Es war eines dieser kleinen Zugeständnisse an die vom nächtlichen Fluglärm geplagten Bewohner des Leipziger Nordwestens: der Bau einer Halle für die Triebwerksprobeläufe der Flugzeuge. 2008 gebaut für 14 Millionen Euro, bis 2012 eher sporadisch benutzt, bis verpflichtend festgelegt wurde: Triebwerksprobeläufe haben grundsätzlich in der Halle zu erfolgen. Doch irgendwie macht das den Nutzern des Flughafens zu viel Aufwand.

Der Flughafen Leipzig-Halle beabsichtigt deshalb das planungsrechtlich festgeschriebene Verbot von nächtlichen Triebwerksprobeläufen auf dem Freigelände des Flughafens wieder auszuhöhlen.

Am Dienstag, 16. Dezember, stellte der Geschäftsführer des Flughafens Leipzig-Halle, Dierk Näther, vor dem Technischen Ausschuss der Stadt Schkeuditz seine Vorstellungen zu einem entsprechenden Änderungsgenehmigungsverfahren vor, basierend auf einem durch den Flughafen selbst in Auftrag gegebenen Gutachten. Dieses kommt dann auch zum Schluss, dass die durch die vorgesehenen zusätzlichen nächtlichen Triebwerksprobeläufe hervorgerufenen Aufwachreaktionen unter 1 Prozent liegen. Ein Vortrag, der sich schon ankündigte.

Matthias Zimmermann, Sprecher der Bürgerinitiativen “Gegen die neue Flugroute” und “Gegen Flug- und Bodenlärm”, hat dazu in der Leipziger Ratsversammlung schon eine entsprechende Anfrage gestellt, in der er erläutert: “Bisher dürfen gemäß Planfeststellungsbeschluss am Flughafen Leipzig-Halle nachts keine Triebwerksprobeläufe außerhalb des Triebwerkprobelaufstandes durchgeführt werden. Wie bekannt wurde, will der Flughafen diese Regelung zum aktiven Lärmschutz aufheben und nun auch nachts Probeläufe im Freien durchführen. Für diese beabsichtigte Änderung des Planfeststellungsbeschlusses hat der Flughafen ein Lärmgutachten in Auftrag gegeben, dessen Ergebnisse in der letzten Sitzung der Fluglärmkommission vorgestellt wurden.”

Seine Fragen, die er von Leipzigs Stadtverwaltung beantwortet haben möchte: “Welche Beeinträchtigungen ergeben sich für die Leipziger Anwohner durch diese beabsichtigte Änderung der Auflagen der Betriebsgenehmigung zum aktiven Lärmschutz? Welche Position bezieht die Stadt Leipzig zu diesem Vorstoß des Flughafens zur weiteren Verlärmung seines Umfeldes und Aushöhlung des Planfeststellungsbeschlusses? Warum können diese Probeläufe nicht tagsüber erfolgen?”

Das Gutachten, das der Flughafen vorgelegt hat, ist wohl ein würdiger Vertreter seiner Art.
Zimmermanns Eindruck davon: “Geflissentlich schnell übergangen wurde dabei natürlich die Berechnungsmethode. Diese ermittelt, vereinfacht ausgedrückt, lediglich einen Mittelwert über einen 24 Stunden Tageszeitraum mit seinen ebenfalls vorhandenen Ruhepausen. Dies dürfte dem ohnehin schon durch nächtlichen Fluglärm geplagten Anwohner wenig nützen, bedenkt man, dass ein einziger Triebwerkprobelauf mindestens 20, in der Regel bis 60 Minuten andauert. Da war der Einwand des Flughafenchefs, mit den eventuell notwendigen nächtlichen Probeläufen vermeide man dadurch gegebenenfalls notwendige zusätzliche Flugbewegungen, geradezu lächerlich.”

Mit zurechtgebogenen Zahlen soll also die Rückkehr zu den Zuständen vor 2012 begründet werden.

“Wenn eines aus den Darstellungen klar hervorging, so war es das Geständnis, dass die wirtschaftlichen Nutznießer einer Verfahrensänderung der bisher verbotenen nächtlichen Triebwerksprobeläufen die DHL und Aerologic sein würden”, resümiert Zimmermann das Gehörte aus dem Schkeuditzer Stadtrat. “Triebwerksprobeläufe in der eigens dafür gebauten Spezialhalle kosten den Nutzer, also auch den Großkunden DHL und Aerologic, Geld. Wenn auch nicht so viel, als dass sie die Betreiberkosten durch den Flughafen abdecken. So war es jedenfalls von Herrn Näther zu vernehmen, wenngleich offensichtlich unbeabsichtigt. Ein hoch subventionierter Flughafen verkauft also seine Dienstleistung nicht kostendeckend. Eine sehr interessante Aussage, meinen wir.”

Aus seiner Sicht blieben bei dieser ersten Anhörung noch viele Fragen offen oder wurden unzureichend beantwortet, die zur Meinungsbildung wichtig wären.

Dabei wissen die Betreiber des Flughafens augenscheinlich noch nicht einmal, wo man die Probeläufe gern absolvieren würde. Zimmermann hat dazu eine Reihe wohl berechtigter Fragen: “Werden die Orte der angestrebten nächtlichen Triebwerksprobeläufe (alte Südbahn, Enteisungsfläche NW) in der Änderung der Planfeststellung festgeschrieben? Hier gab es seitens des Flughafens nur sehr wage Antworten. Kann verbindlich erklärt werden, dass auch später keine Triebwerksprobeläufe auf den geplanten Flächenerweiterungen von DHL im Osten des Flughafens erfolgen? Immerhin gibt es nach Informationen unserer Bürgerinitiative das Vorhaben, ein riesiges Areal mit Abgrenzung S 8/Radefelder Allee als Wartungsbasis zu entwickeln. Wie verbindlich ist die Festlegung dann in der Planfeststellung? Bisher wurden im Zweifelsfalle Planfeststellungen nur als ‘Absichtserklärungen’ deklariert. Wie wird der angebliche wirtschaftliche Schaden bei DHL, sollte das Verbot nächtlicher Triebwerksprobeläufe aufrechterhalten werden, ermittelt bzw. wie hoch beziffert? Dies konnte nicht beantwortet werden, obwohl doch ein wesentlicher Anlass, die Probeläufe zu fordern!”

Und so bleiben dann auch ein paar Fragen nach dem ganzen Berg von Sonderstellungen, die der Flughafen Leipzig/Halle mittlerweile auch unter deutschen Flughäfen einnimmt. Zimmermann: “Auf welchen Flughäfen in Deutschland dürfen nächtliche Triebwerksprobeläufe bisher durchgeführt werden? Wird gewährleistet, dass die dem Gutachten zugrunde liegende Anzahl der nächtlichen Triebwerkprobeläufe nicht weiter ansteigt? Hierzu bisher nur die Antwort ‘aus heutiger Sicht’. Was nach unseren Erfahrungen im Sprachgebrauch und Selbstverständnis des Flughafens bedeutet, es wird, sollte einmal die ‘Schallmauer’ durchbrochen sein, ständig so weitergehen.”

Seine Erwartung: “Die verantwortlichen Politiker, Behörden, Verbände, kommunalen Verantwortlichen und natürlich, ganz wichtig, die Bürger werden hierzu hoffentlich noch ausreichend Gelegenheit haben, sich zu positionieren. Und die Bürgerinitiativen erwarten, dass sie ausreichend und umfassend in diesen Findungsprozess eingebunden werden.”

www.fluglaermleipzig.de

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