuten-Takt; Straßenbahn: überwiegend 10-Minuten-Takt; Bus: überwiegend 20-Minuten-Takt”, war eine Ergebnis der Bürgerumfrage. Und: “Im Innenstadtbereich mit den Zielen S-Bf. Markkleeberg, Rathausgalerie und Rathausstraße ist der ÖPNV-Anteil am höchsten.” Dort verkehrt auch die Linie 9 und hat bislang auch noch eine – wegen des für Viele zu langen Fußweges beim Umstieg – einigermaßen akzeptable Umsteigebeziehung zur S-Bahn.
Dabei ist die Zufriedenheit mit der Linie 9 mit 83,8 Prozent sogar noch höher als die mit der S-Bahn-Verbindung (70,2 Prozent) und noch deutlich höher als die mit dem Bus. Da sind es nämlich nur 25 Prozent, obwohl mit der 108 eine Querverbindung durch Markkleeberg geschaffen wurde.
Da schwingt das große Thema Barrierefreiheit mit, genauso wie das Thema Einfachheit. Bus fahren wird eben nicht als so einfach angesehen wie das Nutzen der Straßenbahn. Tatsächlich fahren viele der Befragten die ÖPNV-Angebote zu selten. Die Querverbindung in Markkleeberg finden sie verbesserungswürdig. Und viele sprachen sich für den Erhalt der Linie 9 aus. Und wie gesagt: das alles nur in einer Betrachtung innerhalb Markkleebergs. Da sind die Bedürfnisse nach der überörtlichen Vernetzung nach Leipzig noch gar nicht dabei. Auch wenn sie mit auftauchten.
Etwa wenn selbst die Markkleeberger bemängeln, dass der Fahrpreis zu hoch ist.
Was er auch deshalb ist, weil die Zonengrenze Leipzig und Markkleeberg trennt. Jeder zweite Befragte nutzt den ÖPNV übrigens auf dem Weg zur Arbeit und Schule – da stecken die Pendlerverflechtungen nach Leipzig mit drin.
Und ein Ergebnis der Befragung war auch, dass im Grunde nur das Stadtzentrum und der Weg nach Leipzig vom ÖPNV gut erschlossen sind. Die Zufriedenheit mit der Verbindung nach Leipzig liegt derzeit noch bei über 83 Prozent. Es ist schon erstaunlich, hier überhaupt eine signifikante Verschlechterung riskieren zu wollen.
Dafür werden die ÖPNV-Verbindungen in die umliegende Region als höchstens mittelmäßig bis inakzeptabel bewertet:
- Die Zufriedenheit der Markkleeberger mit der Anbindung des Cospudener Sees liegt bei 34,1 Prozent. Die Linie 65 (Richtung Markranstädt) fährt alle 20 Minuten, am Wochenende halbstündlich am Nordufer entlang. Wer mit dem ÖPNV an die Ostseite (Hafen, Pier 1) möchte, nutzt die Linie 107 (Richtung Zwenkau) mit einem 30-Minuten-Rhythmus in der Woche, am Wochenende alle 60 Minuten.
- Nach Zwenkau fährt jeder zweite Bus der Linie 107 (verlängert über Zöbigker). Daraus ergibt sich ein Stundentakt, am Wochenende nur alle zwei Stunden. Die Zufriedenheit der Markkleeberger liegt bei 22,6 Prozent.
- Ganz schwierig wird es mit der Erreichbarkeit des Kanuparks Markkleeberg und des Störmthaler Sees mit dem ÖPNV. Da muss man als Markkleeberger schon ein großer Liebhaber öffentlicher Verkehrsmittel sein, wenn man das auf sich nimmt. Die Buslinie 141 fährt nur von Montag – Freitag zu unregelmäßigen Zeiten im 60-, 90- oder 120-Minuten-Takt, an den besucherstarken Wochenenden gar nicht. Dass nur 5,8 Prozent (Kanupark) bzw. 3 Prozent (Störmthaler See) der Befragten das Angebot gut finden, ist keine Überraschung. Dass der Großteil der Nutzer des Kanuparks und der Seen gar nicht anders kann als mit dem eigenen Pkw anzureisen und das Umfeld der Seen in eine Blechlawine zu verwandeln, ist wohl als eine Folge der als unzureichend empfundenen Verkehrsanbindungen zu sehen.
Da liegen unübersehbar wichtige Verbindungen im Argen.
Was im Umkehrschluss ja heißt: Hier liegen schlichtweg wichtige Potenziale für den ÖPNV ins Neuseenland brach. Die Idee, alle Probleme dort mit Bussen lösen zu wollen, geht einfach nicht auf.
Gerade in Anbetracht der Diskussionen über eine Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs als Ziel des Leipziger Stadtentwicklungsplanes Verkehr sieht Daniel von der Heide den Vorschlag des Ökolöwen, die Linie 9 zum Cospudener See zu führen, positiv: „Als Bündnisgrüne haben wir immer betont, dass eine Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs nur über die Stärkung von Sicherheit und Attraktivität der anderen Verkehrsträger funktionieren kann. Die Erschließung neuer attraktiver Ziele mit der Straßenbahn würde zweifellos die Attraktivität des ÖPNV stärken und als Alternative zum Auto für eine Verkehrsminderung sorgen.“
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Die Attraktivität des ÖPNV zu erhalten und sogar zu steigern, wozu sich der Stadtrat ja mit dem STEP bekannt hat, ist wünschenswert.
Doch realisitisch scheint es mit den momentan agierenden Fraktionen nicht zu sein.
Das Land verteilt die Regionalisierungsmittel lieber woanders, als vorgesehen, Die Kommunen statten die Zweckverbände mit zu wenig finanziellen Mitteln aus, es werden mal ganz nebenbei entwicklungsfähige ÖPNV-Linien wegrationalisiert, welche in die hochgepriesenen Erholungsgebiete fahren, die Preise steigen ständig, regelmäßig und sind unattraktiv, und obendrein wundert sich die Stadt Leipzig auch noch, dass immer mehr Bürger Auto fahren, obwohl man ja Radwege baut – wie heute in der LVZ zu lesen.
Einfach ernüchternd…und schade obendrein.