Sie kommen aus den verschiedensten Ländern der Welt. Viele von ihnen landen hier in Deutschland, nachdem sie Krieg, Folter, Hunger, politische und religiöse Unterdrückung und/oder Gewalt erleben mussten. Sie sind geflüchtet und suchen Freiheit, Schutz vor Repressionen, neue Hoffnung, neue Träume - ein neues Leben. Wir haben beim Landratsamt nachgefragt, wie die aktuelle Situation der Asylsuchenden im Landkreis Leipzig ist.
Jedes Bundesland ist verpflichtet, entsprechend eines prozentualen Verteilungsverfahrens zugewiesene Asylsuchende aufzunehmen und für deren Unterbringung zu sorgen. Dieser “Königsteiner Schlüssel” wird anhand der Bevölkerungszahlen und der Höhe des Steueraufkommens bestimmt und bedeutet, dass das Bundesland Sachsen nach diesem Verfahren 5,14 Prozent (2013) aller in Deutschland ankommenden Flüchtlinge aufnehmen muss.
Die Asylsuchenden werden dann einer Erstaufnahmeeinrichtung dieses Bundeslandes zugewiesen. In Sachsen ist dies derzeit nur eine, die Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz. Die ist jedoch schon lange nicht mehr in der Lage, die Anzahl der Flüchtlinge unter Einhaltung von Mindeststandards unterzubringen, die Landesregierung sucht händeringend nach weiteren Standorten und nach einer Lösung für das Platzproblem (Dresden und Leipzig sind in Vorbereitung). Von der Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz werden die Asylsuchenden möglichst innerhalb von 2 bis 3 Monaten dann wieder prozentual auf die Städte und Landkreise aufgeteilt. Die Flüchtlinge selbst haben dabei kein Mitspracherecht und keine Möglichkeit, einen bestimmten Wohnort auszuwählen. Sie müssen in dem ihnen zugeordneten Ort wohnen.
Die Situation im Landkreis Leipzig
Das Landratsamt in Borna teilte uns gestern auf Anfrage mit, dass im Landkreis Leipzig derzeit (Stand 31. Oktober 2014) insgesamt 881 Asylbewerber versorgt werden. Seit Januar 2014 ist diese Zahl von 609 um 272 Personen gestiegen.
Etwa die Hälfte von ihnen (48 Prozent) lebt in Wohnheimen. Davon gibt es aktuell fünf Standorte: jeweils ein Wohnheim in Borna, Grimma und in Rötha, in Frohburg gibt es zwei Gemeinschaftsunterkünfte mit – entsprechend ihrer Größe – unterschiedlicher Belegung:
- Borna, OT Thräna: 62 Erwachsene und 16 Kinder
- Frohburg, OT Hopfgarten: 29 Erwachsene und 11 Kinder
- Frohburg, OT Elbisbach: 77 Erwachsene und 8 Kinder
- Grimma, OT Bahren: 90 Erwachsene und 40 Kinder
- Rötha: 73 Erwachsene und 15 Kinder
Insgesamt also 331 Erwachsene und 90 Kinder, die derzeit in Wohnheimen leben.
Der etwas größere Anteil von 52 Prozent, das sind 295 Erwachsene und 165 Kinder, ist dezentral untergebracht und hat gesamt 170 Wohnungen in den verschiedenen Orten des Landkreises als Wohnort zugewiesen bekommen. In alphabetischer Reihenfolge:
- Bad Lausick: 3 Erwachsene in 2 Wohnungen
- Borna: 129 Erwachsene und 68 Kinder in 74 Wohnungen
- Böhlen: 10 Erwachsene und 4 Kinder in 7 Wohnungen
- Colditz: 9 Erwachsene und 11 Kinder in 5 Wohnungen
- Espenhain: 17 Erwachsene und 2 Kinder in 9 Wohnungen
- Frohburg: 20 Erwachsene und 12 Kinder in 11 Wohnungen
- Geithain: 10 Erwachsene und 5 Kinder in 4 Wohnungen
- Grimma: 42 Erwachsene und 22 Kinder in 21 Wohnungen
- Groitzsch: 4 Erwachsene und 5 Kinder in 4 Wohnungen
- Markkleeberg: 24 Erwachsene und 13 Kinder in 19 Wohnungen
- Neukieritzsch: 9 Erwachsene und 9 Kinder in 5 Wohnungen
- Pegau: 3 Erwachsene und 4 Kinder in 1 Wohnung
- Rötha: 2 Erwachsene und 4 Kinder in 1 Wohnung
- Wurzen: 13 Erwachsene und 6 Kinder in 7 Wohnungen
Alleinstehende, vor allem Männer, sind vorwiegend in den Wohnheimen untergebracht. Der Landkreis und die beteiligten Kommunen sind bestrebt, Familien mit Kindern bei Verfügbarkeit eine geeignete Wohnung zuzuweisen, die einen einigermaßen geordneten familiären Alltag besser ermöglicht als das Zusammenleben einer Familie mit 6 Personen auf 20 Quadratmetern mit Gemeinschaftsbädern und -küchen in den Wohnheimen.Der Landkreis Leipzig hat durch die Unterbringung der Asylbewerber natürlich auch Kosten zu tragen: Pro Person werden pro Nacht 7,50 Euro an die Betreiber der Gemeinschaftsunterkünfte gezahlt. Sozialarbeiter werden eingestellt, um sich vor Ort um die Probleme der Asylbewerber zu kümmern.
Flüchtlinge, die nach Deutschland gekommen sind und hier Asyl beantragen, erhalten keine Sozialhilfe, sondern reduzierte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Wichtiger Bestandteil dieses Gesetzes ist das Sachleistungsprinzip, nach dem der notwendige Bedarf an Ernährung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege in unbarer Form gedeckt wird. Kinder bis zu 13 Jahren erhalten etwa 60 % der Leistungen.
Die Flüchtlinge erhalten pro Monat 217,00 Euro in Gutscheinen und 137,00 Euro Bargeld, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Nachdem viele Bundesländer in den letzten Monaten das bis dahin existierende Gutscheinsystem abgeschafft haben, wird dies auch im Landkreis Leipzig, als letztem Landkreis überhaupt in Sachsen, ab 1. Januar 2015 endlich der Vergangenheit angehören.
Wer schon einmal erlebt hat, wie Menschen an einer Supermarktkasse mühsam ihre Waren- oder Lebensmittelgutscheine in 1- oder 2-Euro-Stückelungen – getrennt nach Warengruppen – der Kassiererin vorlegen und einzeln unterschreiben müssen, der kann vielleicht nachvollziehen, wie diskriminierend und menschenverachtend dieses Gutscheinsystem eigentlich ist. Da sind die erniedrigenden Sprüche von ungeduldigen Menschen aus der sich dahinter bildenden langen Warteschlange noch das kleinste Problem, mit dem die Betroffenen klarkommen müssen. Aber können die Nutzer der Leistungen etwas an diesem System der in der Praxis untauglichen Gutscheine ändern?
Diese können auch nur in bestimmten Lebensmittel- und Drogeriemärkten eingelöst werden. Jeder Markt hat andere Regeln bei der Akzeptanz der Gutscheine. Oftmals wird kein Restgeld ausgezahlt. Was macht man als Betroffener, wenn man für diesen Monat noch einen 80-Euro-Gutschein hat, der nur für Bekleidung einlösbar ist, man aber eigentlich Schreibwaren, ein Spiel für die Kinder oder andere Dinge braucht? Wie kommt man aber als Asylbewerber, der in einem Dorf in einem Wohnheim untergebracht ist, ohne Auto zum nächsten Supermarkt?Sprachliche Barrieren sind ein weiteres Problem. Hier ist der Landkreis Leipzig zwar bestrebt, die Angebote weiter auszubauen. Aber Maßnahmen wie das DAF (Deutsch als Fremdsprache) und das DAZ (Deutsch als Zweitsprache) sind nur an einem zentralen Ort, in Borna, verfügbar. Asylbewerber aus dem ganzen Landkreis müssen also irgendwie nach Borna kommen, um an dieser Maßnahme teilnehmen zu können – unter Hinzuzahlung von 1 Euro pro Unterrichtseinheit aus der eigenen Tasche. Die Hürde ist hoch. Für viele zu hoch.
Das Landratsamt teilte abschließend mit, dass am 18. November weitere 41 Asylbewerber angekommen sind, bis zum Jahresende 2014 sind noch etwa 200 weitere Flüchtlinge angekündigt.
Es gibt also noch viele zu lösende Probleme auf dem Weg, Flüchtlinge willkommen zu heißen, angemessen unterzubringen und bestenfalls gut in die Gesellschaft einzubinden. Die Politik schafft nur die Rahmenbedingungen, die hier und da sicher verbesserungswürdig sind. Das wichtigste Element der Integration sind die Einwohner der Städte und Dörfer, die viel dazu beitragen können, in ihrem Umfeld Grenzen, Vorurteile und Berührungsängste abzubauen und sachlich über mögliche Lösungsvorschläge zu diskutieren.
Nur einige von diesen Schwierigkeiten konnten hier genannt werden, in den kommenden Tagen mehr dazu auf L-IZ.de. Unter anderem Gespräche mit Asylbewerbern über ihre Flucht(gründe), ihre Ängste, Sorgen und Bedürfnisse – und über ihren Alltag in einem Flüchtlingswohnheim.
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