Es klingt so einfach: "Störstellenbeseitigung". Seit über fünf Jahren ist das ein Thema im Leipziger Gewässerverbund. 2009 gab es die Planfeststellungsgenehmigung für die "Beseitigung der Störstellen" in der Pleiße zwischen Cospudener Wehr und agra-Wehr. Seitdem versuchte das Kommunale Forum Südraum Leipzig die Gelder dafür zusammenzubekommen, auch Fördergelder aus Dresden. Im Oktober war es dann so weit, da kündigte man für November den Beginn der Bauarbeiten an. Und hatte auf einmal ein Problem mit dem Artenschutz.
Denn auch die Pleiße liegt in diesem Teil im Naturschutzgebiet südlicher Auewald, in dem nicht nur der Eisvogel unter Schutz steht, sondern auch ein Tierchen, das die Leipziger seit April etwas besser kennen: die Grüne Keiljungfer. Im April erklärte sie Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal zum “Auwaldtier des Jahres 2014”. “Trotz der sich in den letzten 20 Jahren verbesserten Situation ihrer Lebensräume, wird die Art noch immer als gefährdet eingestuft”, schätzt auch das Leipziger Umweltamt ein. Und wo das Problem liegt bei dieser besonderen Flussjungfer, erklärte das Amt im April ebenfalls: “Die Grüne Keiljungfer ist eine reine Fließwasserart, die besonders sandig-kiesige Gewässerböden für ihre Larven aufsucht.”
Deswegen wird die Grüne Keiljungfer im Leipziger Auwald vor allem noch da gesichtet, wo die Fließgewässer von Weißer Elster und Pleiße noch weitgehend naturnah sind und wo es auch noch sandig-kiesige Gewässerböden gibt, in denen sie ihre Larven ablegen können.
Und genau an dieser Stelle kollidiert die so genannte “Störstellenbeseitigung” in der Pleiße mit dem Naturschutz. Denn genau diese Böden sollen jetzt für 1,7 Millionen Euro aus dem gesamten Gewässerabschnitt bis zum agra-Wehr entfernt werden. Ein Projekt, gegen das sich die Umweltverbände schon 2009 in ihren Stellungnahmen zum Planfeststellungsverfahren verwahrten. Da hilft es nicht allzu viel, wenn sich die Auftraggeber des Kommunalen Forums jetzt darauf berufen, dass auch die Umweltverbände seinerzeit Stellung nehmen konnten. Wenn diese Stellungnahmen – wie es oft der Fall ist – einfach negiert werden, ist die ganze Beteiligung zumindest fragwürdig. Erst recht, wenn solche Projekte keine Abänderung erfahren, sondern im vollen ursprünglich geplanten Ausmaß durchgesetzt werden.
Man suggeriert zwar der Öffentlichkeit, man täte es einfach, um die Bootsdurchlässigkeit zu verbessern und Gefahrenstellen zu beseitigen. Aber eigentliches Ziel dieses Projekts ist es, die Befahrbarkeit für Motorboote herzustellen. Denn für Kanuten – darauf wies der Kanuverband schon 2013 hin – bildet die Pleiße hier kein Hindernis. Sie ist – da sie im ehemaligen Tagebaugebiet begradigt wurde – eher ein langweiliges Bootsrefugium. Wer trotzdem auf der Pleiße bis nach Böhlen paddeln will, trägt einfach um.
Ziel der Herstellung der Befahrbarkeit für Motorboote ist die künftig noch zu bauende so genannte Wasserschlange, die vom agra-Wehr durch den agra-Park die Wasserverbindung zum Markkleeberger See herstellen soll. Alles noch Zukunftsmusik. Der Gewässerverbund ringt mit der neu gewählten sächsischen Regierung noch um die notwendigen Fördergelder für das Projekt.Als nun im Oktober die Pläne, die “Störstellenbeseitigung” noch im Herbst in Angriff nehmen zu wollen, publik wurden, reagierte der Leipziger Ökolöwe und wies die Genehmigungsbehörde, die Landesdirektion Leipzig, darauf hin, dass es für das Projekt überhaupt keine artenschutzrechtliche Genehmigung gibt. Auch vom Leipziger Umweltamt gab es diese Genehmigung nicht, wo man sich sehr bewusst ist, dass hier direkt in den Lebensraum einer besonders geschützten Tierart eingegriffen wird.
Der Einspruch des Ökolöwen löste einigen Wirbel aus. Selbst die LVZ konnte am 12. Dezember die Haltung der Genehmigungsbehörde mit den Worten zitieren, dass die “potenzielle Betroffenheit besonders geschützter, im Einzelnen konkret benannter Arten zu beachten”” sei. Nur scheint das im Kommunalen Forum Südraum Leipzig, das dieses Projekt trägt, kein Umdenken ausgelöst zu haben, sondern im Gegenteil – eine hektische Betriebsamkeit. Denn nun lief auch noch die Genehmigung von 2009 aus, an die auch Fördergelder gekoppelt sind, deren Verfall Steffi Raatzsch, die Geschäftsführerin des Kommunalen Forums, befürchtet. Also wies man kurz vor Auslaufen der Genehmigung, was die LVZ auf “Mittwoch 23.59 Uhr” beziffert, an, nun unverzüglich mit den Arbeiten zu beginnen.
Und die haben es in sich und sind eben keine reine “Störstellenbeseitigung”, sondern eher eine Komplettbereinigung des Flussbetts. Die Sohle der Pleiße soll in diesem Abschnitt nicht nur begradigt, sie soll auch tiefer gelegt werden. Was dann nicht nur bedeutet, dass auf ein Kilometer Länge die lockeren Kiese und Sande, in denen die Grüne Keiljungfer ihre Larven ablegt, verschwinden, auch die Sohlschwellen verschwinden, was dann in der Pleiße einen ähnlichen Effekt erzeugt, wie er an der Neuen Luppe zu beobachten ist. Damit sinkt der Grundwasserspiegel und der Wasserhaushalt in den angrenzenden Gebieten verändert sich – in diesem Fall auch im agra-Park und in Teilen des südlichen Auwaldes. Man verschlechtert also sogar großflächig die Lebensbedingungen im Naturschutzgebiet. Den Lebensraum der Grünen Keiljungfer demoliert man in diesem Bereich ganz und gar.
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Sollte das von einem der maßgeblichen Ämter genehmigt werden, wäre es der zweite Sündenfall nach den starken Eingriffen ins Habitat des Eisvogels. Bislang fischte der Schwimmbagger vor allem Bauschutt und Unrat von der Flusssohle, schrieb die LVZ. Aber gerade in den Bauabschnitten 2 und 3 flussaufwärts soll massiv Kies und Sand ausgehoben werden. Mit Naturschutz hat das nichts mehr zu tun. Und der Zeitdruck, den das Kommunale Forum Südraum hier geltend macht, könnte genau zu dem führen, wozu Fördergelder eigentlich nicht gedacht sind: zu einem Versenken der Steuergelder für ein nicht genehmigungsfähiges Projekt.
Und die Chance – die seit 2009 bestand – die Naturschutzauflagen mit zu bedenken und das Projekt zu ändern, hat man eindeutig nicht genutzt. Man versucht es mit einem sturen “Weiter so”. Aber das kann jetzt teuer werden. Und es gefährdet eine Art, die in Leipzig schon verschwunden war. Oder noch einmal das Amt für Umweltschutz der Stadt Leipzig zitiert: “Seit ihrem Aussterben in den 1920er Jahren gelang ihr Wiederfund erstmalig 2001 in der Dübener Heide und 2005 bei Schkeuditz. Heute ist die Art hauptsächlich an der Weißen Elster und der Pleiße zu finden. Aber auch nahe Stadtelster, Floßgraben, kleiner Luppe und Parthe sieht man sie gelegentlich. Die Libelle besiedelt vorzugsweise strömungsreichere Flussabschnitte mit sandig-kiesigen Böden und sauerstoffreichem Wasser. Sie ist daher ein Anzeiger verbesserter Wasserqualität unserer sich von der Industrie der letzten Jahre erholenden Gewässerökosysteme und ein verdienter Inhaber des Titels ‘Leipziger Auwaldtier’.”
Wer da einfach drauflosbaggern lässt, hat irgendwas verschlafen.
Das Porträt der Grünen Keiljungfer als PDF zum Download.
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