Wir leben in Zeiten der bis zum Anschlag getriebenen Effizienz. Kein Fitzelchen bleibt ungenutzt. Selbst die wertvollen Ackerböden Sachsens werden bis zur Straßenkante bepflügt. Doch dabei droht etwas verloren zu gehen, was mit dem Begriff Kulturlandschaft nur unzureichend beschrieben ist. Denn Hecken, Windschützer und Alleebäume stehen ja nicht einfach da, damit es schön aussieht. Sie schützen die wertvollsten Böden des Landes.
Da hat man nun zwar einige Predigten des ehemaligen Landwirtschaftsministers Frank Kupfer (CDU) im Ohr, der immer wieder an Sachsens Landwirte appellierte, die Böden zu schützen, den Abtrag durch Wind und Regen einzudämmen, wieder Schutzräume für seltene Arten zu lassen und die Feldraine zu schonen. Aber gehört hat kaum einer auf ihn. Politik ist zahnlos, wenn sie nur um Freiwilligkeit bittet und keine Rahmenbedingungen schafft, die Bauern auch dazu zu zwingen, das Notwendige zu tun.
3 Millionen Tonnen Acker gehen jedes Jahr in Sachsen durch Erosion verloren, warnte Kupfer vor drei Jahren.
Und nichts hat sich geändert. Parallel werden immer neue Ackerflächen verbaut und versiegelt. Und zusätzlich müssen Ackerböden noch als Ausgleichsflächen für Bauprojekte herhalten. Das ist tatsächlich der Missbrauch einer Ressource, die in den nächsten Jahren immer wertvoller wird.
Aber was kann man tun? Wie bekommt man Landwirte dazu, sich wieder um den Schutz der Böden zu kümmern, wie sie es in vergangenen Zeiten immer getan haben, als sie noch vom Wetter abhingen und jede Möglichkeit nutzen mussten, ihre Äcker gegen Verlust zu schützen?
Im Partheland versucht man jetzt gemeinsam, einen Weg zu finden. Am Mittwoch, 4. März, trafen sich die Akteure eines Forschungsvorhaben unter dem Namen „stadt PARTHE land“ im Deutschen Biomasseforschungszentrum in Leipzig zur Auftaktveranstaltung: Ludwig Martin (Bürgermeister der Gemeinde Borsdorf), Dr. Holger Schirmbeck (Bürgermeister der Stadt Taucha und Vorsitzender des Zweckverbandes Parthenaue) und Prof. Dr. Catrin Schmidt (Lehr- und Forschungsgebiet Landschaftsplanung der Technischen Universität Dresden) und dazu die beteiligten Projektpartner.
 „stadt PARTHE land“ zielt auf Kulturlandschaftsmanagement im Partheland bei Leipzig
Im Land an der Parthe gilt natürlich, was auch anderswo in Sachsen gilt: So lange man sich an Gebietsgrenzen hält, macht jeder Seins und etwas großes Gemeinsames kommt nicht zustande. Der Vorteil im Partheland ist: Es gibt schon zwei Organisationen, in denen man das Gebietsgrenzenüberschreiten geübt hat: beim Zweckverband Partenaue und beim Grünen Ring.
Ãœber kommunale Grenzen hinweg setzt man sich daher zum Ziel, Landwirte, Vereine, Schulen und Verwaltungen bei der Aneignung, Pflege und Gestaltung ihrer Kulturlandschaft zu unterstützen. Dafür sollen möglichst viele Akteure ins Gespräch gebracht werden. Denn – so stellte man am Mittwoch fest: es gibt keine Patentrezepte, um die öffentlichen Parks, das artenreiche Grünland, die Heckensysteme und viele andere wertvolle Landschaftsstrukturen des Raumes zu erhalten.
Aber erhalten werden müssen sie. Darin ist man sich einig. Und im jetzt gestarteten Forschungsvorhaben sollen gemeinsam Antworten auf zahlreiche Fragen gefunden werden:
- Wie können artenreiche Wiesen und ihre Bewirtschaftung langfristig gesichert und an Standortveränderungen angepasst werden?
- Was passiert mit den zahlreichen überalterten Windschutzpflanzungen?
- Wie kann die regionale Verwertung von Grünschnitt aus der Landschafts- und Grünflächenpflege weiter optimiert werden?
- Ist es möglich, dass Landwirte naturschutzfachliche Maßnahmen zur Kompensation von Eingriffen umsetzen und lässt sich dadurch der Verlust landwirtschaftlicher Nutzflächen reduzieren?
- Wie kann die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Landschaft und die spannenden Fragen ihrer Entwicklung gelenkt werden?
- Können aus der intensiven Einbeziehung der Bevölkerung auch neue Lösungen für mehr regionale Wertschöpfung und landschaftliche Teilhabe entstehen?
Es gilt, eine wertvolle Kulturlandschaft zu erhalten
„Die Flusslandschaft der Parthe mit ihrem Mosaik aus Parks, Wiesen und kleinen Wäldchen ist ein wichtiger Rückzugsraum für Mensch und Natur. Zudem ist sie verbindendes Glied zwischen der Stadt Leipzig und ihren Nachbarkommunen. Für die Pflege und Entwicklung dieses schönen Landschaftsraumes wurde der Zweckverband Parthenaue gegründet, der von den Kommunen gemeinsam getragen wird“, sagte Dr. Holger Schirmbeck. „Die Pflege von Grünanlagen und wertvollen Biotopen stellt die öffentliche Hand jedoch vor immer größere Herausforderungen. Neben der Zunahme der zu pflegenden Flächen steigt der Arbeitsaufwand durch die fortschreitende Vernässung entlang der Parthe. Umso wichtiger ist es daher, die Landschaftspflege möglichst effizient auszugestalten und an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Eine Bewirtschaftung ist aber nach wie vor die nachhaltigste Form der Pflege von Kulturlandschaften. Ein besonders wichtiger Baustein von ‘stadt PARTHE land’ ist daher der Aufbau von Strukturen zur Unterstützung der zahlreichen Landnutzer.“
„Um die Kosten für die Entsorgung des kommunalen Grünschnitts zu senken, sind wir in unserer Kommune vor einigen Jahren dazu übergegangen, das anfallende Material selbst zu kompostieren“, so Ludwig Martin, der in seiner zusätzlichen Funktion als Leiter der Arbeitsgruppe Umwelttechnik des Grünen Ringes Leipzig auch die interkommunale Ebene hervorhob. „Kommunenübergreifend gibt es bei der regionalen Verwertung organischer Reststoffe aber sicherlich noch viele ungenutzte Potentiale. Gerade durch die Bündelung mit weiteren Reststoffquellen, wie z. B. dem Klärschlamm der kommunalen Kläranlagen oder dem Mist der zahlreichen Reiterhöfe, könnte ein Mehrwert für die Region entstehen. Hierfür kann das Forschungsvorhaben wichtige Grundlagen erarbeiten. Dieses Thema ist im Übrigen nicht nur für die Kommunen im Partheland von Interesse. Daher ist es gut, dass der Grüne Ring Leipzig als Partner in das Forschungsvorhaben mit eingebunden ist.“
„Aufgrund wachsender Flächenkonkurrenzen wird es immer schwieriger, geeignete Flächen für Kompensationsmaßnahmen zu finden“, erläuterte Catrin Schmidt. „Die Erprobung sogenannter Produktionsintegrierter Kompensationsmaßnahmen (PIK), mit denen naturschutzrelevante Verbesserungen unter Beibehaltung der landwirtschaftlichen Nutzung angestrebt werden, ist für uns daher von besonderem Interesse. Dadurch könnten Landwirte zu einem wichtigen Partner bei der Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen werden. Für sie wäre dieser Ansatz grundsätzlich interessant, da ihnen keine weiteren Bewirtschaftungsflächen entzogen und sie für ihren Arbeitsaufwand entsprechend entlohnt würden. Aber wir werden uns auch damit beschäftigen, wie wir Verwaltungsstrukturen und -prozesse noch weiter optimieren können. Dies betrifft insbesondere die Verbesserung des Dialogs und der Unterstützung von bürgerschaftlichen Initiativen und regionalen Landbewirtschaftern, aber auch die interkommunale Zusammenarbeit.“
1,9 Millionen Euro für Nachhaltiges Landmanagement
Für die Bearbeitung der vielschichtigen Fragestellungen des Kulturlandschaftsmanagements haben sich das Lehr- und Forschungsgebiet Landschaftsplanung der Technischen Universität Dresden (Projektkoordination), der Grüne Ring Leipzig (vertreten durch das Amt für Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig), der Zweckverband Parthenaue, das Leipziger Gartenprogramm (vertreten durch die culturtraeger GmbH), das Professor Hellriegel Institut e.V., das Deutsche Biomasseforschungszentrum gGmbH und das Büro für Landschaftskommunikation zu einer Innovationsgruppe (=Forschungsverbund) zusammengeschlossen.
Gefördert wird die Innovationsgruppe mit ca. 1,9 Millionen Euro über fünf Jahre vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Fördermaßnahme „Transdisziplinäre Innovationsgruppen zur Entwicklung und Umsetzung neuer Systemlösungen im Nachhaltigen Landmanagement”. Mit der Förderung von Innovationsgruppen, in denen Partner aus Wissenschaft und Praxis zusammenarbeiten, verfolgt das BMBF das Ziel, die Forschung und Entwicklung neuer Systemlösungen für eine nachhaltige Nutzung von Land und natürlichen Ressourcen mit einer praktischen Umsetzung und Verstetigung zu verknüpfen.
Am Freitag, 20. März, ist in Borsdorf die Auftaktveranstaltung zu „stadt PARTHE land“. Dort sollen Inhalte und Herangehensweise mit den vielen Akteuren der Region zum ersten Mal intensiv diskutiert werden.
Interessierte können sich bei der TU Dresden anmelden:
E-Mail veranstaltung@stadtpartheland.de, Tel. 0351/463-31914
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