Die Fluglärmkommission des Flughafens Leipzig/Halle trifft sich nur aller halben Jahre. Das ist eigentlich genug Zeit, um zwischendurch die angesprochenen Fragen zu klären und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Auch um das Protokoll zeitnah zu veröffentlichen. All das gelingt dem Schkeuditzer Kaffeekränzchen aber nicht. Was in der Novembersitzung geklärt wurde, ist noch immer nicht öffentlich. Aber wahrscheinlich hat die Bürgerinitiative "Gegen die neue Flugroute" recht, wenn sie annimmt: Mal wieder so gut wie nichts.
“Ein Dauerbrenner beim Thema Fluglärm im Raum Leipzig ist neben der kurzen Südabkurvung die Bahnverteilung”, kommentiert das Matthias Zimmermann, Sprecher der Bürgerinitiative. Normalerweise ist festgelegt, wie da (auch nachts) gestartet und gelandet werden muss. Nur interessiert das auf dem Nachtflughafen niemanden.
Oder doch höchstens, wenn die Stadt Halle sich mal meldet und augenscheinlich mit mehr Rückgrat als die Stadt Leipzig fordert, dass sich an der Lärmbelastung der eigenen Bevölkerung endlich etwas ändert muss.
Die Nutzung der beiden Start- und Landebahnen erfolgt auch weiterhin entgegen dem Planfeststellungsbeschluss, der eine Nutzung beider Start- und Landebahnen zu jeweils 50 Prozent vorsieht, damit auch die Leipziger im Nordwesten mal ein paar Nächte ohne Fluglärm bekommen. Aber da von keiner öffentlichen Seite Druck kommt, ändert sich nichts. Die Ladehallen stehen alle an der Südbahn. Also wird die südliche Startbahn auch fast allein genutzt.
Zu 95 Prozent erfolgen Starts und Landungen auf der stadtnahen Südbahn, in der Kernnachtzeit sogar zu 99 Prozent, rechnet die Bürgerinitiative vor.
Anhaltende Proteste und Beschwerden gegen diesen Verstoß hatten dazu geführt, dass sich die Fluglärmkommission mit dem Thema befasst. Aber wie das so ist, wenn die behördlichen Vertreter in der Kommission von Bürgerprotest nicht wirklich viel halten: Die Befassung erfolgt nun schon seit einigen Jahren recht schleppend.
“Trotz vorliegender, durch die Stadt Leipzig beauftragter Gutachten, und trotz Vorliegen von Ergebnissen einer unter Leitung des sächsischen Umweltministeriums innerhalb der Fluglärmkommission (FLK) arbeitenden Arbeitsgruppe zur Bahnverteilung – bisher ist nichts zur Lärmentlastung geschehen”, zieht Zimmermann das Fazit nach nunmehr schon sieben Jahren Arbeitsverweigerung.
Und zumindest aus Halle hat man eine erste Kunde, wie klein auch das Arbeitsergebnis der Kommission im November war.
Zimmermann: “Wie die Mitteldeutsche Zeitung unter Bezugnahme auf das Mitglied der FLK Kerstin Ruhl-Herpertz bereits Mitte November berichtete, verabschiedete auf der 47. Sitzung die FLK nun eine Empfehlung, nach welcher bei Betriebsrichtung Ost nach Norden abfliegende Luftfahrzeuge von der Nordbahn starten sollen. Dem analogen Verfahren bei Betriebsrichtung West stimmte die Kommission nicht zu, angeblich wegen damit neu betroffener Anwohner.”
Gerade die Abflugrichtung West aber sorgt dafür, dass sich die zum Teil recht alten Maschinen über dem Leipziger Westen in den Himmel quälen – mit langen und intensiven Hörerlebnissen für alle Bürger von Stahmeln bis Böhlitz-Ehrenberg.
“Betrachtet man diese Empfehlung genauer, so entpuppt sie sich freilich als geschickt gesteuertes Placebo zur Beruhigung der Massen”, sagt Zimmermann dazu. “Im statistischen Mittel herrscht am Flughafen Leipzig-Halle nämlich bis zu 2/3 Windrichtung West. In den letzten Jahren lag somit der prozentuale Anteil für die zwingende Entscheidungsgrundlage zur Betriebsrichtung Ost bei maximal 18 Prozent, verteilt auf den ganzen Tag. Die extreme Lärmbelastung durch die Südbahn findet aber nachts statt, überwiegend durch DHL verursacht. Auch das Argument ‘neu betroffene Anwohner’ ist fadenscheinig, denn Grundlage müssen die Gesamtzahl der Betroffenen sowie Lärmindizes und die zu erwartenden Aufwachwahrscheinlichkeiten sein. Den Nachweis bleibt die FLK schlicht und ergreifend schuldig.”Aus Flughafensicht scheint man damit den einfacheren Weg zu gehen: Wenn eine Stadtverwaltung sich nicht wehrt gegen die einseitige Belastung, dann lädt die Route ja geradezu ein zum Spritsparen.
“Man kann oder sollte davon ausgehen, dass die Gesamtheit der Wichtungen seinerzeit in die Festlegung des Planfeststellungsbeschlusses eingegangen sind, mit dem Ergebnis einer Bahnverteilung von 50/50”, versucht sich Zimmermann zu erklären, warum die Genehmigungsbehörde den protestierenden Leipzigern 2007 die Fifty-Fifty-Verteilung als Bonbon anbot, damit die Flughafenerweiterung möglichst ohne Klagen durchging, und seitdem kein einziges Mal auch nur versucht wurde, die Starts gleichmäßig zu verteilen.
Mittlerweile gibt es selbst zwei belastbare Gutachten des sächsischen Umweltministeriums. Aber auch das kümmert das Schkeuditzer Kaffeekränzchen nicht.
“Wenn nun die unter Vorsitz von Manfred Heumos tagende Fluglärmkommission und der Flughafen sich den auf ausführlichen Gutachten beruhenden Empfehlungen des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft, welche bei zwei Varianten eine spürbare Verbesserung für zehntausende Leipziger, Schkeuditzer und Halles Osten erbracht hätte, verweigern, ist dies nicht nur ein Affront gegenüber der Stadt Leipzig und ihre Bürger, sondern auch eine Missachtung gutachterlicher und fachlicher Kompetenz des Staatsministeriums. Keine der vom SMUL vorgestellten Varianten mit merklicher Gesamtentlastung der Bürger wurde beachtet bzw. angenommen”, sagt Zimmermann.
Und zitiert § 32b des Luftverkehrsgesetzes, wo es unter anderem heißt: “Die Kommission ist berechtigt, … Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung gegen Fluglärm oder zur Verringerung der Luftverunreinigung durch Luftfahrzeuge in der Umgebung des Flugplatzes vorzuschlagen.”
Zimmermann: “In der 47. Sitzung der Fluglärmkommission am LEJ ist das Gegenteil passiert. Die Kommission hat augenscheinlich wider besseren Wissens zum Nachteil des überwiegenden Teils der Betroffen gehandelt bzw. empfohlen. Es liegt nun an der Stadt Leipzig und seinem OBM, gegebenenfalls zusammen mit Schkeuditz und Halle, hiergegen beim Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr mit allen Mitteln vorstellig zu werden.”
Es gibt zwei Passagen …
Das Verfahren zur kurzen Südabkurvung …
Was bringen eigentlich Überprüfungen …
Vielleicht ist ja der neue Verkehrsminister ein bisschen offener für die Belange der Bürger als sein Vorgänger.
Vielleicht versteht er auch, warum ein UFO wie der Flughafen Leipzig/Halle ins Unverbindliche abdreht, wenn Politik zu arbeitsscheu ist, Grenzen zu definieren. Etwa bei der von Anfang an nicht genehmigten “kurzen Flugabkurvung”, bei der sich die Leipziger Umweltschützer mühsam überhaupt ein Klagerecht erstreiten mussten.
Da die Rechtlichkeit dieser Abkürzung direkt über Leipziger Stadtgebiet völlig in Frage steht, wäre es auch ein simpler Verwaltungsakt gewesen, diese Überflüge bis zum Gerichtsentscheid zu unterlassen.
Aber in Schkeuditz sieht man sich dadurch erst recht bestärkt, diese Route zu fliegen: Wurde die “kurze Südabkurvung” 2012 noch 1.337 Mal beflogen, zog die Zahl der Flüge im Folgejahr auf 1.921 an und im Jahr 2014 wurden schon über 2.000 Überflüge registriert.
Bürgerinitiative “Gegen die neue Flugroute” / BI “Gegen Flug- und Bodenlärm”: www.fluglaermleipzig.de
Der Fluglärmreport der Initiative für November 2014 als PDF zum Download.
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